26.5.: von Bridlington nach Hartlepool

Wir haben wieder eine lange Strecke von fast 60 Seemeilen vor uns. Um 4:15 heißt es: Leinen los. Irgendwie kriegen wir das hin, um 3:00 Uhr wach zu werden. Wir haben uns am Steg am Abend zuvor wieder zufällig mit Wayne über den Abreisezeitpunkt abgestimmt. Dieses Mal tauschen wir Telefonnummern aus. Wayne will Richtung Blyth fahren, wo er wohnt. Sein Segelboot haben wir noch nicht gesehen. Wenn wir in Blyth sind, sollen wir ihn anrufen. Seine Schwester würde gerne für uns kochen.

Das Frühstück besteht aus einer Scheibe trockenen Knäckebrots. Als wir loskommen, ist Wayne bereits unterwegs.

Vielleicht sollte ich beruflich „Fastensegeln“ anbieten, das wäre bestimmt der Renner. Gesegelt wird nur auf der Nordsee oder dem Atlantik.  Zum Wellcome Paket gehören unauffällige kompostierbare Tüten für Notfälle. Spätestens ab dem 2. Tag sind alle mit dem Knäckebrot einverstanden.

Als wir den Hafen verlassen, wird schnell klar, dass es mal wieder ohne Motor gar nicht geht. Schon wieder bläst uns der Wind aus Norden um die Ohren. Auf dem AIS System sehen wir ein Schiff, das einige Meilen vor uns auf der gleichen Strecke fährt. Das muss Wayne sein, und er scheint ein ordentlich ausgestattetes Schiff zu haben, mit AIS und für uns nicht einholbar.

Nach dem Kap von Flamborough wird die Nordsee offener und die Wellen entfalten ihre volle Kraft. Die Scheibe Knäckebrot bleibt wo sie ist. Zero kämpft tapfer mit den Wellen. Für die Höhe kommen sie ganz schön hochfrequent.

Allmählich flauen die Wellen ab. Wir zeigen diesesmal Scarborough die kalte Schulter. Zu oft wurden wir hier abgelehnt.

Scarborough aus der Ferne gesehen.

Unterwegs begegnet uns in gleicher Fahrtrichtung ein Segelboot. Ein bärtiger Mann steht am Steuer. Alle Segel sind gesetzt obwohl der Wind von vorne kommt und alle Fender hängen draußen.

Das muss ein Einhandsegler sein, dem es zu aufwendig ist, die Segel ständig an die Fahrbedingungen anzupassen. Die Fender werden sowieso im nächsten Hafen wieder gebraucht.

Lange fahren wir mit diesem Segler im Pulk. Ist es ein Einhandsegler?

Während wir stumpf unter Motor fahren, kreuzt der Segler fleissig mal hinter uns, mal überholt er uns. Ok, wir probieren es auch mal mit dem Segel setzen.

Heute darf es unterwegs auch schon mal ein Apfel sein.

Stundenlang fahren wir halbwegs im Pulk, bis der Segler eine andere Richtung einschlägt und bald am Horizont verschwunden ist.

Am Abend kommen wir im Hafen von Hartlepool an. Inzwischen haben wir gelernt, uns per Funk bei einer Schleuse oder einer Marina anzumelden. Das funktioniert auch diesmal, nur dass uns die Marina mitteilt, dass sie uns erst um 0:30 Uhr schleusen kann. Die Zufahrt zur Marina ist außerhalb des Industriehafens und die hat jetzt mal wieder kein Wasser.

So ein Ärger. Nächstes Mal schaue ich mir die Hafeninformationen im Reeds noch genauer an. Es bleibt uns  nichts anderes übrig, als provisorisch an einem Fischtrawler fest zu machen und zu warten. Wir nutzen die Zeit zum kochen. Ein Gläschen Wein darfs trotz nächtlichem Umzug in die Marina sein.

Inzwischen haben sich hier mehrere Boote versammelt, die jetzt nicht in die Marina können. Ein weiteres kommt hinzu. Es wird von einem Rettungsboot der Coast Guard eskortiert bzw. geschleppt.

Das Boot entpuppt sich als der Segler, der uns stundenlang begleitet hat. Und der vermutete Einhandsegler vom Typ bärtiger Aussteiger entpuppt sich als Wayne! Die ganze Zeit über sind wir im Pulk gefahren, ohne ihn zu erkennen. Sein 80 jähriger Freund ist auch mit dabei, nur saß der oft im Inneren des Schiffes. Wir hatten Wayne einfach nicht mehr auf dem Schirm, als das von seinem Schiff vermutete AIS Signal aus unserer Reichweite verschwand.

Beide sind auffallend blass. Was war passiert und wieso wird er von Seenotrettern eskortiert?

Wayne’s Schiff hatte einen elektrischen Brand im Motorraum. Ein Kabel hatte keine feste Verbindung, war heiß geworden und hatte gebrannt. Alles war voll schwarzer Rauch, als Wayne die Motorklappe öffnete, so berichtet er. Ein Ausschalten der Elektrik beendet den Schwelbrand, aber mit diesem Motor ist das Schiff nicht mehr manövrierfähig. Ein Ersatzaußenborder verhinderte, dass das Schiff auf Grund gespült wurde.

Wayne stand sichtlich unter Schock. Wir bieten unsere Hilfe an, laden sie zu uns aufs Schiff ein, aber sie wollen dort bleiben und am nächsten Tag die Reparatur organisieren.

Noch in der Nacht fahren wir weiter zur Marina von Hartlepool, gehen dort durch die Schleuse und legen um 1:20 Uhr schließlich an dem uns angewiesenen Platz an. Wayne hat sein Schiff am nächsten morgen mit Hilfe eines Schiffselektrikers wieder flott gekriegt.

Eine Lichtkanone (mir fällt kein besseres Wort hierzu ein) weist den Booten den Weg zur Hafeneinfahrt der Marina und ersetzt in der Nacht einen Leuchtturm. Je nach Einfahrtswinkel werden 3 Farben gezeigt, rot, weiß und grün.
Beim Schleusen auf der Reise. Die hydraulischen Schleusen lassen das Wasser direkt durch das teilweise öffnen der Tore in die Schleuse ein. Schäumt mitunter wie eine Waschanlage.
Die Marina von Hartlepool.
Neben Superyachten liegen auch schwimmende Wracks in der Marina
Wie kommt der röhrende Hirsch in das Hafengelände von Hartlepool? Wer die Antwort findet, bitte einen Kommentar hinterlassen.

27.5. – 28.5.: von Hartlepool nach North Shields am River Tyne

Wir lassen es heute langsamer angehen und verlassen den Hafen um 14:00 Uhr. Der Wind kommt weiterhin streng aus Nord. Die Tour heute hat ca. 20 Seemeilen.

Das quirlt so schön. Schleuse in Hartlepool.

Unter Motor mit gereffter Genua kreuzen wir weiter gen Norden. Bis zum Ende des heutigen Tages war der Motor auf dieser Tour dann 125 Stunden im Einsatz.

Vielleicht sollte ich den Blog umbenennen in „Unter Motor rund um England“. Wir haben auf der Tour schon über 80 Liter Diesel hinzu getankt. Ökologisch kann man das nicht mehr nennen.

Der seit Tagen ununterbrochene Nordwind ist ungewöhnlich für diese Region. Dafür hatte ich auf der Tour bisher auch keinen einzigen Regentag.

Die Tagestour verläuft ohne technische Herausforderungen. Abends denken wir, dass wir es bis Blyth geschafft haben, und als Wayne anruft, erneuert er seine Einladung und bietet er uns an, uns am kommenden Tag zum Essen bei seiner Schwester abzuholen.

Wir können Wayne noch nicht zusagen, da wir mächtig in Verzug mit unserer Zeitplanung sind. Die wollen wir am Abend überarbeiten und prüfen, ob wir wohl möglich Plan B in Kraft setzen, der anstelle durch den Caledonean Canal durch den Forth and Clyde Canal führt. Dieser Kanal zwischen Edingbourgh und Glasgow würde uns eine Woche Zeit ersparen.

Es scheint auch eine Entscheidung zwischen eher gemütlichem Urlaubssegeln und der mehr sportlichen Variante zu sein, größere Strecken zu bewältigen.

Wir entscheiden uns für die gemütlichere Variante. Bei der Entscheidung spielt auch mit, dass wir sehr gerne die Einladung in eine englische Familie annehmen würden und Wayne uns von Anfang an sehr sympathisch ist.

Wir sagen am nächsten morgen zu und müssen dabei gestehen, dass wir gar nicht in Blith sondern am River Tyne in der Royal Quai Marina liegen. Die Vectorkarte ist wohl so konfiguriert, dass auf dem Display die Ortsnamen nicht angezeigt werde. Für Wayne kein Problem, er will uns dann abends an der Marina abholen.

Wir liegen am königlichen Quai in der Marina. Zumindestens die neuen Sanitärräume sind königlich. Abgetrennte Einzel- oder Familienkabinen mit Toilette, Waschbecken und Regendusche.

Ich muss jetzt nur noch organisieren, wie der für den Forth and Clyde Canal der zu legende Mast auf dem Schiff gelagert wird. Wir brauchen dort vor Ort Unterstützung vielleicht von einem Zimmerer oder Tischler. Hierzu rufe ich bei der angegebenen Nummer der Scottish Canals an, um um Unterstützung zu bitten.

„The Forth and Clyde Canal is closed all over this year. We have technical problems …“ . Welche technischen Probleme vorhanden sind, kann ich aus dem schottischen Englisch nicht verstehen, was mir bei meinem Anruf bei der Kanalverwaltung aus dem Mobiltelefon entgegen kommt. Wäre ja gut gewesen, solch einen Hinweis auf der offiziellen Webseite der Scottish Canals zu platzieren. Das habe ich jedenfalls nicht gesehen.

Diesen Schock müssen wir erst einmal verarbeiten. Mal schauen, was das für die folgenden mitreisenden Segler bedeutet.

Wir beschließen erst einmal, wenn möglich kürzere Tagestouren zu planen, so zwischen 20 und 30 Seemeilen. Wir brauchen dann nicht mitten in der Nacht aufzustehen und sollten dann auch nicht anderntags so erschöpft sein, dass wir wiederholt einen Ruhetag einlegen müssen.

Zur Einladung schmeißen wir uns in Schale. Naja, was so an Schale in einem 8,40 m Boot mitgenommen werden kann. Diese Mütze (ein Geschenk von Dorothea) kommt erstmalig zum Einsatz.

Das Abendessen ist phantastisch, das Waynes Schwester Lesly gezaubert hat. Es gibt einen recht persönlichen Austausch. Ein ungeplantes Highlight dieser Reise.

Wayne bringt uns zurück zu unserem königlichen Hafen. Ich falle todmüde ins Bett und bin sofort eingeschlafen.

29.5. – 30.5.: vom River Tyne nach Amble

Zu humaner Zeit geht diese Tour um 8:40 Uhr Ortszeit los. Woher kommt der Wind? Na klar, aus dem Norden. Wieder laufen wir unter Motor, unterstützt durch die Genua. Oder umgekehrt, je nach Standpunkt des Beobachters.

Wir haben uns Amble als Ziel ausgeguckt, ca. 20 Seemeilen entfernt, also eine lockere Tour. Dieses Mal stimmen auch unsere Infos zur Strömung und zum Hochwasser in Amble.

So sieht das Tracking (rote Linie) der letzten beiden Tage aus. Mühsam arbeiten wir uns Meile um Meile gen Norden.

Während der Fahrt rutscht der Radarreflektor an der Hinterwante runter (heißt doch so, oder?), jedenfalls am hinteren Stahlseil, das den Mast mit dem Rumpf verbindet. Das ist ungünstig, denn sofern der Reflektor überhaupt etwas nützt, wir jedenfalls nicht mehr auf  fremden Radargeräten aus einiger Entfernung sichtbar sind. Das ist bei Nebel bzw. schlechter Sicht nicht gewünscht.

Wir befestigen den Reflektor an der Dirk, die normalerweise den Baum fixiert, da wir heute das Großsegel und damit den Baum nicht mehr benötigen. Hierfür müssen wir für die nächsten Tage eine andere Lösung finden.

Die Fahrt verläuft ansonsten unspektakulär.

Eine kleine Insel vor der Hafeneinfahrt nach Amble.

Wir melden uns per Funk in der Marina an, dessen Büro um 17:00 Uhr schließt. Sie hinterlegen unsere Liegeplatzdaten sowie die Zugangskarte in einer blauen Box am Besuchersteg. Als wir ankommen, finden wir uns gut zurecht.

Am nächsten Tag gehe ich ins Hafenbüro und frage nach Öl für den Simering der Welle. Dort hatte ich versehentlich 2 Takter Öl eingefüllt und ein Anruf beim Verkäufer bestätigt, ich brauche normales Öl. Ich brauche nur eine winzige Menge, die bekomme ich aus Restbeständen und gleich dazu einen kleinen Behälter zur Entsorgung des falschen Öls.

Die Hafenmeisterin und ihr Mann sind wieder super freundlich. Ich frage nach einer Gastlandflagge, gerne würde ich diese unter der holländischen Gastlandflagge aufhängen. Nein, das haben sie leider nicht. Ob ich denn schon am Fahnenmast die deutsche Flagge bemerkt habe. Diese hätten sie extra für uns hochgezogen.

Ich weiß nicht, ob ich rot werden soll. Inzwischen ist meine Scham für mein Herkunftsland kleiner geworden. Aber mit einer Identität anhand einer Nation habe ich immer noch ein Problem.

Jedenfalls ist es ein freundlicher Akt des Willkommen heißens und ich nehme dieses dem Hafenmeister Paar gerne ab und gestehe, dass mir die Flagge noch nicht aufgefallen war.

Unten links wurde extra für die ZERO eine deutsche Flagge gesetzt.

Am frühen Nachmittag fängt es an zu regnen. Der Wind pfeift fast in Sturmstärke. Ich fühle mich nahe einer Erkältung leicht angeschlagen und ziehe es vor, eine weitere Nacht zur Erholung in Amble zu bleiben.

Am Donnerstag soll der Wind auf südwestliche Richtung drehen! Vielleicht gelingt uns dann mal wieder ein längerer Schlag.

1.6. -2.6.: von Eyemouth nach Peterhead

In Eyemouth haben wir den Hafenmeister noch mal gebeten, die Sperrung des Forth and Clyde Canals zu verifizieren. Im Internet ist die mir mitgeteilte Störung immer noch nicht kommuniziert. An der angegebenen Telefonnummer erreicht er über Stunden niemanden.

Als wir zahlen wollen, versucht er, über einen anderen Kanal an Informationen zu gelangen. Der Kanal sei gesperrt, es seien zwei Brücken defekt, teilt es uns schließlich mit. Eine ungewöhnliche Form der Kommunikation, solch eine Information nicht über das Netz zu verbreiten.

Bei der Abreise produzieren wir schnell noch mal Hafenkino. Das Auslaufen wird bei Niedrigwasser zum Auflaufen. Und zwar mitten auf dem Fahrwasser. „Left, left, there it’s deeper.“ Ja gut, hätte ich auch gerne vorher gewusst.

Wir lassen noch einen größeren Katamaran vorbei, der eine Tauchgruppe an Bord hat. Das Wasser strömt zum Meer. Und wir liegen auf einer Sandbank. Trotz voller Schubkraft bewegt sich das Schiff kein Stück. Die ausgediente Fantadose am Grund des Wassers bewegt sich auch nicht.

Die Fischer im Katamaran nebenan sind auffällig gut gelaunt. Eis schleckende Familien gucken von oben auf unser Schiff. Gestikulierende verrentete Segler geben ihre Kommentare. Und wir machen den Motor aus. Das Wasser wird wieder kommen.

Der Film dauert über einer Stunde und jetzt heißt es, nur noch schnell tanken und dann kann es schon losgehen. Nur noch die 10 m hohe Leiter an der Kaimauer hochklettern, naja, es wachsen auch unten kaum scharfkantige Muscheln an der Leiter und der Grünbelag geht sicher wieder ab von den Händen.

Oben angekommen treffe ich unsren Hafenmeister wieder, der mit dem Fahrrad von seinem Büro ums Hafenbecken geeilt ist, um die Tankstelle zu bedienen. Also die Leiter wieder runter klettern, der Hafenmeister lässt die Zapfpistole vorsichtig am Schlauch runter und es tropft auch nur ganz wenig Dieselrest aus dem Schlauch. Dann wieder hochklettern, im Hafenbüro zahlen und eine Erklärung unterschreiben, dass man den steuerreduzierten rot eingefärbten Diesel auch bitte nur auf dem Wasser verbraucht. Den Diesel wieder abzusaugen und in ein Auto umzufüllen wäre Steuerhinterziehung und das wollen wir ja nicht.

Dann geht es endlich los.

Heute ist ein besonderer Tag in Nordengland.  Es ist sommerlich, kein Regen und kein Nebel, die Sonne scheint durch den leichten Dunst. Es windet auch kaum, sodass wir wieder mal den Motor anstellen dürfen. Wenn wir anlegen, werden wir 25 Motorstunden auf der Uhr haben.

Wir genießen die Sonne und freuen uns über warme Füße. Die hatte ich bisher eher selten. Unser elektrischer Steuermann kommt wie jeden Tag zum Einsatz und wir haben Zeit zur Muße.

Konzert für die Fische.

Wir stellen uns auf eine längere Tour ein, irgendwann müssen wir auch Seemeilen reißen, um die weiten Entfernungen zu überwinden. Auf jeden Fall wollen wir heute die Bucht vor Edinbourgh überqueren.

Der erste Hafen, den wir anlaufen können, ist Arbroath. Es ist bereits dunkel, als wir einlaufen wollen.

So wie der Tag gestartet ist, scheint er auch zuende gehen zu wollen. Im Schlamm. Richtig, wir sitzen mal wieder fest. Das Wasser läuft zwar gerade wieder auf, aber dieses Mal sind wir zu schnell gewesen. Wir müssten ca. noch 1,5 Stunden warten, um in die Hafeneinfahrt rein zu kommen. Die Zeit können wir doch besser zum Weiterfahren nutzen.

Unter Motor wühlen wir uns wieder aus der Hafeneinfahrt raus. Wir hatten bereits die Überlegung, in den nächsten Tagen eine Nacht durchzufahren, um schneller voran zu kommen. Dann ist das eben heute die Generalprobe. Einer muss sich unten entspannen können, während der andere oben den Überblick behält.

Schnell ist unten der Salon zur Nachtkoje umgebaut.

Während Rolf L. das Ausruhen probiert, halte ich Kurs auf Montrose, dem nächst gelegenen Hafen. Ordnungsgemäß melde ich mich per Funk bei der Hafenaufsicht an und bitte um Zugang, um im Hafen, der auch beim Reeds aufgeführt ist, zu übernachten. „Sorry, thats not possible, we are a commercial port and we have ship movements and can’t offer you a berth.“ Das ist der zweite Hafen, bei dem wir keinen Liegeplatz finden.

Der nächste brauchbare Hafen scheint Aberdeen zu sein. Dann müssen wir die Nachttour also schon heute durchführen. Die Generalprobe wird zur Lifeperformance. Die Bedingungen stimmen, der Himmel ist klar und wir laufen unter Motor, da der Wind für unser Ziel nicht zu gebrauchen ist. Alles gut unter Kontrolle zu halten, sofern der Motor durchhält.

In der Morgendämmerung auf den Weg nach Aberdeen.

Die Nacht verläuft gut und wir wechseln nach 4 Stunden die Rollen. So finden wir beide unsere Entspannungsphasen.

Am Morgen erreichen wir Aberdeen. Dieses Mal melden wir uns zunächst nicht bei der Hafenaufsicht. Plötzlich erfolgt auf dem Notrufkanal ein Aufruf an ein Segelschiff in Hafennähe zu Aberdeen, sich mit der Hafenaufsicht in Verbindung zu setzen. Da sind wohl wir gemeint.

„We are a commercial port and you are not allowed to enter the harbour.“ Der dritte Hafen, der uns nicht haben will.

Zwangsläufig kommen wir jetzt dazu, Seemeilen zurück zu legen.

Auch tagsüber hat jeder mal seine Ruhephase.

Am Ende des 2. Tages legen wir gegen 16.30 Ortszeit in Peterhead an. Wir haben ca. 100 Seemeielen zurück gelegt und den Motor 25 Stunden laufen lassen.

Die Marina von Peterhead liegt zwischen Chemikalienlager für die Offshore Ölplattformen etwas abseits der Stadt. Peterhead ist ebenfalls ein ehemaliger Fischerort, der irgendwie versucht zu überleben.

4.6.: von Fraserburgh nach Buckie

Durch die heftigen Wellenbewegungen der letzten Wochen hat sich ein Tau durchgescheuert, an dem der Radarreflektor montiert war. Eine provisorische neue Befestigung hatte nicht gehalten, sodass der Reflektor gegen den Mast gedengelt ist und sich in 2 Teile zerlegt hat.

Ich war einmal ein Radarreflektor.

Über Tipps vor Ort finde ich enen Ausstatter in Macduff, einen Hafenort auf unserem Weg nur 4 Segelstunden entfernt. Dort legen wir einen kurzen Zwischenstopp ein.

Provisorisches Festmachen mit sportlichem Ausstieg.

Wir legen an einer Kaimauer an. Das Aussteigen über einen Reifen zur Leiter nach oben ist etwas abenteuerlich. Der Laden ist super sortiert und nur wenige Minuten vom Hafen entfernt. Weiter gehts zu unserem Tagesziel nach Buckie. Von hier aus wollen wir morgen Inverness erreichen.

Wir haben jetzt endlich den Wind von der richtigen Seite. Der Motor wird nur noch zum Ein- und Auslaufen in die Häfen benötigt.

In Buckie gibt es wieder einen Liegeplatz an der Kaimauer.

Ausstieg über eine Eisenleiter, die in die Kaimauer eingearbeitet ist.

Buckie hat die Transformation einer sterbenden Hafenstadt nicht geschafft. Die Trostlosigkeit ist erdrückend. Die Sanitäranlagen sind die schlechtesten, die uns bisher auf unserer Reise begegnet sind. Dafür zahlen wir dann für die Übernachtung stolze 28 Pfund. Das ist preislich bisher der Spitzenreiter. Ich möchte dem Hafenmeister empfehlen, die sanitären Einrichtungen doch mal seiner Frau zu zeigen. Doch wer will in einem Gastland schon die Ehe eines Gastgebers gefährden?

Eine Elektroheizung im Sanitärbereich hat schon mal besser ausgesehen.

Am Morgen geht es dann um 9.00 Uhr Ortszeit weiter.

„4.6.: von Fraserburgh nach Buckie“ weiterlesen

22.6. – 23.6.: von Liverpool nach Conwy

Am Freitag kommt meine Tochter Melea nach Liverpool. Unser Ziel ist es jetzt, gemeinsam bis Aberystmyth zu reisen. Die erste Etappe soll uns bis Conwy führen. Ich hole Melea bei der Central Station ab.

Beim Weg dorthin entdecke ich ein trauriges Mahnmal, eine von den Deutschen im 2. Weltkrieg ausgebombte Kirche.

Die Kirche ohne Dach wurde als Mahnmal so belassen, wie sie nach dem Bombenangriff der Deutschen stehen geblieben ist.

Beim Festmachen im Hafen am Abend zuvor hat mir ein älterer Herr geholfen. Wir haben uns dann nach den Hafenformalitäten zum Plausch verabredet.

Er segelt seit Jahren zusammen mit einem noch älteren Herren, den er auf einem seiner Navigationsseminare kennen gelernt hat.

Er erklärt mir, wie wir zu welchem Zeitpunkt mehr in Landnähe nach Conwy segeln können. Damit werden wir ca. 10 Seemeilen einsparen und früher außerhalb der Fahrrinne unabhängig von den großen Pötten navigieren können.

An der roten Boje Brasil sollen wir uns portside (Backbord, links, da wo früher die Schiffe entladen wurden, rechts war das Steuer, „Steuerbord“) halten, dann einen Kurs nach Westen einschlagen, bis wir hinter uns eine Kirche zwischen 2 großen Wohngebäuden sehen. Jetzt müssten wir den Kurs so halten, dass die Kirche sich immer zwischen den beiden Gebäuden zeigt.

Eine pragmatische Anweisung, an die wir uns am nächsten Tag halten werden. Den Kurs trage ich parallel hierzu auf der Navigationssoftware ein.

Der Segler erläutert mir außerdem, dass man durch Windenergieanlagen durchaus hindurch segeln darf, sofern sie fertig gestellt sind. Diese Information war für uns sehr wichtig, da zwischen Liverpool und Conwy mehrere Windparks installiert sind.

Wir zahlen beim Hafenmeister unsere letzten Nächte und er verspricht uns, uns zu 6.00 Uhr beim Schleusenwärter anzumelden.

Abschied nehmen von Liverpool am Abend vor unserem 2. Versuch, Liverpool zu verlassen.

Leider kann ich den Schleusenwärter per Funk nicht ansprechen, da er auf Kanal 37 funkt. „For use in uk waters only“, sagt der Reeds Almanach dazu. Ok, ich hätte bei Bundesnetzagentur einen Antrag stellen können, den international nicht abgestimmten Kanal 37 nutzen zu dürfen, um meine England Tour durchzuführen. Mit der erteilten Genehmigung hätte dann ein autorisierter Fachhändler kosfenpflichtig dann den Kanal 37 auf meinem Funkgerät einrichten können. Komplizierter geht es immer.

Wir stehen am Morgen um 4:30 Uhr auf und sind pünktlich um 6:00 Uhr an der Schleuse. Die Schleuse hat eine Ampel und diese steht auf rot. Nach einer viertel Stunde des Wartensvhole ich schon mal das Nebelhorn raus und tröte laut vernehmlich in Richtung Schleusenwärterhäuschen. Da müssen die Anwohner jetzt durch.

Inzwischen hat sich ein privates Rettungsboot zu uns gesellt. Das will auch raus. Und der hat den Kanal 37, nur da nimmt niemand den Funkspruch an.

Im Laufe der Zeit sammeln sich 6 Boote, die alle raus wollen.

Wir müssen bis 8.00 Uhr Ortszeit warten, bis der Schleusenwärter endlich erscheint.

Endlich können wir in den Mersey Fluss zur Weiterfahrt nach Conwy auslaufen.

Mit 2 Stunden Verspätung laufen wir im ablaufenden Wasser raus zur Boje Brasil. Ich hoffe, dass der Wasserstand nach der Boje Brasil noch ausreichend ist. Schließlich sollten wir hier bei Hochwasser durchfahren.

Mit der Navigationshilfe der beiden Segler aus dem Hafen können wir gut Kurs halten. Eine Windparkanlage müssen wir kreuzen, aber wir müssen nicht durch ein Verkehrstrennungsgebiet, was uns die Tour erleichtert.

Wir melden uns telefonisch beim Hafenmeister in Conwy an und bekommen vorab einen Liegeplatz zugewiesen.

Gegen 19.00 Uhr erreichen wir Conwy. Wir können noch einen Spaziergang in die Altstadt machen und dort beim Italiener einkehren, der mit einem Superteam ein gutes Essen liefert.

Die Marina von Conwy.

Wir entscheiden uns, den Folgetag auch hier zu bleiben und den Ort und die Umgebung noch zu genießen.

Palmen hatte ich in Wales nicht erwartet. 

Wir wollen uns auf die Weiterreise optimal vorbereiten, aber auch einen schönen Spaziergang im angrenzenden Naturschutzgebiet Snodonia unternehmen.

Blühende Heide an den meernahen Bergen.

Für die Weiterreise gibt es zwei Optionen: um Anglesie herum segeln oder durch die Menai Straits und durch die Swellies durchfahren.

Die Fahrt außen rum dauert einen Tag länger und ist vermutlich schaukliger als die Fahrt durch den Kanal. Meine Tochter Melea mag das SChaukeln gar nicht.

Bei der Fahrt durch den Kanal gilt es allerdings die Swellies zu meistern.

Wir entscheiden uns für die Fahrt durch die Menai Straits. Zur Vorbereitung laufe ich mir das hierzu empfohlene Standardbuch „Cruising Anglessey and adjoining waters“ von Ralph Morris. Hier sind die Swellies sehr anschaulich erklärt und die Passage ist detailliert beschrieben.

Im Wesentlichen kommt es auf das richtige Timing an.

Die Swellies sind eine 2 Kilometer lange Teilstrecke der Menai Straits, an der sich die außen um Anglesey laufende Flutwelle mit der einlaufenden Flutwelle durch den kürzeren Kanal begegnet. Dann wandelt sich der Kanal in brodelndes Wasser mit starken Strömungen.

Beim richtigen Timing erwischt man das Slackwater, also das Stauwasser, was zwischen Ebbe und Flut die Strömung sozusagen zum Erliegen bringt. Zu diesem Zeitpunkt kann man also ruhig durch die Swellies fahren.

Mit diesem frisch angeeignetem Wissen bereite ich den morgigen Tag vor.

Die Wassersperre in Convy öffnet um um 5:44 Uhr, das Hochwasser in Liverpool ist um 9:14 Uhr, und 2 Stunden vorher (so sagt das schlaue Buch) ist Highwaterslack an der Menai Bridge, dem Beginn der Swellies, also um 7:14 Uhr. Der Hafenmeister bestätigt mir nochmal das Timing.

Am Abend gebe ich den Kurs (wiedrum nur bei Hochwasser fahrbar) zwischen Conwy und der Menai Bridge in das Navigationssystem ein. Dann geht es ab in die Koje.