16.6.2022 – 19.6.2022: durch den Caledonean Canal

1. Tag: von Inverness nach Fort Augustus

Ich erinnere mich gerne an die Fahrt vor 4 Jahren durch den Caledonian Canal. 2018 war der endlose Sommer – auch in England und Schottland. Vielfach stellte sich England als braune und nicht grüne Insel dar – es hatte so wenig geregnet, dass Wiesen vertrockneten und das Gras braun wurde.

Dieses Jahr hält Schottland die eigene Wetterbeschreibung ein. Nachts ist es kalt wie im Winter. Morgens regnet und stürmt es wie im Herbst. Nachmittags ist der schottische Sommer: die Sonne gibt sich ein kurzes Stelldichein. Der Frühling fällt heute aus.

Die ersten Schleusen kriegen wir gut hin. Das Interesse der Zuschauer ist groß, mit einigen kommen wir kurz beim Leinen halten in den ersten Kammern der Treppenschleuse ins Gespräch.

Jetzt begleitet mich Maria, mit der ich auch in den letzten 2 Jahren kleinere Segeltörns gemacht habe. Maria muss ihr Bein schonen, da sie beim Hüpfen von einem Zaun unglücklich mit einem Fuß gelandet ist.

Nach den ersten Treppenschleusen sind wir bald im Loch Ness. Unser Schweinswal soll Kontakt aufnehmen können mit dem Ungeheuer Nessi.

Wo ist Nessi?

Das Vorsegel lässt sich gut ausrollen Ob unser Schweinswal Kontakt aufnehmen konnte mit Nessi, hat er uns nicht verraten.

Später frischt der Wind auf, sodass wir die Genua verkleinern wollen. Beim Einrollen des Vorsegels hakt die Genua und die Einrollfunktion stellt den Betrieb ein. Die Genua muss also komplett runter. Bei den kurzen Hackwellen auf dem Loch Ness ist das nicht gerade ein Vergnügen.

Nach dem Bergen der Genua gelingt es mir, die Verstopfung in der Rolle aufzulösen. Es ist aber zu windig, um die Genua hoch zu ziehen und manuell einzuwickeln

Wir warten, bis wir eine kleine Bucht schon fast am Ende vom Loch Ness passieren, die relativ wenig Wind abbekommt. Hier können wir das Vorsegel wieder hochziehen und geordnet einrollen.

Dann fängt es an zu regnen. Wir installieren die Selbststeuerungsanlage und überwachen Kurs und AIS vom Salon aus. Andere Segler sind nicht unterwegs.

In Fort Augustus kommen wir nach 21.00 Uhr an. Das war ein langer Segeltag.

2. Tag: von Fort Augustus nach Laggan

Wieder kommt der Wind am nächsten Tag von vorne, also aus Südwesten. Diese Windrichtung hätten wir gerne bei der Nordseequerung gehabt. Aber segeln ist nunmal kein Wunschkonzert. Man lernt mit dem klar zu kommen, was Wind und Wellen gerade anbieten.

Auch im Caledonean Canal heisst es: Aufpassen und nicht die Orientierung verlieren.

Also heißt es wieder einmal: Motor oder kreuzen. Wir kombinieren beides zusammen: vorne läuft die Genua, und hinten immerhin für 4 Stunden der Motor. Der Wind in der letzten Schleuse an diesem Tag fordert uns heraus. Wir verpatzen, die hintere Leine rechtzeitig dem Schleusenwärter zu zuwerfen. Dieser versucht noch, uns von oben ein Leinenende zu zuwerfen. Das klappt zunächst auch, aber das Boot hat sich im Starkwind bereits so weit von der Schleusenwand nach Backbord entfernt, dass der Schleusenwärter im Starkwind das Boot von der Oberkante der Schleuse nicht mehr gedreht bekommt.

Die Anweisung heißt jetzt: wieder rausfahren, besser vorbereitet, mental und auch mit reibungsloser Verfügbarkeit der Festmacher bekommen wir es im 2. Anlauf geregelt, ordnungsgemäß an Steuerbord in der Schleusenkammer unsere Schleusenleinen zu übergeben.

Wir fahren jetzt weiter bis zur nächsten Schleuse bei Laggan und bleiben die Nacht dort an den Pontons vor der Schleuse.

Etwas abgerockt aber funktionsfähig: Schleusenhäuschen in Laggan

3. Tag: von Laggan zu Neptun’s Staircase bei Fort William

Wir kommen entspannt durch die Schleuse von Laggan. Wir setzen bald die Segel mit einem leicht gerefften Vorsegel.

Wir segeln durch eine grüne Berglandschaft. Das ist einmalig in Schottland. Die Berge werden höher und der Wind frischt gelegentlich auf. Die Genua müssen wir mehrfach verkleinern.

Segeln durch grüne Berglandschaftenü

Am Nachmittag zeigt sich der Ben Nevis. Mit seinen 1345 m ist er der höchste Berg Englands. Im Sommer ist er beliebtes Terrain für Kletterer, im Winter Englands Wintersportgebiet.

An den steilen Nordhängen sind auch jetzt Mitte Juni Schneereste vom Winter zu erkennen.

Am Nachmittag werden wir vor der 9 Schleusenkammern großen Anlage Neptun’s Staircase ankommen. Leider ist dann die Betriebszeit der Schleusungen bereits vorbei, sodass wir an den Pontons vor der Schleuse werden übernachten müssen.

Morgen wollen wir da durch …

Beim Anlegen an den Pontons haben wir wieder schwer zu kämpfen. Der frische Wind bläst vom Land. Beim Ausstieg befestige ich provisorisch den vorderen Festmacher am Steg. Wieder Erwarten löst sich dieser Festmacher und Maria, meiner Mitseglerin, bleibt keine Zeit, mir den hinteren Festmacher zu zuwerfen. Jetzt ist sie alleine an Bord und hat ohne großes vorheriges Training die Yacht nun zu wenden, in Richtung Ponton in der richtigen Geschwindigkeit zu laufen und möglichst mir noch einen Festmacher zu zuwerfen. Ich gestikuliere mit meinen Armen und versuche Anweisungen zu geben. Unsere englischen Pontonnachbarn bemerken unsere Not und eilen uns zu Hilfe. Sie beruhigen die Situation und greifen beherzt zum vorderen Festmacher, als die Zero sich dem Ponton nähert. Ruckzuck ist sie am Ponton vertaut und wir können uns allmählich vom dem Schreck des Kontrollverlustes erholen.

Morgen soll es dann weiter bis Oban gehen.