Schottland Rundreise: Fakten, Zahlen, Einschätzungen und Nachwort

Segeln um Schottland
Tracking Daten der Schottland Rundreise

Das Bild zeigt die Route unserer Schottland Rundreise 2022.

Insgesamt habe ich mit wechselnden Mitseglern 2142 Seemeilen zurück gelegt. Das sind 3.967 km. Der Motor lief 262 Stunden. Das klingt viel, bei der ersten England Rundreise waren es allerdings 470 Stunden. Damals war die Rückreise sehr viel windärmer.

Wir haben 177 l Diesel verbraucht. Füllstand des Tanks zu Beginn und zum Ende lässt sich nicht exakt vergleichen. Nach diesen Zahlen hat der gute 15 PS Motor 0,7 l pro Stunde verbraucht. Wenn man den Verbrauch in üblichen PKW Bezügen auf 100 km vergleicht, wären das 4,7 l pro 100 km. Das ist ein guter Wert, immerhin wird hier mehr oder weniger ein Hausstand transportiert. Die Liegeplätze für die 8,60 lange ZERO schlugen im Schnitt mit ca. 25 € pro Nacht (personenunabhängig) zu Buche.

So gerechnet war das ja ein preisgünstiger Urlaub. Ich vergesse mal die Winterliegeplatzgebühr mit Transport, Krangebühr und ins Wasser bringen und herausholen von ca. 2.500 .- €. Die Sommerliegeplatzgebühr an einem festen Hafen konnte ich mir ersparen. Für Reparaturaufwände und Material wie Farben etc. benötige ich jährlich immer nochmal 1.000 – 1.500 €. Meine Arbeitszeit am Boot rechne ich mal besser nicht aus.

Wer also viel und lange segelt, für den ist ein eigenes Schiff eine Überlegung wert. Wer im Berufsleben steht und begrenzte Zeit zur Verfügung hat, für den ist das Chartern eines Bootes für den Jahresurlaub wahrscheinlich günstiger.

Das Wetter auf der Route war häufiger stürmisch, als ich das erwartet hätte. Die historischen Wetterdaten der wahrscheinlichen Windrichtung zu den kritischen Nordseequerungen sind ja nur statistische Daten und haben in unserem Fall in Windrichtung und Stärke nicht zugetroffen.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die verwendeten Wettermodelle noch nicht an den sich vollziehenden Klimawandel angepasst sind. Gerade bei den langen Schlägen über das Meer war dies nicht unproblematisch. Auf der Hinreise wurden wir von Ausläufern eines Sturmes vor Norwegen mehr oder weniger überrascht. In der Vorhersage waren Windstärken über 5 Beaufort nur weiter nördlich angekündigt.

Die Hinreise war der anstrengendste Teil der Reise. Mit den recht hohen Wellen von bis zu 5 m hatte ich nicht gerechnet. Die Langstreckenerfahrung bei starkem Wind mit der ZERO war für mich neu. Ich möchte sie nicht missen, bin mir aber nicht sicher, ob ich in meinem Alter diese Erfahrung noch einmal machen muss.

Das Segeln im Nordatlantik bei Sonne in Nord Schottland war seglerisch der für mich der schönste Teil der Reise. Ich liebe lange, ruhige Wellen, auf denen das Schiff in Ruhe hoch getragen wird und sachte die Wellenberge runter rutscht.

Die Rückreise war ebenfalls teilweise sehr windig und wellig. Bei einer erneuten Tourenplanung einer Rückreise würde ich prüfen, ob der Kurs gen Osten nicht etwas weiter gen Süden verschoben werden könnte. Wir haben jetzt noch das Ende der relativ flachen Doggerbank erwischt und hatten dort reichlich mit hohen Wellen zu tun gehabt. Weiter südlich beginnen aber bald die Sonderwirtschaftszonen mit etlichen Industrieanlagen, die man dann bei der Planung berücksichtigen müsste. Ggf. müsste man ein großes Verkehrstrennungsgebiet durch fahren, um davon südlich oberhalb der friesischen Inseln gen Osten zu segeln.

Insgesamt hat die Planung gut funktioniert. Die Grundregel auf einen Segeltag jeweils einen Hafentag anzusetzen, war angemessen. Ich bin nie hinter den Terminen hergehastet. Die Hafentage sind prima für einen Ausgleich zu den harten Touren und natürlich auch gut geeignet, Land und Leute kennen zu lernen.

Es war ein guter Schuss Abenteuer in diesem Urlaub dabei. Das stärkt den Respekt vor der Natur. Ob das zukünftige Generationen noch in dieser Art werden erleben können, ist fragwürdig. Gerade werden die Sonderwirtschaftszonen, Verkehrswege und Rest an Naturschutzflächen neu festgelegt. Mit den notwendigen zusätzlichen Offshore Windanlagen und weiteren Industriefeldern wird es wohl schwieriger, einen geeigneten Weg zum englischen Festland für ein Segelschiff zu finden. In England darf man immerhin durch fertig gestellte Windparks segeln, im deutschen Seegebiet ist das leider nicht zulässig. Das finde ich sehr schade und fachlich verstehe ich diese unterschiedlichen Regelungen nicht.

Ich bin sehr froh, dass ich diese Reise mit 67 Jahren noch machen konnte und ich danke meiner Frau Christiane, die lieber vom Land aufs Wasser guckt und nicht segelt, dass Sie meine längere Abwesenheit von zuhause mit getragen hat, auch wenn sie darüber nicht glücklich war.

31.7.2022 – 2.8.2022 von Cuxhaven nach Kiel

Sehnsuchts Sonnenuntergang

Nach einer Woche Pause in Hamburg will ich jetzt zum Ausgangshafen dieser Reise, Kiel Stickenhörn zurück kehren.

Das Kartentablet habe ich in Hamburg reparieren lassen können.

Die erste Station ist Brunsbüttel, und zwar der Yachthafen, der direkt hinter der Schleuse in den „Kiel Kanal“ liegt. Die offizielle Namensumbenennung des früheren „Nord-Ostsee-Kanals“ erfreut das Kieler Stadtmarketing.

Auf der Elbe koexistieren große Handelsschiffe mit kleinen Seglern.

Die Segelreise bis Brunsbüttel verläuft die Elbe aufwärts mit der Flut stressfrei. Beim Schleusentor habe ich das Glück, dass bei meiner Ankunft sich gerade die Sportboote in der alten Schleusenkammer versammeln.

Bei meinem ersten Besuch von Brunsbüttel vor 4 Jahren hat es hier nach Schwefel gestunken. Heute rieche ich davon nichts. Vermutlich steht der Wind günstiger, die Raffinerien haben jedenfalls ihren Betrieb noch nicht eingestellt.

Hinter der Schleuse liegt die ZERO im Päckchen neben einer Sirius. Dahinter kommt ein großes Frachtschiff gerade aus der Schleusenkammer.

Am nächsten Morgen geht es unter Motor weiter in Richtung Kiel. Meine hilfreiche Karte vom Kiel Kanal erklärt mir, wie die grün-gelb-roten Signale zu interpretieren sind. An engen Passagen müssen mitunter die großen Handelsschiffe den Gegenverkehr abwarten, während die Sportbootschifffahrt weiter fahren darf.

Die Fahrt ist bei schönem Wetter zu ertragen, aber grundsätzlich relativ langweilig. Gelegentlich kann ich die Genua unterstützend zum Motor verwenden. Die Selbststeuerungsanlage hat am Morgen Startschwierigkeiten, läuft dann aber wieder.

Die Schwebefähre bei Rendsburg ist wieder in Betrieb.

Ich entscheide mich, in dieser Nacht in Rendsburg in der Marina zu übernachten.

Die Sicht vom Wasser aus auf Rendsburg eröffnet nochmal andere Sichten auf die Stadt. Ich kenne Rendsburg von der wunderschönen Nord Art Ausstellung, die mit den alten Industriehallen und der großzügigen Parklandschaft mit wechselnden Ausstellungen jedes Jahr aufs neue ein lohnendes Ausflugsziel ist.

Nicht gerade ein Standardschiff, aber man sieht am Namen, wo mit fossilen Brennstoffen noch richtig viel Geld verdient wird.

Vom Wasser aus sieht man, dass auch im wirtschaftlichen Bereich dort vieles funktionieren muss. Es gibt mehrere Werften, die noch produzieren. Sicherlich gibt es auch hier den nicht vermeidbaren Rückgang an Schiffsindustrie, aber es sieht noch lebendig aus.

Das Anlegen im Yachthafen ist mal wieder schwierig. Ich hatte mir eine Box ausgesucht, wo der Wind von vorne kommt. In die Box würde allerdings auch ein 20 m langes Schiff reinpassen. Ich muss meine schon üppig ausgestatteten Festmacher verlängern, um die Distanz zum hinteren Poller zu überbrücken, um das Schiff sicher fest zu machen. Zum Glück hilft mir jemand vom Steg, der vom Nachbarschiff meine Vorleinen entgegen nimmt, um das Schiff vorne gegen seitwärtiges abdriften zu sichern.

Der Hafen ist wunderbar, zur Altstadt und zum Bahnhof sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Die Hafenmeisterin ist fleißig, das Check-In erfolgt zügig, aber papierhaft und selbst am späten Abend sehe ich die Hafenmeisterin noch fleißig in ihrem Büro mit Listen und Zetteln hantieren.

Am nächsten Tag geht es nochmals unter Motor bis nach Kiel. Unterwegs verabrede ich mich in der Nähe der Schleuse mit Rüdiger von der Initiative OneEarthOneOcean zur Übergabe der von uns während der Fahrt genommenen Wasserproben. Die Wasserproben werden im Labor von One Earth One Ocean auf Microplastik untersucht.

Die Proben haben wir auf der Hinfahrt in industriellen Zonen der Nordsee gesammelt; die Nordsee ist schon jetzt ein großes Industriegebiet gemischt mit Verkehrsstraße und geringen Anteilen geschützten natürlichen Ressourcen. Eigentlich waren die Proben für eine andere Meeresschutzorganisation vorgesehen, die sich dafür interessierte, wieweit im Umfeld dieser Plattformen achtsam mit dem Meereswasser umgegangen wird. Leider gab es hier neben dem angekündigten Interesse keine Beschlusslage, diese Untersuchungen tatsächlich vorzunehmen.

Übergabe unserer Wasserproben an den Laborleiter von One Earth one Ocean Dr. Rüdiger Stöhr

So sind wir sehr froh, dass OEOO wenigstens unsere Wasserpröbchen auf Mikroplastik untersucht, wenngleich anhand der geringen Mengen des entnommenen Meereswassers wohl kaum mit bahnbrechenden Erkenntnissen zu rechnen ist. Insgesamt ist dieser Aspekt unserer Reise etwas zu kurz gekommen, deshalb haben wir darüber auch wenig berichtet.

Heute aber ist der Tag, an dem wir die Proben dem Laborleiter von OEOO übergeben. Ich mach das persönlich, Lars der Mitsegler über die Nordsee ist es zu verdanken, dass diese Aktion überhaupt noch zustande gekommen ist. Vielen Dank Lars!

Die Reise endet unspektakulär am Abend gegen 19.00 Uhr in Kiel Steckenhörn, der Hafen, in dem die Schottland Rundreise Mitte Mai begonnen hat.

Die ZERO im Ausgangs- und Endhafen der Schottland Rundreise in Kiel Steckenhörn.

19.7.2022 – 24.7.2022 Rückreise nonstop von Dunbar nach Cuxhaven

Nach dem gelungenen Boarding von Lars lichten wir den Anker und machen uns sofort auf den Weg. Zunächst laufen wir unter Motor. Während der Fahrt bauen wir das Dingi zurück und verstauen es in der Backskiste.

Mit der Dämmerung kommt Wind auf und wir setzen die Segel. Gegen 4:30 Uhr sind wir auf der Höhe von Eyemouth. Hier hätte die Rückreise bereits gestern abend beginnen sollen.

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Ein schöner Segeltag beginnt.

Wir genießen den Sonnenaufgang und freuen uns über den gelungenen Einstieg in die Rückreise. Jetzt zählt die Regel: wer zuerst schlafen kann, legt sich zur Ruhe. Später geht es eher darum, wer noch einigermaßen fit ist, kontrolliert die Segeleinstellungen.

Der senkrecht montierte Außentisch verhindert das Rausrollen bei Seegang.

Wir wechseln in etwa im 2 Stunden Rhytmus. Im Salon haben wir wieder den rausfallsicheren Liegeplatz aufgebaut, damit man sich auch bei heftiger Schräglage noch irgendwie entspannen kann.

Diese Wettervorhersage aus dem Portal windy.com stand uns bei der Planung der Rückreise zur Verfügung.

Der 19.7. ist ein ganz passabler Segeltag. Im Laufe der Nacht dreht der Wind allmählich von Süd auf Nord. Ein Tiefdruckgebiet zieht von Westen auf die Nordsee. Der sich entwickelnde Nordwind wird uns gen Süden bringen.

Auf der Vorhersage zeichnet sich bereits ab, dass es weiter östlich ganz schön windig werden wird.

Am Vormittag des 20.7. setzen wir die Schmetterlingssegelstellung, sichern das Großsegel gegen ungeplantes Halsen und steifen die Genua mit einer Stange aus. Der Spaß währt nur kurz, da der Wind für diese Formation zu stark wird.

Lars beim Rückbau unserer Schmetterlingskonstruktion.

Im weiteren Verlauf des Tages müssen wir mehrfach die Segelfläche reduzieren. Am Abend legt der Wind nochmal auf 6 -7 Beaufort zu, in Böen 8. Zuvor hatten wir sinnvollerweise das 2. Reff ins Großsegel eingezogen. Jetzt verkleinern wir mehrfach hintereinander die Rollreff Genua. Zum Schluss bleibt für die Nacht ein handtuchgroßer Ausschnitt des Vorsegels stehen.

Die minimale Segelfläche reicht bei der Windstärke aus, uns mit 6-7 Knoten voran zu bringen. Gelegentlich überrollen seitliche Wellen das Schiff. Dann tropft es innen schon mal durch die Entlüftungsklappen. Die Feuchtigkeit im Schiff dehnt die Hölzer. Wie auf der Hinfahrt, fängt das Schiff an zu quietschen und zu knarren.

Die Wellen kommen von der Seite.

Der Starkwind bleibt uns auch am Donnerstag, den 21.7. bis zum Nachmittag erhalten. Dann nimmt der Wind langsam ab.

Es ist ein unangenemer Segeltag. Nach 2 Stunden Rückzug zur Linderung der Erschöpfung sieht der Alltag in etwa so aus: zunächst quält man sich zur Toilette, immer eine Hand an irgendeinem Griff. Das Schiff hat Schäglage und jede Welle, insbesondere jede seitliche Welle erzeugt zusätzliche Bewegungen und damit notwendige Festhaltemaßnahmen, damit man nicht durchs Schiff fliegt. Auf der Toilette gelingt es mir mitunter, nach Benutzung mich mit Kopf, Ellenbogen und Beinen irgendwo fest zu drücken, um noch eine Hand z.b. fürs Spülen frei zu bekommen.

Das Anziehen der Segelmontour in diesem bewegten Schiff ist nicht weniger anstrengend. Ein Arm wird regelmäßig zum Festhalten benötigt. Jetzt mit dem freien Arm irgendwie in die Regenjacke rein rutschen, diese dann auf die andere Seite bringen, jetzt mit dem fertig angezogenen Arm die Körperposition am Griff sichern, den nun frei gewordenen 2. Arm in eine Position bringen, in der er in den Arm der Regenjacke reinrutschen kann.

Das anziehen der Schwimmweste gestaltet sich etwas leichter, da die Öffnungen für die Arme größer sind. Und schon ist man fertig – fertig angezogen und fertig von den akrobatischen Übungen, die man vollbringen musste.

Insgesamt ist es unten ein gefährlicher Aufenthaltsort. An diesem Tag fliegen Lars und ich beide einmal quer durchs Schiff, da wir uns jeweils nicht mit wenigstens 1 Hand gesichert hatten. Zum Glück ist uns nichts passiert.

Dieser Segeltag ist für weitere Überraschungen gut. Kaum habe ich den Aufstieg ins Cockpit geschafft und noch bevor ich mich am Sicherungsgurt angeseilt habe, grüßt Neptun mich mit einer frechen seitlichen Welle, die mir über Kopf und Jacke rauscht. Ich fühle mich wie ein begossener Pudel und fange zugleich zu Lachen an, da die Situation so komisch ist. Nur schade um die zuvor trockene jetzt triefende Jacke.

Der Wind und die Wellen sind zwar heftig, aber wir kommen gut voran. Noch nördlich des großen Verkehrstrennungsgebietes vor den friesischen Inseln ändern wir unseren Kurs in Richtung Osten.

Im Laufe des Freitags, dem 22.7. taucht ein neues Problem auf. Das Haupttablet, welches uns als elktronische Karte dient mit Anzeige der großen Schiffe über das AIS System, lässt sich nicht mehr laden. Die Funktionen sind noch vorhanden, aber die Restkapazität der Batterie von jetzt noch 49% wird bei Normalgebrauch nicht bis zum Ende der Reise ausreichend sein. Wir reduziefen die Helligkeit und nutzen das tablet ab sofort nur in kritischen Situationen.

Jetzt navigieren wir auf der papierhaften Karte. Lars trägt gewissenhaft regelmäßig unsere Position mit Bleistift auf der Karte ein.

Nun verstehe ich, dass der Gesetzgeber papierhafte Karten vorgeschrieben hat. Ich hatte ja das Risiko eines Ausfalls der elektronischen Karte in Betracht gezogen und deshalb 2 autonome tablets mit 2 unterschiedlichen Kartensystemen mitgenommen. Das beide tablets ausfallen könnten, hielt ich für unwahscheinlich.

Die papierhafte Navigation ist allerdings träger. Man kann den Kurs ja nicht permanent eintragen und so passiert es während meiner Schicht, das wir ins Verkehrstrennungsgebiet gelangen – und zwar auf die falsche Spur. Wir sind jetzt Geisterfahrer – checken unsere Position nochmal mit dem ladegehemmten tablet und weichen dann 90° von unsere Kurs in Richtung Westen ab, um möglichst schnell aus der falschen Spur heraus zu kommen. Zum Glück war hier gerade nicht viel Verkehr.

Am Ende des Verkehrstrennungsgebietes weist uns eine Tonne, die wir auch auf der Karte identifiziert haben, den Weg zur Elbe. Gleichzeitig beunruhigt mich eine Armada von Monsterschiffen, die noch vor der Elbe unter Anker liegen. Liegen die hier, weil kürzlich die Hafenarbeiter gestreikt haben und es ggf. zu wenig Ladekapazität gibt? Oder warten die auf die Flutwelle, mit der sie nach Hamburg wollen?

Bald sehen wir die Insel Helgoland und haben dann auch Netzempfang. Den verwenden wir für die Nutzung eines Online Seekartenprogramm, sodass wir jetzt wieder ein elektronisches Modell unserer Route haben.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Im Meer von weiss flakkernden Lichtern, grünen und roten wegweisenden Bojen, heller Beleuchtung von Fischereibooten, grünen und roten Positionslampen von Schiffen fällt es schwer, das alles richtig zu interpretieren. Wir müssen zu zweit an Deck bleiben, um die Wirklichkeit gemeinsam zu deuten.

Zu Beginn hilft dabei auch die Online Seekarte auf dem Mobiltelefon. Nur irgendwann meldet die Anwendung, dass die Nutzungszeit für die Karte nunmehr abgelaufen sei.

Jetzt müssen wir uns auf unsere Sichtweise des nächtlichen Verkehrs verlassen. Das Fahrwasser ist etwas übersichtlicher geworden, aber die Armada der Handelsschiffe reitet auf der Flutwelle in Richtung Hamburg. Permanent überholen uns diese Monster. Ein entgegen kommendes Schiff scheint uns nicht zu sehen, sodass Lars per Funk den Kapitän auf uns aufmerksam macht.

Langsam dämmert es, was die Deutung des Geschehens vereinfacht.

Wir freuen uns über die gesunde Ankunft in Cuxhafen.

Am Samstag, den 23.7. um 6:40 Uhr legen wir in der Marina von Cuxhaven an. Wir sind sehr froh, jetzt angekommen zu sein. Wir räumen das Schiff noch auf und bauen die rausfallsichere Koje zurück.

Dann fallen wir erschöpft in unsere Betten.

18.7.2022 von Eyemouth nach Dunbar

Diese Reise um Schottland hat eine längere Planung benötigt. Das Boot und die Segelnden müssen sich bei wechselnden Mitseglern geplant an bestimmten Orten treffen. Das Segelboot sollte an diesen Orten zu fest gelegten Zeiten ankommen. Das ist nicht immer einfach, da das Wetter numal nicht planbar ist.

Für die Anreisenden war es dieses Jahr desto schwieriger, je mehr unterschiedliche Verkehrsmittel sie benutzt haben. Mal wurde ein Verkehrsmittel bestreikt, dann war bei Flügen nicht ausreichend Abfertigungspersonal verfügbar, sodass sich Flüge stärker verspäteten. Der Anschluss mit Bahn oder Bus funktionierte dann teilweise nicht mehr.

Ähnliches zeichnete sich bei der Anreise von Lars ab. Einige Verkehrsmittel in Großbritanien stellten ihren Betrieb aufgrund der Hitzewelle ein. Das betraf zwar mehr den Süden von England, die durch die Hitzewelle ausgelöste zentrale Katastrophenwarnung lag aber in der Luft.

Natürlich hatte bereits der Flieger beim Abflug Verspätung. Der Bus vom Flughafen Edinburgh in die Innenstadt funktionierte. Lars erreicht auch noch in letzter Minute den Zug nach Berwick-upon-tweed. Über die Verkehrssituation stimmen Lars und ich uns permanent per Telegon ab. Dann kommt von Lars die Nachricht, dass die Zugverbindung aufgrund eines Brückenproblems gecancelt wurde.

Was tun? Inzwischen sucht die Freundin von Lars im „Backoffice“ und ich in der Zero nach Verkehrsalternativen. Bis Eyemouth gibt es keine Verbindung mehr, aber bis Dunbar fährt noch eine Buslinie. Dunbar liegt ca. 20 Seemeilen nördlich von Eyemouth. Lars und ich beschließen, dass er den Bus bis Dunbar nimmt und ich dorthin zurück segele und ihn dort abhole.

Eyemouth wird mir in Erinnerung bleiben

In ca. 4 Stunden, also gegen Mitternacht, kann ich dort ankommen. Lars erreicht den Bus, ich mache das Schiff klar und wir reisen aus unterschiedlichen Richtungen zum vereinbarten Treffpunkt.

Es ist ein wunderschöner Segelabend mit zunächst ausreichendem Wind. Später muss der Motor unterstützen. Lars ist Stunden vor mir in Dunbar. Er klärt mit dem Hafenmeister und informiert mich dann, dass ich wohl zum Niedrigwasser ankommen werde, bei dem ein Einlaufen in den Hafen nicht möglich sei. Ggf. müsse ich vor dem Hafen ankern und ihn mit dem Dingi einsammeln.

Ok, das ist etwas aufwendiger aber machbar.

Zum Glück unterstützt mich die Selbststeuerungsanlage. Da kann ich das Dingi schon mal während der Fahrt aus der Backskiste herausholen, auspacken und aufblasen. Anschließend hole ich den Anker mit Ankerkette aus der Ankerkiste und lege beides bereit für einen schnellen Einsatz. Derweil ist es dunkel geworden. Das macht die Zufahrt in einen unbekannten Hafen nicht einfacher.

Das letzte Tageslicht zieht sich zurück

Lars hat inzwischen vor Ort hilfsbereite Schotten getroffen, die uns unterstützen. Ich wundere mich derweil über Lichter, die in meine Richtung strahlen. Mit dabei bei diesen Lichtern ist ein Scheinwerfer, den einer der Helfer aus seinem Pkw geholt hat, wie mir Lars später berichtet.

Ich konzentriere mich für die Anfahrt auf meine elektronische Karte. Es sind links und rechts der Hafenzufahrt einige Steininseln zu berücksichtigen. Ich fahre genau auf die Scheinwerfer zu, von denen ich inzwischen annehme, dass Lars sie organisiert hat.

Ein Effekt der Scheinwerfer, die in Richtung Schiff leuchten ist es, dass ich geblendet werde und die Umgebung nicht sehen kann. Ich muss noch rausfinden, wann der richtige Zeitpunkt ist, den Anker zu werfen.

Sobald wir in Rufweite sind, höre ich Lars rufen „Jetzt ankern!“. Ich eile nach vorne und lasse die Ankerkette durch meine Hände gleiten. Ich fixiere die Seilverlängerung der Ankerkette am Schiff und eile nach hinten, um rückwärts zu fahren, damit sich der Anker im Grund setzen kann.

Jetzt wird auch die Umgebung beleuchtet und ich nehme die hohen Steinfelsen war, vor denen die Zero jetzt am Anker liegt. Irgendwo zwischen den Steinfelsen muss dann wohl die Hafeneinfahrt sein.

Das Dingi ist schnell ins Wasser gelassen und über die Bordleiter komme ich nach dem häufigen Dingigebrauch in den letzten Wochen sicher ins Schlauchoot.

Jetzt sind die Scheinwerfer richtig hilfreich und weisen mir den Weg zu einer glitschigen Steintreppe, über die sich Lars vorsichtig Stufe um Stufe nach unten bewegt. Als erstes übernehme ich die beiden Rucksäcke, die Lars mitgeschleppt hat. Vorsichtig steigt Lars dann zu.

Das rudern bis zur Zero ist schnell geschafft und nach wenigen Minuten sind wir beide an Bord.

Boarding is complete.

17.7.2022 von Abroath nach Eyemouth

Am Vorabend zu dieser Tour werde ich von meinem Schiffsnachbarn eingeladen. Eine 4 köpfige Männercrew zwischen Mitte 30 und Ende Sechzig will durch den Caledonian Kanal und weiter über Glasgow in den Forth and Clide Canal. Natürlich sind sie alle recht trinkfest – der neue Kühlschrank auf dem gealterten Motorboot kühlt Whiskeys, Biere und Wotka.

Ich finde so einigermaßen das Gleichgewicht zwischen Höflichkeit und Alkoholkonsum, ohne am nächsten Tag nicht mehr einsatzfähig zu sein. Die Verständigung leidet etwas unter dem Alkoholgenuss zum einen durch eine undeutlichere Aussprache und durch den mit der Zeit durchschlagenden schottischen Akzent. Der macht die englische Sprache zackiger, was mein Verständnis nicht beflügelt. Beim Vorschlag, doch unbedingt noch eine Karaoke Session zu starten, winke ich freundlich aber entschieden ab.

Das Gate soll zwischen 7:15 und 7:35 Uhr geöffnet sein.

Der vom Hafenmeister uns mitgeteilte Öffnungszeitraum des Gates von 7.15 bis 7.35 Uhr wird aus unbekannten Gründen vorverlegt. Als ich den Hafen plangemäß um 7:15 Uhr verlasse, ist die schottische Männercrew bereits in Richtung Inverness unterwegs.

Die Fahrt nach Eyemouth läuft weitestgehend unter Motor, da der wenige Wind zumeist von vorne kommt. Um 19.30 Uhr lege ich längsseits an einem anderen Segelschiff an, so wie es mir der Hafenmeister am Telefon am Nachmittag vorgeschlagen hatte.

Zero liegt im Päckchen in Eyemouth

In Eyemouth will ich in wenigen Tagen Lars treffen, der sich freundlicherweise bereit erklärt hat, auch den Rückweg über die Nordsee mit zu segeln. Ich weiss nicht, wie ich ohne die Unterstützung durch Lars das Boot wieder zur Ostsse in angemessener Zeit hätte zurück segeln sollen.

Ich kenne Eyemouth von meiner England Umrundung und hatte den freundlichen Hafenmeister in bester Erinnerung, der bei der Tour vor 4 Jahren heraus gefunden hatte, dass die von uns geplante Strecke durch den Forth and Clide Canal aufgrund von defekten Brücken gesperrt war. Außerdem gibt es in Eyemouth eine Bootsdiesel Tankstelle, bei der wir unseren Tank und unsere Reservekanister für die lange Nordseetour füllen können. Zudem ist Eyemouth einigermaßen gut per Bahn und Bus von Edinburgh zu erreichen.

Das dies dann nicht klappte, konnten wir zur Planungszeit noch nicht wissen.