27.6.2022 von Mallaig nach Kyleakin

Am Morgen frage ich den Hafenmeister, welche Abfahrtszeit er empfiehlt, um möglichst mit der Strömung durch die Enge des Sounds of Sleat durch zukommen. An der engsten Stelle kann hier die Strömung schon mal 8 Knoten betragen.

Da brauche ich mit meinem 15 PS Motörchen nicht loszufahren, wenn das Timing nicht stimmt, da das Boot gegen 8 Knoten Strömung nicht ankommt.

Der Hafenmeister empfiehlt, gegen 10:30 Uhr abzulegen. Das passt, ich kann noch Duschen, meine Wäsche aufsetzen und auch den örtlichen Bootsausstatter aufsuchen. Ich benötige noch etwas schleifbare Paste, um mögliche undichte Stellen am Deck beseitigen zu können.

Die gewaschene Wäsche kommt in den Trockner. Leider hat der Bootsausstatter nicht das von mir benötigte Material. Vielleicht bekomme ich es andernorts.

Als der Zeitpunkt der Abreise naht, ist die Wäsche leider noch nicht trocken. Bevor wir gegen die Strömung ankämpfen müssen, nehme ich lieber die noch leicht feuchte Wäsche in Kauf. Irgendwie werde ich die am Abend trocken kriegen.

Der Wind bläst nach wie vor aus südöstlicher Richtung. Mir reicht heute der stressfreie Vortrieb der Genua. Das Großsegel hat dann mal pause. Dabei komme ich nicht in Stress, wenn der Wind plötzlich aufbraust. Als Einhandsegler lernt man, mit der eigenen Ressource schonend umzugehen.

Die Fahrt ist überwiegend ruhig obwohl die ZERO an diesem Tag eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 6 Knoten erreicht. Die Strömung hat daran einen guten Anteil.

Wenn es zwischendurch mal regnet, setze ich mich unter die Sprayhood, die Beine landen auf der zweiter Sufe des Niedergangs. So lässt sich das Geschehen außen ganz gut beobachten. Zugleich habe ich unsere elektronische Karte mit Kurs, Tiefen und großen Schiffen im Blick, die per automatischem Informationssystem (AIS) u.a. ihren Kurs und ihren Namen übermitteln.

Schleppnetzfischer ohne AIS nicht identifizierbar
Der Schleppnetzfischer hat sein AIS ausgeschaltet.

Plötzlich nähert sich draußen ein Schiffstrawler, der nicht auf dem AIS sichtbar ist. Er zieht an 2 Tauen befestigt ein Schleppnetz hinter sich her. Hat er vergessen, das AIS System zu starten oder will er seiner Tätigkeit lieber ungesehen nachgehen? Am liebsten würde ich auf dem Notrufkanal 16 mitteilen „Fishing Trawler in Position … please switch your AIS system on.“

Natürlich traue ich mich das nicht. Einmal weiß ich nicht, ob hierfür der Notrufkanal verwendet werden darf; immerhin ist das eine Beeinträchtigung der Sicherheit der Schifffahrt. Wenn solch eine Durchsage bei einer aufmerksamen Küstenwache registriert und verfolgt würde, könnte das unangenehme Folgen für den Fischer haben. Will ich den verpfeifen? Es könnte schon sein, dass hier Schleppnetze verboten sind. Die starke Strömung, gegen die der Trawler anfährt, sorgt sicherlich für einen guten Fang.

Am Ende des Sound of Sleat (keine neue Musikrichtung, Sound heißt bei uns ‚Sund‘) verengt sich dieser auf vielleicht 50-80 Meter. Jetzt muss sich das Wasser aber beeilen, hier gesammelt durchzukommen. Der Hafenmeister hat mit seiner Abfahrtempfehlung richtig gelegen. Wir rauschen mit ca. 8-9 Knoten über Grund durch die enge Stelle. Hier quirlt es jetzt richtig, im englischen mit Eddies und Wirlpool treffend bezeichnet.

Die Seehunde genießen diese Wasserwirbel, sind aber wieder mal schneller untergetaucht, noch bevor ich meine Mobilkamera ausrichten kann.

Eddies und Whirlpools am Ende des Sound of Sleat
Eddies und Whirlpools amn der engsten Stelle des Sound of Sleat.

Nach dem Sound of Sleat sind es nur noch wenige Seemeilen zu den von mir favorisierten Pontons. Im Reeds Almanach, der Bibel für Englandsegler, ist in Kyleakin ein Schwimmsteg für Visitors eingezeichnet. Das Anlegemanöver klappt ganz gut in einer Lücke zwischen 2 Booten.

Fast alle hier liegenden Boote sind Fischereiboote. Kaum habe ich alles vertaut, läuft ein Fischerboot ein und macht in der 2. Reihe beim Boot hinter mir fest. Ich weiß nicht, ob ich dem Fischer seinen Platz streitig gemacht habe und nehme mit dem Fischer Kontakt auf. Sie bitten mich, in der 2. Reihe hinter ihrem Boot bei einem defekten Ausflugsschiff anzulegen, da noch etliche Fischerboote bald einlaufen werden. Sie helfen mir, beim vertauen am großen Ausflugsschiff.

Der Ort war bis in die 90er Jahre prosperirender Fährhafen für die Verbindung zur Insel Skye. Seit Fertigstellung der Brücke verfällt die Infrastruktur im Ort. Immerhin gibt es noch einen Pub und ein Restaurant. Mit Fischerei alleine wird der Ort keine Perspektive finden.

Der Hafen von Kyleakin
Der Ort hat schon mal bessere Tage gesehen

26.6.2022: von Tobermory nach Mallaig

Der Sturm hat mich davon abgehalten, bereits am Vortag weiter zu reisen. Heute soll er etwas abflauen und erst am Nachmittag wieder leicht zulegen.

Betrachtet man alleine die Tide, so wäre 13:30 Uhr der beste Zeitpunkt. Dann könnten die Ausläufer des Sturms aber bereits Mallaig erreicht haben.

Ich entscheide mich dafür, möglichst früh weiter zu reisen und stelle mir den Wecker auf 6:00 Uhr.

Die nächstenTage bin ich alleine unterwegs. Maria hat ihre Rückreise bereits angetreten und Max wird erst am 30.6. in Portree auf der Insel Skye zusteigen.

Das Ablegemanöver muss ich heute ohne Hilfe bewältigen. Wie also single-handed ablegen, ohne das Boot am Ponton weiter anzuschrappen? Der immer noch kräftige Wind drückt die ZERO an den Pontonfinger. Ich lege eine schwimmbare Leine an einen in Windrichtung gelegenen Festmacher über die mittlere Klampe am Schiff nach hinten zur Winsch. Wird die Leine angezogen, soll sie die ZERO vom Pontonfinger fernhalten.

Soweit der Plan.

Ich löse vorne und hinten rechts um 6.10 Uhr die Festmacher. Aber der Rückwärtsgang entfaltet zu wenig Kraft, um das jetzt nur noch an der Schwimmleine an der mittleren Klampe hängende Bott nach hinten zu ziehen. Das Boot fängt an sich zu drehen und kommt mit dem Heck meinem linken Nachbarboot verdächtig nahe. Ich verliere mal wieder die Kontrolle und kann per Hand nur noch das Aufeinandertreffen der beiden Boote abfedern aber nicht mehr verhindern. Die ZERO hinterlässt sichtbare Streifen am Nachbarboot.

Noch im Halbschlaf kommt der Nachbar den Niedergang hoch und will mir eine gute Reise wünschen. Ich sage, „es gibt ein Problem, ich habe ihr Boot gestreift, wir müssen reden“. Ich erläutere, dass ich dazu wieder anlegen will. Er beugt sich leicht über die Reeling und sagt: „Ach, das ist nicht schlimm. Das sind ja nur oberflächliche Kratzer, alles ok.“ Er wünscht mir eine gute Reise.

Der Dialog fand auf englisch statt. Ich kann es kaum fassen, sehe aber ein, dass der Schaden vermutlich mit einer Schleifpaste und einem Lappen beseitigt werden kann. Ich atme kurz durch und nehme dann Fahrt in Richtung Hafenausfahrt auf. Winkenderweise verabschiede ich mich dabei vom netten englischen Nachbarn.

Abschied von Tobermory
Licht und Dunkelheit geben sich die Hand

Der Wind kommt heute aus südöstlicher Richtung mit 4-5 Beaufort. Da brauche ich nur die Genua etwas heraus zu lassen, um genügend Fahrt aufzunehmen. Später, wenn der Kurs nach einem Kap sich um 90 Grad ändert, werde ich ggf. das Großsegel zusätzlich verwenden.

Das besagte Kap heißt Point of Ardnamurchan. Ich halte ordentlich Abstand, bei Kaps weiß ich nie, welche Überraschungen Wind und Ströhmungen mit sich bringen.

Zunächst flaut der Wind sogar etwas ab, da wir nach einer Kursänderung jetzt etwas im Windschatten eines Berges laufen. Das währt nur kurz, da der Berg in unserer Fahrtrichtung relativ steil abfällt. Wie durch eine Düse bläst der Wind jetzt ordentlich los. Ich muss die Genua 2 x verkleinern und außerdem bald das Großsegel mit 2 Reffs setzen, damit das Boot den Winddruck nicht nur vorne abbekommt.

Die jetzt kürzeren Wellen erinnern an die Ostsee. Das Boot ist flott unterwegs und mein Steuerautomat hilft mir sehr dabei, Kurs und Beseglung fortlaufend zu beobachten.

Obwohl es gelegentlich regnet, bereitet mir dieser flotte Segeltag Freude.

Bereits um 14.00 Uhr lege ich in Mallaig an.

Im Fischereihafen von Mallaig geht es geschäftig zu.

Der Ort Mallaig ist praktisch aber etwas öde. Er profitiert vom Harry Potter Tourismus. Die Filmszenen mit der Dampflokomotive kennt jeder Harry Potter Fan. Diese Szenen wurden zwischen Fort William und Mallaig gedreht. Die Dampflokomotive verkehrt noch heute regelmäßig auf dieser Strecke und hat dem Schottland Tourismus Impulse gegeben.