13.6. – 19.6.: Pause in Liverpool

Wir haben im Hafen gleich für eine Woche uns eingemietet. Zeit zum Entspannen, zum Sightseeing und zu einem Abstecher nach Hamburg zu Christianes Geburtstag.

Bei Liverpool denkt man zuerst an die Beatles. Zurecht. Sie haben schließlich mehrere Generationen in ihrem Musikgeschmack geprägt und sind das Symbol des kulturellen Umbruchs in den 60ger Jahren.

In Liverpool begegnet dem Besucher ein entwickelter Beatles Tourismus: Sightseeing Touren zu den Geburtsstätten der Beatles inkl. Strawberry Fields, Besichtigung des Cavern Club, eine Ausstellung zur Beatles story, eine Beatles Magical Mysteriy Tour mit Übersetzung der Tour in Deutsch, Französich, Italienisch, Spanisch und natürlich Chinesisch.

Und die Vermarktung läuft erfolgreich und weltweit. Da hätte sich die Tourismus Organisation in Hamburg bei Ihren gescheiterten Versuchen, von dieser Welle noch etwas abzubekommen, eine Scheibe abschneiden müssen. Schließlich sind die Beatles erstmalig in Hamburg unter dem Namen „The Beatles“ aufgetreten.

Liverpool und ganz England steht zu diesem kulturellen Erbe. Schüler kommen klassenweise in Bussen, ein Liverpool Besuch scheint auf dem Lehrplan zu stehen.

Eine hervorragende Ausstellung „Double Fantasy“ im National Museum of Liverpool zum Zusammenleben von John Lennon und Yoko Ono begeistert mich. Es werden sehr private Fotos, Gegenstände, viele Geschichten in Videobeiträgen und -performances gezeigt und die historischen Figuren Yoko Ono und John Lennon werden im politischen Kontext der damaligen Zeit dargestellt. Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, für die Gleichberechtigung, für Rechte der ausgegrenzten schwarzen Bevölkerung: auf vielen sozialpolitischen Themen haben sich John Lenon und Yoko Ono positioniert. Imagine Peace. Solche Leitfiguren könnte die Gegenwart gut vertragen.

Das stürmische aber wieder trockene Wetter läd zu einer Stadterkundung ein.

Neben dem Liverpool Mueseum interssiert mich das international Slavery Museum.

Hier setzt sich ein Museum ehrlich mit der dunklen Seite des transatlantischen Sklavenhandels auseinander, der Liverpool einen großen Teil seines Reichtums zu verdanken hat. Ende des 18. Jahrhunderts galt der Sklavenmarkt in Liverpool als der größte Sklavenmarkt weltweit.

Anhand von konkreten Figuren wird die Geschichte der Skalverei erzählt. Die Ausstellung zeigt auch in Vernetzung zur schwarzen Community in Liverpool, wie noch heute Mitglieder dieser Community im Alltag um ihre Rechte kämpfen müssen.

Yellow Submarine? Diese Ferienwohnung liegt in der Marina  von Liverpool.

Kunst wirbt im Alltag für einen oft kostenlosen Museumsbesuch.

Liverpool verfügt über zahlreiche architektonisch herausragende Gebäude.

Die Liverpool Marina und das Royal Albert Dock für größere und historische Boote liegen im Stadtzentrum aber oberhalb des Wasserstandes des Mersey Rivers. Der Zugang ist nur ca. 1 Stunde um die Flut herum durch jeweils eine Schleuse möglich. Hat man diese Hürde überwunden, wird das Seglerherz durch einen innerstädtischen Hafen belohnt, von dessen Position aus Liverpool sehr gut zu erkunden ist.

Boote im Royal Albert Dock.

Eine Wasserskianlage im Herzen von Liverpool. Die Größe der Hafenbecken gibt davon Zeugnis, dass Liverpool in vergangenen Zeiten wichtiger für die englische Seefahrt war.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Liverpool 40% des Welthandels abgewickelt.Seit den 50ger Jahren des 20. Jahrhunderts nahm die Bedeutung Liverpools als Hafen- und Industriestadt kontinuierlich ab.

Bei Spaziergängen durch die Stadt wird einiges dieser Geschichte sichtbar. Imposante Gebäude zeugen vom Reichtum, der in Liverpool angehäuft wurde. Von den engen Hafenvierteln und dunklen Gassen ist kaum etwas übrig geblieben. Die Sanierung des Hafenviertels hat u.a. große Docks unter einem Einkaufsviertel begraben.

20.6. – 21.6.: von Liverpool nach Liverpool

Ausgeruht geht es um 6:45 Uhr durch die Schleuse aus dem Brunswick Dock.

Mit meiner Tochter Melea hatte ich vereinbart, dass ich in Richtung Bangor segele.  Dorthin fährt auch ein Bus, der direkt vor ihrer Haustür hält.

Dieses Bangor ist nicht der Durchgangshafen vor Belfast, sondern ein kleiner Hafen am nördlichen Eingang zur Menai Strait, eine Wasserstraße, die die Insel Anglesey vom Festland trennt.

Das ist heute meine erste Fahrt als Einhandsegler auf diesem Törn!

Es ist alles gut vorbereitet, Proviant liegt als geschmierte Brote und etwas Obst bereits im Cockpit und natürlich auch der langweilige Sprudel. So muss ich während der Fahrt möglichst selten nach unten gehen. Die Selbststeuerungsanlage, das Funkgerät, das AIS System und das Kartentablet sind angeschaltet.

Bloß der Wind ließ sich nicht konfigurieren. Der legt schon mal noch im Mersey ordentlich zu. Aber ich habe ja die Strömung auf meiner Seite.

So strömt das ablaufende Wasser  gen Meer. Allerdings kommt der Wind jetzt noch direkt von vorne.  Später sollte ich den Wind von der Seite kriegen, dann kann ich auch ohne Motor gute Fahrt machen.

Aber der Wind bläst stärker als erwartet. Wind und Strömung arbeiten gegeneinander. Die letzten Tage hat es stark geblasen und die Wellen hatten genügend Vorlauf, sich ordentlich aufzubauen. Die Bucht von Liverpool ist sehr flach, was dazu führt, dass die Wellen entsprechend steiler werden.

Die Selbststeuerungsanlage kann ich kurz nach Inbetriebnahme gleich wieder abschalten. Sie kann das Schiff nicht auf Kurs halten. Es ist Handarbeit angesagt. Dabei muss ich darauf achten, am rechten Fahrbahnrand zu bleiben, damit ich erstens außerhalb der Fahrrinne nicht auf Sand laufe und zweitens die noch auslaufenden großen Pötte mir nicht zu nahe kommen.

Die steilen Wellen laufen jetzt in kürzerer Frequenz. Dazwischen mischen sich immer häufiger große Brecher, die mir ordentlich Respekt einjagen. Das ist auf dieser Reise der höchsten Seegang, den ich bis jetzt hatte.

Irgendwann kommt von Steuerbord eine große Welle, die ins Boot platscht. Gut, man wird etwas nass, aber das Boot hat ja eine selbstlenzende Plicht, d.h. ins Cockpit eingedrungenes Wasser fließt selbständig durch zwei Rohre wieder ab.

Mir ist das aber zuviel. Erstens bin ich noch hundemüde, zweitens heute alleine unterwegs und drittens ist der Mersey heute ohne mercy, einfach gnadenlos.  Merci Mersey, ein andermal wird es schon klappen.

Der River Mersey hat heute keine Gnade für Einhandsegler.

Umkehren ist angesagt. Und das nach drei Stunden harter Schipperei. Zunächst einmal will die Fahrbahn durchquert werden. Flussaufwärts muss ich jetzt bei den grünen Tonnen am Rande fahren.

Ich bin bei Hochwasser losgefahren, habe bis zum Umkehrentschluss ungefähr drei Stunden Diesel in die Luft geblasen, brauche also zurück nochmal drei Stunden – ja was ist dann? Niedrigwasser. D.h. ich kann nicht in den Hafen. Die Schleuse öffnet erst wieder am späten Nachmittag. Ich darf mir bis dahin noch die Zeit auf dem Mersey vertreiben.

Alleine den Anker hochziehen möchte ich nicht. Zu zweit kann wenigstens einer das Boot unter Motor zum Anker bewegen, während der andere den Anker hochzieht. Die Selbststeuerungsanlage ist für diese Tätigkeiten nicht zu gebrauchen.

Bei der mir von der Erstanreise nach Liverpool bekannten Wartezone gibt es einige Mooringe, an denen ich versuchen werde, das Schiff festzumachen. Bei dieser Strömung und dem starken Wind ist das keine einfache Aufgabe.

Der Mooring- und Ankerplatz am Eingang zu Liverpool.

Ich schleiche mich an einen Mooringplatz ran, stell den Leerlauf ein und laufe nach vorne, um mit dem Bootshaken die Schwimmboje reinzuangeln, an der das Festmacherseil des Moorings befestigt ist.

Bis ich vorne bin, hat das Schiff soviel Schwung verloren, dass es bereits wieder mit der Strömung zieht.

Ich modifiziere meinen Plan und lasse diesmal beim Anschleichen an den Mooring (oder das Mooring?) den Gang eingeschaltet.  Ich komme der Handboje bereits näher und beim dritten mal klappt es endlich. Ich ziehe die Handboje an Bord, um das daran hängende Festmacherseil zu erreichen. Ich muss alle Kraft aufbringen, um die Handboje nicht zu verlieren. Soll ich dieses dünne Seil einfach zum Festmachen verwenden?  Das bringt mir erstmal Zeit, meine Strategie zu überdenken.

Eine Inspektion der Verbindung der Handboje mit dem Seil, dass die Handboje mit der Mooring verbindet, macht mir Angst. Das kann nicht mehr lange halten. Lieber werfe ich die Handboje wieder ins Wasser und suche nach einer anderen Lösung.

Dieses Mal suche ich einen anderen Mooring aus. Und tatsächlich gelingt es mir jetzt, direkt den Mooring zu ergreifen und ein Festmacherseil vom Schiff durch die dafür vorgesehene Lasche zu ziehen.

Jetzt kann ich bis zum Öffnen der Schleuse mich ein wenig erholen.

Den Hafenmeister habe ich bereits per Funk über meine Rückkehr informiert. Die Nutzung der Schleuse ist inzwischen Routine.

Um 17:30 Uhr liege ich wieder gut vertaut in der Marina von Liverpool.