19.7.2022 – 24.7.2022 Rückreise nonstop von Dunbar nach Cuxhaven

Nach dem gelungenen Boarding von Lars lichten wir den Anker und machen uns sofort auf den Weg. Zunächst laufen wir unter Motor. Während der Fahrt bauen wir das Dingi zurück und verstauen es in der Backskiste.

Mit der Dämmerung kommt Wind auf und wir setzen die Segel. Gegen 4:30 Uhr sind wir auf der Höhe von Eyemouth. Hier hätte die Rückreise bereits gestern abend beginnen sollen.

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Ein schöner Segeltag beginnt.

Wir genießen den Sonnenaufgang und freuen uns über den gelungenen Einstieg in die Rückreise. Jetzt zählt die Regel: wer zuerst schlafen kann, legt sich zur Ruhe. Später geht es eher darum, wer noch einigermaßen fit ist, kontrolliert die Segeleinstellungen.

Der senkrecht montierte Außentisch verhindert das Rausrollen bei Seegang.

Wir wechseln in etwa im 2 Stunden Rhytmus. Im Salon haben wir wieder den rausfallsicheren Liegeplatz aufgebaut, damit man sich auch bei heftiger Schräglage noch irgendwie entspannen kann.

Diese Wettervorhersage aus dem Portal windy.com stand uns bei der Planung der Rückreise zur Verfügung.

Der 19.7. ist ein ganz passabler Segeltag. Im Laufe der Nacht dreht der Wind allmählich von Süd auf Nord. Ein Tiefdruckgebiet zieht von Westen auf die Nordsee. Der sich entwickelnde Nordwind wird uns gen Süden bringen.

Auf der Vorhersage zeichnet sich bereits ab, dass es weiter östlich ganz schön windig werden wird.

Am Vormittag des 20.7. setzen wir die Schmetterlingssegelstellung, sichern das Großsegel gegen ungeplantes Halsen und steifen die Genua mit einer Stange aus. Der Spaß währt nur kurz, da der Wind für diese Formation zu stark wird.

Lars beim Rückbau unserer Schmetterlingskonstruktion.

Im weiteren Verlauf des Tages müssen wir mehrfach die Segelfläche reduzieren. Am Abend legt der Wind nochmal auf 6 -7 Beaufort zu, in Böen 8. Zuvor hatten wir sinnvollerweise das 2. Reff ins Großsegel eingezogen. Jetzt verkleinern wir mehrfach hintereinander die Rollreff Genua. Zum Schluss bleibt für die Nacht ein handtuchgroßer Ausschnitt des Vorsegels stehen.

Die minimale Segelfläche reicht bei der Windstärke aus, uns mit 6-7 Knoten voran zu bringen. Gelegentlich überrollen seitliche Wellen das Schiff. Dann tropft es innen schon mal durch die Entlüftungsklappen. Die Feuchtigkeit im Schiff dehnt die Hölzer. Wie auf der Hinfahrt, fängt das Schiff an zu quietschen und zu knarren.

Die Wellen kommen von der Seite.

Der Starkwind bleibt uns auch am Donnerstag, den 21.7. bis zum Nachmittag erhalten. Dann nimmt der Wind langsam ab.

Es ist ein unangenemer Segeltag. Nach 2 Stunden Rückzug zur Linderung der Erschöpfung sieht der Alltag in etwa so aus: zunächst quält man sich zur Toilette, immer eine Hand an irgendeinem Griff. Das Schiff hat Schäglage und jede Welle, insbesondere jede seitliche Welle erzeugt zusätzliche Bewegungen und damit notwendige Festhaltemaßnahmen, damit man nicht durchs Schiff fliegt. Auf der Toilette gelingt es mir mitunter, nach Benutzung mich mit Kopf, Ellenbogen und Beinen irgendwo fest zu drücken, um noch eine Hand z.b. fürs Spülen frei zu bekommen.

Das Anziehen der Segelmontour in diesem bewegten Schiff ist nicht weniger anstrengend. Ein Arm wird regelmäßig zum Festhalten benötigt. Jetzt mit dem freien Arm irgendwie in die Regenjacke rein rutschen, diese dann auf die andere Seite bringen, jetzt mit dem fertig angezogenen Arm die Körperposition am Griff sichern, den nun frei gewordenen 2. Arm in eine Position bringen, in der er in den Arm der Regenjacke reinrutschen kann.

Das anziehen der Schwimmweste gestaltet sich etwas leichter, da die Öffnungen für die Arme größer sind. Und schon ist man fertig – fertig angezogen und fertig von den akrobatischen Übungen, die man vollbringen musste.

Insgesamt ist es unten ein gefährlicher Aufenthaltsort. An diesem Tag fliegen Lars und ich beide einmal quer durchs Schiff, da wir uns jeweils nicht mit wenigstens 1 Hand gesichert hatten. Zum Glück ist uns nichts passiert.

Dieser Segeltag ist für weitere Überraschungen gut. Kaum habe ich den Aufstieg ins Cockpit geschafft und noch bevor ich mich am Sicherungsgurt angeseilt habe, grüßt Neptun mich mit einer frechen seitlichen Welle, die mir über Kopf und Jacke rauscht. Ich fühle mich wie ein begossener Pudel und fange zugleich zu Lachen an, da die Situation so komisch ist. Nur schade um die zuvor trockene jetzt triefende Jacke.

Der Wind und die Wellen sind zwar heftig, aber wir kommen gut voran. Noch nördlich des großen Verkehrstrennungsgebietes vor den friesischen Inseln ändern wir unseren Kurs in Richtung Osten.

Im Laufe des Freitags, dem 22.7. taucht ein neues Problem auf. Das Haupttablet, welches uns als elktronische Karte dient mit Anzeige der großen Schiffe über das AIS System, lässt sich nicht mehr laden. Die Funktionen sind noch vorhanden, aber die Restkapazität der Batterie von jetzt noch 49% wird bei Normalgebrauch nicht bis zum Ende der Reise ausreichend sein. Wir reduziefen die Helligkeit und nutzen das tablet ab sofort nur in kritischen Situationen.

Jetzt navigieren wir auf der papierhaften Karte. Lars trägt gewissenhaft regelmäßig unsere Position mit Bleistift auf der Karte ein.

Nun verstehe ich, dass der Gesetzgeber papierhafte Karten vorgeschrieben hat. Ich hatte ja das Risiko eines Ausfalls der elektronischen Karte in Betracht gezogen und deshalb 2 autonome tablets mit 2 unterschiedlichen Kartensystemen mitgenommen. Das beide tablets ausfallen könnten, hielt ich für unwahscheinlich.

Die papierhafte Navigation ist allerdings träger. Man kann den Kurs ja nicht permanent eintragen und so passiert es während meiner Schicht, das wir ins Verkehrstrennungsgebiet gelangen – und zwar auf die falsche Spur. Wir sind jetzt Geisterfahrer – checken unsere Position nochmal mit dem ladegehemmten tablet und weichen dann 90° von unsere Kurs in Richtung Westen ab, um möglichst schnell aus der falschen Spur heraus zu kommen. Zum Glück war hier gerade nicht viel Verkehr.

Am Ende des Verkehrstrennungsgebietes weist uns eine Tonne, die wir auch auf der Karte identifiziert haben, den Weg zur Elbe. Gleichzeitig beunruhigt mich eine Armada von Monsterschiffen, die noch vor der Elbe unter Anker liegen. Liegen die hier, weil kürzlich die Hafenarbeiter gestreikt haben und es ggf. zu wenig Ladekapazität gibt? Oder warten die auf die Flutwelle, mit der sie nach Hamburg wollen?

Bald sehen wir die Insel Helgoland und haben dann auch Netzempfang. Den verwenden wir für die Nutzung eines Online Seekartenprogramm, sodass wir jetzt wieder ein elektronisches Modell unserer Route haben.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Im Meer von weiss flakkernden Lichtern, grünen und roten wegweisenden Bojen, heller Beleuchtung von Fischereibooten, grünen und roten Positionslampen von Schiffen fällt es schwer, das alles richtig zu interpretieren. Wir müssen zu zweit an Deck bleiben, um die Wirklichkeit gemeinsam zu deuten.

Zu Beginn hilft dabei auch die Online Seekarte auf dem Mobiltelefon. Nur irgendwann meldet die Anwendung, dass die Nutzungszeit für die Karte nunmehr abgelaufen sei.

Jetzt müssen wir uns auf unsere Sichtweise des nächtlichen Verkehrs verlassen. Das Fahrwasser ist etwas übersichtlicher geworden, aber die Armada der Handelsschiffe reitet auf der Flutwelle in Richtung Hamburg. Permanent überholen uns diese Monster. Ein entgegen kommendes Schiff scheint uns nicht zu sehen, sodass Lars per Funk den Kapitän auf uns aufmerksam macht.

Langsam dämmert es, was die Deutung des Geschehens vereinfacht.

Wir freuen uns über die gesunde Ankunft in Cuxhafen.

Am Samstag, den 23.7. um 6:40 Uhr legen wir in der Marina von Cuxhaven an. Wir sind sehr froh, jetzt angekommen zu sein. Wir räumen das Schiff noch auf und bauen die rausfallsichere Koje zurück.

Dann fallen wir erschöpft in unsere Betten.

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