10.6.: von Orban zur Insel Gigha

Bei der Planung eines sinnvollen Abreisetermins nehme ich den Reeds Almanach zur Hilfe. Ohne dieses knapp 1000 seitige jährlich neu aufgelegte Werk kann ich mir solch eine Reise gar nicht mehr vorstellen. Die wichtigsten Informationen, die wir benötigen sind

  • Kommunikationsinfos zu Häfen, Schleusen und Portcontrol Organisationen, z.b. auf welchen Funkkanälen jeweils gesendet wird
  • Daten zu Hochwasser und Niedrigwasser für jeden Ort
  • Strömungskarten für jede Region

Für die Abfahrt ist es wichtig zu wissen, wann Hochwasser ist und welche Strömungen wann und wie laufen.

Es sieht aus, als können wir ausschlafen, weil den besten Strömungseffekt für die Reise haben wir 5 Stunden nach Hochwasser. Für Oban gibt es eine eigene Hochwassertabelle, die ich als Referenz benutze. Später wird sich rausstellen, dass das mal wieder ein Fehler war, da die Strömungstabellen sich auf die Hochwasserstände von Dower beziehen (natürlich nochmal die Stunde für die Sommerzeit hinzurechnen).

Jedenfalls fahren wir ausgeschlafen los und müssen heute ca. 50 Seemeilen zurücklegen, um bis Gigha zu kommen.

Auf dem Weg nach Gigha.

Es ist herrliches Segelwetter und wir rauschen zunächst mit 6-7 Knoten durch das Meer.

Doch dann kippt die Strömung. Mein Rechenfehler kommt zur Wirkung. Die Fahrt wird zwischen den Inseln Luing und Luna immer langsamer. Das Meer hingegen zeigt eine geriffelte Oberfläche, da es jetzt von mehreren Seiten strömt.

Kurz nach dem Kippen des Stroms bekommt das Meer eine schuppenähnliche Oberfläche.

Wir müssen jetzt den Motor dazuschalten, um unser Tagesziel erreichen zu können. Wir laufen jetzt bei günstigen Winden zwischen 4 und 5 Knoten unter vollem Segel und unter Motor mit allem, was uns an Kraft zur Verfügung steht.

Das Navigationsdisplay scheint verrückt zu spielen. Mal zeigt es eine Geschwindigkeit von 0 über Grund (gemessen über Satelit) an, mal fährt unser Boot zur Seite oder das Bootssymbol auf dem Display dreht sich.

Wer hat den Whirlpool Quirl angeschaltet?

Wir müssen den Motor auf höherer Drehzahl laufen lassen, um unsere Richtung halten zu können.

Es dauert fast eine Stunde, bevor wir aus dieser Mehrenge zwischen den beiden Inseln raus sind.

Auf der Karte befinden sich Hinweise auf starke Strömungen.

Irgendwann kommt der Quirl zum Erliegen und wir können wieder Fahrt aufnehmen. Es geht flott voran und wir erreichen unser geplantes Tagesziel, die Insel Gigha.

Wir finden die in den Karten beschriebene Bucht und müssen uns nur noch eine freie Mooringboje befestigen.

Sehr praktisch und erspart die gesamte Hafenprozedur.

Morgen geht es dann weiter in Richtung Nord Irland.

20.6. – 21.6.: von Liverpool nach Liverpool

Ausgeruht geht es um 6:45 Uhr durch die Schleuse aus dem Brunswick Dock.

Mit meiner Tochter Melea hatte ich vereinbart, dass ich in Richtung Bangor segele.  Dorthin fährt auch ein Bus, der direkt vor ihrer Haustür hält.

Dieses Bangor ist nicht der Durchgangshafen vor Belfast, sondern ein kleiner Hafen am nördlichen Eingang zur Menai Strait, eine Wasserstraße, die die Insel Anglesey vom Festland trennt.

Das ist heute meine erste Fahrt als Einhandsegler auf diesem Törn!

Es ist alles gut vorbereitet, Proviant liegt als geschmierte Brote und etwas Obst bereits im Cockpit und natürlich auch der langweilige Sprudel. So muss ich während der Fahrt möglichst selten nach unten gehen. Die Selbststeuerungsanlage, das Funkgerät, das AIS System und das Kartentablet sind angeschaltet.

Bloß der Wind ließ sich nicht konfigurieren. Der legt schon mal noch im Mersey ordentlich zu. Aber ich habe ja die Strömung auf meiner Seite.

So strömt das ablaufende Wasser  gen Meer. Allerdings kommt der Wind jetzt noch direkt von vorne.  Später sollte ich den Wind von der Seite kriegen, dann kann ich auch ohne Motor gute Fahrt machen.

Aber der Wind bläst stärker als erwartet. Wind und Strömung arbeiten gegeneinander. Die letzten Tage hat es stark geblasen und die Wellen hatten genügend Vorlauf, sich ordentlich aufzubauen. Die Bucht von Liverpool ist sehr flach, was dazu führt, dass die Wellen entsprechend steiler werden.

Die Selbststeuerungsanlage kann ich kurz nach Inbetriebnahme gleich wieder abschalten. Sie kann das Schiff nicht auf Kurs halten. Es ist Handarbeit angesagt. Dabei muss ich darauf achten, am rechten Fahrbahnrand zu bleiben, damit ich erstens außerhalb der Fahrrinne nicht auf Sand laufe und zweitens die noch auslaufenden großen Pötte mir nicht zu nahe kommen.

Die steilen Wellen laufen jetzt in kürzerer Frequenz. Dazwischen mischen sich immer häufiger große Brecher, die mir ordentlich Respekt einjagen. Das ist auf dieser Reise der höchsten Seegang, den ich bis jetzt hatte.

Irgendwann kommt von Steuerbord eine große Welle, die ins Boot platscht. Gut, man wird etwas nass, aber das Boot hat ja eine selbstlenzende Plicht, d.h. ins Cockpit eingedrungenes Wasser fließt selbständig durch zwei Rohre wieder ab.

Mir ist das aber zuviel. Erstens bin ich noch hundemüde, zweitens heute alleine unterwegs und drittens ist der Mersey heute ohne mercy, einfach gnadenlos.  Merci Mersey, ein andermal wird es schon klappen.

Der River Mersey hat heute keine Gnade für Einhandsegler.

Umkehren ist angesagt. Und das nach drei Stunden harter Schipperei. Zunächst einmal will die Fahrbahn durchquert werden. Flussaufwärts muss ich jetzt bei den grünen Tonnen am Rande fahren.

Ich bin bei Hochwasser losgefahren, habe bis zum Umkehrentschluss ungefähr drei Stunden Diesel in die Luft geblasen, brauche also zurück nochmal drei Stunden – ja was ist dann? Niedrigwasser. D.h. ich kann nicht in den Hafen. Die Schleuse öffnet erst wieder am späten Nachmittag. Ich darf mir bis dahin noch die Zeit auf dem Mersey vertreiben.

Alleine den Anker hochziehen möchte ich nicht. Zu zweit kann wenigstens einer das Boot unter Motor zum Anker bewegen, während der andere den Anker hochzieht. Die Selbststeuerungsanlage ist für diese Tätigkeiten nicht zu gebrauchen.

Bei der mir von der Erstanreise nach Liverpool bekannten Wartezone gibt es einige Mooringe, an denen ich versuchen werde, das Schiff festzumachen. Bei dieser Strömung und dem starken Wind ist das keine einfache Aufgabe.

Der Mooring- und Ankerplatz am Eingang zu Liverpool.

Ich schleiche mich an einen Mooringplatz ran, stell den Leerlauf ein und laufe nach vorne, um mit dem Bootshaken die Schwimmboje reinzuangeln, an der das Festmacherseil des Moorings befestigt ist.

Bis ich vorne bin, hat das Schiff soviel Schwung verloren, dass es bereits wieder mit der Strömung zieht.

Ich modifiziere meinen Plan und lasse diesmal beim Anschleichen an den Mooring (oder das Mooring?) den Gang eingeschaltet.  Ich komme der Handboje bereits näher und beim dritten mal klappt es endlich. Ich ziehe die Handboje an Bord, um das daran hängende Festmacherseil zu erreichen. Ich muss alle Kraft aufbringen, um die Handboje nicht zu verlieren. Soll ich dieses dünne Seil einfach zum Festmachen verwenden?  Das bringt mir erstmal Zeit, meine Strategie zu überdenken.

Eine Inspektion der Verbindung der Handboje mit dem Seil, dass die Handboje mit der Mooring verbindet, macht mir Angst. Das kann nicht mehr lange halten. Lieber werfe ich die Handboje wieder ins Wasser und suche nach einer anderen Lösung.

Dieses Mal suche ich einen anderen Mooring aus. Und tatsächlich gelingt es mir jetzt, direkt den Mooring zu ergreifen und ein Festmacherseil vom Schiff durch die dafür vorgesehene Lasche zu ziehen.

Jetzt kann ich bis zum Öffnen der Schleuse mich ein wenig erholen.

Den Hafenmeister habe ich bereits per Funk über meine Rückkehr informiert. Die Nutzung der Schleuse ist inzwischen Routine.

Um 17:30 Uhr liege ich wieder gut vertaut in der Marina von Liverpool.