1.6. -2.6.: von Eyemouth nach Peterhead

In Eyemouth haben wir den Hafenmeister noch mal gebeten, die Sperrung des Forth and Clyde Canals zu verifizieren. Im Internet ist die mir mitgeteilte Störung immer noch nicht kommuniziert. An der angegebenen Telefonnummer erreicht er über Stunden niemanden.

Als wir zahlen wollen, versucht er, über einen anderen Kanal an Informationen zu gelangen. Der Kanal sei gesperrt, es seien zwei Brücken defekt, teilt es uns schließlich mit. Eine ungewöhnliche Form der Kommunikation, solch eine Information nicht über das Netz zu verbreiten.

Bei der Abreise produzieren wir schnell noch mal Hafenkino. Das Auslaufen wird bei Niedrigwasser zum Auflaufen. Und zwar mitten auf dem Fahrwasser. „Left, left, there it’s deeper.“ Ja gut, hätte ich auch gerne vorher gewusst.

Wir lassen noch einen größeren Katamaran vorbei, der eine Tauchgruppe an Bord hat. Das Wasser strömt zum Meer. Und wir liegen auf einer Sandbank. Trotz voller Schubkraft bewegt sich das Schiff kein Stück. Die ausgediente Fantadose am Grund des Wassers bewegt sich auch nicht.

Die Fischer im Katamaran nebenan sind auffällig gut gelaunt. Eis schleckende Familien gucken von oben auf unser Schiff. Gestikulierende verrentete Segler geben ihre Kommentare. Und wir machen den Motor aus. Das Wasser wird wieder kommen.

Der Film dauert über einer Stunde und jetzt heißt es, nur noch schnell tanken und dann kann es schon losgehen. Nur noch die 10 m hohe Leiter an der Kaimauer hochklettern, naja, es wachsen auch unten kaum scharfkantige Muscheln an der Leiter und der Grünbelag geht sicher wieder ab von den Händen.

Oben angekommen treffe ich unsren Hafenmeister wieder, der mit dem Fahrrad von seinem Büro ums Hafenbecken geeilt ist, um die Tankstelle zu bedienen. Also die Leiter wieder runter klettern, der Hafenmeister lässt die Zapfpistole vorsichtig am Schlauch runter und es tropft auch nur ganz wenig Dieselrest aus dem Schlauch. Dann wieder hochklettern, im Hafenbüro zahlen und eine Erklärung unterschreiben, dass man den steuerreduzierten rot eingefärbten Diesel auch bitte nur auf dem Wasser verbraucht. Den Diesel wieder abzusaugen und in ein Auto umzufüllen wäre Steuerhinterziehung und das wollen wir ja nicht.

Dann geht es endlich los.

Heute ist ein besonderer Tag in Nordengland.  Es ist sommerlich, kein Regen und kein Nebel, die Sonne scheint durch den leichten Dunst. Es windet auch kaum, sodass wir wieder mal den Motor anstellen dürfen. Wenn wir anlegen, werden wir 25 Motorstunden auf der Uhr haben.

Wir genießen die Sonne und freuen uns über warme Füße. Die hatte ich bisher eher selten. Unser elektrischer Steuermann kommt wie jeden Tag zum Einsatz und wir haben Zeit zur Muße.

Konzert für die Fische.

Wir stellen uns auf eine längere Tour ein, irgendwann müssen wir auch Seemeilen reißen, um die weiten Entfernungen zu überwinden. Auf jeden Fall wollen wir heute die Bucht vor Edinbourgh überqueren.

Der erste Hafen, den wir anlaufen können, ist Arbroath. Es ist bereits dunkel, als wir einlaufen wollen.

So wie der Tag gestartet ist, scheint er auch zuende gehen zu wollen. Im Schlamm. Richtig, wir sitzen mal wieder fest. Das Wasser läuft zwar gerade wieder auf, aber dieses Mal sind wir zu schnell gewesen. Wir müssten ca. noch 1,5 Stunden warten, um in die Hafeneinfahrt rein zu kommen. Die Zeit können wir doch besser zum Weiterfahren nutzen.

Unter Motor wühlen wir uns wieder aus der Hafeneinfahrt raus. Wir hatten bereits die Überlegung, in den nächsten Tagen eine Nacht durchzufahren, um schneller voran zu kommen. Dann ist das eben heute die Generalprobe. Einer muss sich unten entspannen können, während der andere oben den Überblick behält.

Schnell ist unten der Salon zur Nachtkoje umgebaut.

Während Rolf L. das Ausruhen probiert, halte ich Kurs auf Montrose, dem nächst gelegenen Hafen. Ordnungsgemäß melde ich mich per Funk bei der Hafenaufsicht an und bitte um Zugang, um im Hafen, der auch beim Reeds aufgeführt ist, zu übernachten. „Sorry, thats not possible, we are a commercial port and we have ship movements and can’t offer you a berth.“ Das ist der zweite Hafen, bei dem wir keinen Liegeplatz finden.

Der nächste brauchbare Hafen scheint Aberdeen zu sein. Dann müssen wir die Nachttour also schon heute durchführen. Die Generalprobe wird zur Lifeperformance. Die Bedingungen stimmen, der Himmel ist klar und wir laufen unter Motor, da der Wind für unser Ziel nicht zu gebrauchen ist. Alles gut unter Kontrolle zu halten, sofern der Motor durchhält.

In der Morgendämmerung auf den Weg nach Aberdeen.

Die Nacht verläuft gut und wir wechseln nach 4 Stunden die Rollen. So finden wir beide unsere Entspannungsphasen.

Am Morgen erreichen wir Aberdeen. Dieses Mal melden wir uns zunächst nicht bei der Hafenaufsicht. Plötzlich erfolgt auf dem Notrufkanal ein Aufruf an ein Segelschiff in Hafennähe zu Aberdeen, sich mit der Hafenaufsicht in Verbindung zu setzen. Da sind wohl wir gemeint.

„We are a commercial port and you are not allowed to enter the harbour.“ Der dritte Hafen, der uns nicht haben will.

Zwangsläufig kommen wir jetzt dazu, Seemeilen zurück zu legen.

Auch tagsüber hat jeder mal seine Ruhephase.

Am Ende des 2. Tages legen wir gegen 16.30 Ortszeit in Peterhead an. Wir haben ca. 100 Seemeielen zurück gelegt und den Motor 25 Stunden laufen lassen.

Die Marina von Peterhead liegt zwischen Chemikalienlager für die Offshore Ölplattformen etwas abseits der Stadt. Peterhead ist ebenfalls ein ehemaliger Fischerort, der irgendwie versucht zu überleben.

3.6.: von Peterhead nach Fraserburgh

Am morgen checken wir nach dem Motormarathon erst einmal die Maschine.

Wir haben gut zwischen den Chemikalientanks geschlafen.

Beim Öffnen des Motorraumes bemerken wir, dass sich unterhalb des Motors inzwischen eine beachtliche Menge an Seewasser gesammelt hat. Am Motor scheinen in dieser Höhle Salzkristalle zu wachsen. Ich befürchte schlimmes, kann denn soviel Wasser auslaufen, ohne dass Druck aus dem Motor hinzukommt? Ist denn die Zylinderkopfdichtung noch ok?

Ich konferiere mit Reinhold, einem Mitsegler für die Rückreise mit technischem Sachverstand. Die defekte Zylinderkopfdichtung scheint nicht plausibel, da weder Diesel aus den Abgasen mit ausgeführt wird, auch keine Rußpartikel im Motorraum beim Testbetrieb sichtbar sind, noch nennenswerte Ölrückstände sich in der Wasserlake unter dem Motor zeigen.

Die Montageklappe des Impellers, ein von einer Welle angetriebenes innen liegendes Gummiteil, das mit kleinen Flügeln Seewasser durch den äußeren Kühlkreislaufes des Motors schaufelt, ist knochentrocken.

Aber dahinterliegend, um diese Welle herum, tropft es. Wie das neu abzudichten ist, muss sich ein Fachmann anschauen.

Das Wasser nehmen wir mit einer Rolle Haushaltspapier auf, um am nächsten Tag zu schauen, welche Mengen da bei Motorbetrieb entstehen.

Um 13:00 Uhr Ortszeit geht die Reise weiter. Inzwischen haben wir gelernt, uns auch bei der Abreise bei der Hafenaufsicht per Funk abzumelden.

Die Arbeit am Boot hat dazu geführt, dass wir uns um die Gezeiten gar nicht kümmern konnten. Schließlich hat unsere Zeitdisposition uns den Ablegezeitpunkt vorgegeben.

Der Wind kommt mal wieder aus dem Norden.  Irgenwie müssen wir um dieses Horn, dieses Loch (Landzunge) herumkommen. Wenn die Küste zum Westen abfällt, können wir einen besseren Kurs fahren.

Aber erstmal heißt es: hart am Wind kreuzen. Es fällt schwer, Höhe zu gewinnen. Unser guter Pinnensteuerugsassistent kommt immer wieder aus dem Takt. Auch manuell ist es schwierig, die Geschwindigkeit zu halten und Höhe zu gewinnen.

Nach einer Wende und nach wenigstens 1 Stunde sehe ich aufs Display der von uns verwendeten Navigationssoftware und bin schockiert. Der aufgezeichnete Kurs zum Westen verläuft parallel in wenig Abstand zum vorherigen Kurs nach Osten. Die Strömung aus Norden  setzt uns genau um den Raum zurück, den unsere Kreuzen Aktion gewonnen hat. Da hätten wir genauso gut länger schlafen können.

Aber wir müssen den Knick um die Ecke schaffen …

Wir nehmen den Motor zu Hilfe und irgendwann ändert der Tidenstrom auch seine Richtung. Jetzt gehts schneller voran und um 23:00 Uhr haben können wir endlich in Fraserburgh anlegen.

Fraserburgh bietet einen Hafen direkt in der Altstadtkulisse.

Der Hafen von Fraserburgh liegt mitten in der Stadt. Wir liegen an einem Ponton, kommen gut an Land. Die Toiletten sind in der Seemannsmission. Im Fernsehraum im Durchgang zu der Toillette mit Dusche halten afrikanische und asiatische Seeleute Kontakt zu ihren Angehörigen und Freunden.

Wir gehen noch ein Bier trinken und werden von Gordan gleich zu einem weiteren Bier eingeladen. Die Schotten sind nett zu uns. Mit guter Bettschwere gehen wir in unsere Kojen.

4.6.: von Fraserburgh nach Buckie

Durch die heftigen Wellenbewegungen der letzten Wochen hat sich ein Tau durchgescheuert, an dem der Radarreflektor montiert war. Eine provisorische neue Befestigung hatte nicht gehalten, sodass der Reflektor gegen den Mast gedengelt ist und sich in 2 Teile zerlegt hat.

Ich war einmal ein Radarreflektor.

Über Tipps vor Ort finde ich enen Ausstatter in Macduff, einen Hafenort auf unserem Weg nur 4 Segelstunden entfernt. Dort legen wir einen kurzen Zwischenstopp ein.

Provisorisches Festmachen mit sportlichem Ausstieg.

Wir legen an einer Kaimauer an. Das Aussteigen über einen Reifen zur Leiter nach oben ist etwas abenteuerlich. Der Laden ist super sortiert und nur wenige Minuten vom Hafen entfernt. Weiter gehts zu unserem Tagesziel nach Buckie. Von hier aus wollen wir morgen Inverness erreichen.

Wir haben jetzt endlich den Wind von der richtigen Seite. Der Motor wird nur noch zum Ein- und Auslaufen in die Häfen benötigt.

In Buckie gibt es wieder einen Liegeplatz an der Kaimauer.

Ausstieg über eine Eisenleiter, die in die Kaimauer eingearbeitet ist.

Buckie hat die Transformation einer sterbenden Hafenstadt nicht geschafft. Die Trostlosigkeit ist erdrückend. Die Sanitäranlagen sind die schlechtesten, die uns bisher auf unserer Reise begegnet sind. Dafür zahlen wir dann für die Übernachtung stolze 28 Pfund. Das ist preislich bisher der Spitzenreiter. Ich möchte dem Hafenmeister empfehlen, die sanitären Einrichtungen doch mal seiner Frau zu zeigen. Doch wer will in einem Gastland schon die Ehe eines Gastgebers gefährden?

Eine Elektroheizung im Sanitärbereich hat schon mal besser ausgesehen.

Am Morgen geht es dann um 9.00 Uhr Ortszeit weiter.

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5.6.: von Buckie nach Inverness

Wir legen früh in Buckie ab. Wir haben bis Inverness ca. 50 Seemeilen vor uns.

Heute haben wir die perfekte Route für den nord-östlichen Wind.

Wellenberge und Wellentäler von hinten wiegen das Boot recht sanft.

Es wird der perfekte Segeltag. Der Wind kommt direkt von hinten und wir setzen die Passatsegel. Die Wellen laufen unter dem Schiff hindurch. Sie sind ca. 2,50 m hoch, haben aber eine langsame Frequenz. Sanft wird das  Schiff gehoben und gewogen. Wir rauschen mit 6 Knoten in Richtung Inverness.

Dabei passieren wir auf der Höhe von Lossimouth den nördlichsten Punkt dieser Reise.

Ab jetzt geht es in Richtung Süden.

Der Sund vor Inverness verengt sich, der Wind nimmt zu. Vor der Brücke von Inverness bergen wir die Segel.

Die Brücke vor Inverness.

Gleich hinter der Brücke laufen wir den Hafen von Inverness gegen 19:30 Uhr an. Der Hafen ist das erfreuliche Kontrastprogramm zum Hafen von Buckie. Perfekter Service von der ersten Minute an. Warme und saubere Sanitärräume.

Wir unternehmen noch einen Spaziergang nach Inverness. Eine tolle Stadt, die eigentlich einen mehrtägigen Aufenthalt rechtfertigen würde.

Die Altstadt von Inverness ist ganz schön herausgeputzt.

Am Abend falle ich erschöpft in meine Koje.

6.6.: von Inverness nach Fort Augustus

Am morgen wollen wir im Hafen von Inverness noch den neuen Radarreflektor montieren. Der Hafenmeister bietet uns an, mich mit seinem Kran hoch zu ziehen. Das Angebot nehme ich gerne an.

Hier oben hat man einen super Ausblick. Es ist schwer, die kleinen Schrauben und Unterlegscheiben zu montieren, ohne dass was runterfällt.
Bitte keine Schraube verlieren.

Danach geht es dann los in den Caledonian Canal. Insgesamt müssen wir durch 28 Schleusen durch, gehäuft jeweils an den Enden des Kanals.

Mit dem Caledonean Canal haben wir eine wichtige Etappe dieser Reise endlich erreicht. Es war mühsam, die Ostküste per Motor oder durch Kreuzen gegen den häufigen Nordwind zu erklimmen, aber jetzt freuen wir uns auf landschaftlich aufregende und abwechslungsreiche Erlebnisse.

Hier geht es gleich durch mehrere Schleusen hintereinander.
Grüne Bäume und blühende Ginsterbüsche am Caledonian Canal.

Der Caledonian Canal ist das Kontrastprogramm zur rauheren Nordseeküste. Endlich können sich unsere Mägen dauerhaft beruhigen. Die gemütliche Fahrt durch den Kanal eignet sich auch für wasserinteressierte, die gerne auf hohe Wellen verzichten. Ein blauer Himmel mit viel Sonnenschein entschädigt uns für die kalte Nordseequerung.

Der Kanal ist eingesäumt von grünen Hügeln, blühenden Ginsterbüschen und gelegentlich parallel verlaufenden Flüssen. An vielen Stellen eignet er sich auch für eine Reise mit dem Rad.

Nach einer gemütlichen Fahrt durch die Kanal Landschaft öffnet sich uns das Loch Ness. Hier dürfen wir mal wieder mit Wind von  hinten segeln.

Das Loch Ness hat steile Hänge an beiden Seiten. Es gibt kaum Tiere hier zu sehen. Wir vermissen Vögel.

Vergeblich halten wir Ausschau nach dem Seeungeheuer von Loch Ness. Eine publizistisch tolle Erfindung, gelegentlich aufgewärmt, trägt doch dazu bei, diese einsame und schöne Region touristisch etwas bekannter zu machen.

Am Ende von Loch Ness wird das Tal enger und der Wind pfeift stärker. Wir schaffen es gerade noch, die Segel rechtzeitig zu bergen.

In Fort Augustus finden wir am Ponton einen Liegeplatz für diese Nacht.

7.6.: von Fort Augustus nach Gairlochy

Wir haben die zeitweise schaukelige Nacht gut überstanden. Unser Liegeplatz lag zu nah am offenen Loch Ness, über dass  ein kräftiger Wind doch eine unruhige, kabbelige Welle aufgebaut hat.

Am Morgen läuft der Schleusenwärter über die Pontons und teilt den einzelnen Schiffsführern mit, wann sie dran kommen. Es handelt sich hier nicht um eine Einzelschleuse sondern um eine Treppenschleuse, in der mehrere Schleusen hintereinander gesetzt sind und die Schiffe bei der Ausfahrt aus einer Schleuse bereits in der nächsten Schleusenkammer landen.

Wir wollen es heute bis zum Ende des Caledonian Canal schaffen.

Um 12:00 Uhr sollen wir an der Reihe sein.

Wir entwickeln Routine beim Schleusen.

Am Ende der Schleuse ergibt sich eine ähnliches Bild wie am Vortag. Es geht erstmal los mit einer wunderschönen Kanal- und Flusslandschaft. Es wirkt etwas wärmer und dichter als am Vortag.

Parallel zum Kanal verläuft der River Oich. Mitunter gibt es einen Austausch des Wassers zwischen  beiden Systemen.

Immer wieder öffnen sich verschiedene Verbindungen zwischen Fluss und Kanal.

Die heutige Strecke ist heimeliger und verwunschener als die gestrige. Der Wald wächst oft bis zum Rand des Kanals. Manchmal kann man den River Oich durch den Waldrand durchschimmern sehen.

Die Organisation der schottischen Kanäle vor Ort ist großartig. Man kommuniziert per Funk – in beide Richtungen.

Ein Brückenwärter hat uns angefunkt, wir würden abseits der Strecke fahren und müssten weiter links zur Boje. Ich bedanke mich für seinen Hinweis und er erklärt, es sei auch seine Aufgabe, diesen Streckenabschnitt zu überwachen.

Kurze Zeit später wissen wir diesen Hinweis nochmal besonders zu würdigen.

Da hat jemand den falschen Weg gewählt und kam nicht mehr zurück.

Für den Schleusenbetrieb ist jede Menge Personal im Einsatz. Das Kontrastprogramm zu den dänischen Hafenmeistern, die meist nur aus einem Automaten bestehen.

Diese Schleusenwärterin hat jedem Gast ein aufklebbares Sternchen geschenkt.

Am Nachmittag öffnet sich der Kanal wieder zu einem See, dem Loch Lochy. Im Gegensatz zum Loch Ness fallen die näheren Berge flacher ab und es wird Landwirtschaft betrieben. Ein idyllisches Plätzchen für Schafe.

Im Hintergrund zeigt sich Schottlands höchster Berg, ca. 1300 m. Ein Segler, den wir beim Schleusen trafen, bemerkte, dass er dort als Kind bei schottischen horizontalem Regen Ski fahren gelernt hat. Bis in den August hinein lassen sich am Berg noch Schneeflächen identifizieren.

Bis zum Abend schaffen wir es bis zur Treppenschleuse. Durch diese werden wir morgen den Caledonian Canal verlassen.

8.6.: von Gairlochy nach Corpach/Fort William

Am morgen sollen wir um 12:00 Uhr für die Treppenschleusen bereit stehen. Aus 12:00 Uhr wird dann 1:00 Uhr und dann geht es los.

Durch 8 Stufen dieser Treppenschleuse müssen wir hindurch.

Rolf L.  führt oben die Taue und ich darf unter Motor kurz in die nächste Schleuse fahren, wenn sich die Schleusentore komplett geöffnet haben.

Insgesamt hat der Caledonian Kanal 29 Schleusen. Nach der Treppenschleuse liegen noch 2 Schleusen vor uns. Die letzte Schleuse  verbindet den Kanal mit dem Meer. Wir lassen uns Tipps geben, wo wir die Nacht am besten verbringen, denn  Fort William hat gar keinen Hafen.

Wir entscheiden uns für einen Ponton gleich nach der letzten Seeschleuse.

Offensichtlich war das die richtige Wahl, denn kurze Zeit später fragt ein Segler an, ob er sich im Päckchen an unser Boot legen darf. Na klar, den Segler kennen zudemaus der Treppenschleuse.

Wir kommen schnell ins Gespräch und John hat bereits einen Tipp, wo wir jetzt noch einkaufen können. Es ist ein lauer Sommerabend und wir entschließen uns, den mitgeführten Grill zum Einsatz zu bringen.

Als wir kurze Zeit später John im Laden beim Einkaufen wiedertreffen, entschließen wir uns schnell, John zum Grillabend auf unser Boot einzuladen. John sagt zu. Wir stocken unseren Einkaufswagen auf.

Es wird ein lockerer Grillabend. John ist Fischer im Ruhestand. Sein Sohn führt den Laden weiter. John kennt in der Region jeden See, jeden Kanal und alle Meere im Umfeld. Durch den Caledonian Kanal ist John wohl bereits 30 Mal gefahren.

John wird zu unserem perfekten Planer der nächsten Segeltouren.

Wir erklären John, dass wir noch durch den Crinan Canal reisen wollen. John winkt ab. Das wäre zu zweit kaum zu schaffen, da die Reisenden die Schleusentore manuell selbst bedienen müssen. Das sei sehr, sehr anstrengend. Man könne sich gegen Bezahlung auch eine Hilfe hinzu buchen, aber in einem Tag sei das kaum zu schaffen.

Wir vertrauen auf Johns Ortskenntnisse und lassen uns die schnellste Route empfehlen. Diese führt uns über Oban zur Insel Gigha. Der nächste Step geht dann bis Bangor vor Belfast. Von dort über die Isle of man nach Liverpool. Die Strecke ist in 5 Tagen zu schaffen und die Winde hierfür sind günstig.

Wir freuen uns über diese tollen Tipps und wir genießen den Grillabend bei sommerlichem Wetter. Die beste Zeit loszufahren sei die Flut. Und die kommt um 3:00 Uhr. Die nimmt auf unseren Biorhytmus keine Rücksicht. Wir stimmen uns ab, dass wir um 3:00 Uhr aufstehen werden.

Am nächsten morgen verlassen wir gemeinsam um 3:45 Uhr diesen praktischen Liegeplatz.

9.6.: von Corpach nach Oban

Um 3:45 Uhr lösen wir das Päckchen auf und legen zeitgleich mit John ab. John will in Richtung Hebriden weiter in den Norden segeln.

Noch halbwegs in der Nacht aber schon hell legen wir ab.

Es ist hier um diese Jahreszeit bereits hell. Der Wind erwacht langsam und wir können die Segel setzen.

Die Strömung ist mit uns und es geht schnell voran. Johns Empfehlung, früh abzulegen war richtig.

Wunderschöne Landschaften ziehen an uns vorbei.

Den richtigen Zeitpunkt zu finden, ist eine schwierige Angelegenheit. Nur 5 Stunden Schlaf reichen über einen längeren Zeitraum nicht aus. Während der Fahrt können wir wechselnd dösen, aber irgendwann fordert der Körper Ruhephasen ein. Bei längeren Törns kippt die Strömung im Verlauf, aber wo hält man ihr am sinnvollsten entgegen?

In Oban entscheiden wir uns, in der Marina anzulegen. Wir müssen mal wieder waschen und brauchen dazu eine vernünftige Infrastruktur. Der Hafen liegt auf der anderen Seite der Bucht.

Eine kleine Fähre legt direkt in der Marina ab und fährt stündlich nach Oban.

Oban hat eine entwickelte touristische Infrastruktur. Das hat den Vorteil, dass das Angebot an Restaurants differenzierter ist. Endlich finde ich auch mal Meeresfrüchte auf der Speisekarte.

In Oban brummt der Tourismus. Der Ort scheint das gut auszuhalten.

Hier bekomme ich endlich meinen Whiskey in einer Destille vor Ort, den ich nach Stexwig segeln will. Am liebsten würde ich ein kleines Holzfass kaufen.  Ich versuchs mal mit dem englischen Wort „Barrel“. Da werden die Verkäufer ganz aufgeregt und schwirren auseinander. Schnell stellt sich raus, dass es keine kleinen Holzfässchen im Verkauf gibt. Das Ausstellungsfässchen ist nur zur Dekoration hergestellt worden. Aus dem großen Geschäft wird dann nichts und es müssen kleine Flaschen herhalten. Die lassen sich auch besser finanzieren.

Auch Traditionssegler finden Platz im Hafen von Oban.

Am späten Nachmittag nehme ich die Fähre zurück zur Marina.

10.6.: von Orban zur Insel Gigha

Bei der Planung eines sinnvollen Abreisetermins nehme ich den Reeds Almanach zur Hilfe. Ohne dieses knapp 1000 seitige jährlich neu aufgelegte Werk kann ich mir solch eine Reise gar nicht mehr vorstellen. Die wichtigsten Informationen, die wir benötigen sind

  • Kommunikationsinfos zu Häfen, Schleusen und Portcontrol Organisationen, z.b. auf welchen Funkkanälen jeweils gesendet wird
  • Daten zu Hochwasser und Niedrigwasser für jeden Ort
  • Strömungskarten für jede Region

Für die Abfahrt ist es wichtig zu wissen, wann Hochwasser ist und welche Strömungen wann und wie laufen.

Es sieht aus, als können wir ausschlafen, weil den besten Strömungseffekt für die Reise haben wir 5 Stunden nach Hochwasser. Für Oban gibt es eine eigene Hochwassertabelle, die ich als Referenz benutze. Später wird sich rausstellen, dass das mal wieder ein Fehler war, da die Strömungstabellen sich auf die Hochwasserstände von Dower beziehen (natürlich nochmal die Stunde für die Sommerzeit hinzurechnen).

Jedenfalls fahren wir ausgeschlafen los und müssen heute ca. 50 Seemeilen zurücklegen, um bis Gigha zu kommen.

Auf dem Weg nach Gigha.

Es ist herrliches Segelwetter und wir rauschen zunächst mit 6-7 Knoten durch das Meer.

Doch dann kippt die Strömung. Mein Rechenfehler kommt zur Wirkung. Die Fahrt wird zwischen den Inseln Luing und Luna immer langsamer. Das Meer hingegen zeigt eine geriffelte Oberfläche, da es jetzt von mehreren Seiten strömt.

Kurz nach dem Kippen des Stroms bekommt das Meer eine schuppenähnliche Oberfläche.

Wir müssen jetzt den Motor dazuschalten, um unser Tagesziel erreichen zu können. Wir laufen jetzt bei günstigen Winden zwischen 4 und 5 Knoten unter vollem Segel und unter Motor mit allem, was uns an Kraft zur Verfügung steht.

Das Navigationsdisplay scheint verrückt zu spielen. Mal zeigt es eine Geschwindigkeit von 0 über Grund (gemessen über Satelit) an, mal fährt unser Boot zur Seite oder das Bootssymbol auf dem Display dreht sich.

Wer hat den Whirlpool Quirl angeschaltet?

Wir müssen den Motor auf höherer Drehzahl laufen lassen, um unsere Richtung halten zu können.

Es dauert fast eine Stunde, bevor wir aus dieser Mehrenge zwischen den beiden Inseln raus sind.

Auf der Karte befinden sich Hinweise auf starke Strömungen.

Irgendwann kommt der Quirl zum Erliegen und wir können wieder Fahrt aufnehmen. Es geht flott voran und wir erreichen unser geplantes Tagesziel, die Insel Gigha.

Wir finden die in den Karten beschriebene Bucht und müssen uns nur noch eine freie Mooringboje befestigen.

Sehr praktisch und erspart die gesamte Hafenprozedur.

Morgen geht es dann weiter in Richtung Nord Irland.

11.6.: von der Insel Gigha nach Bangor vor Belfast

Wir haben heute eine Etappe von ca. 60 Seemeilen vor uns. Die Wetterprognosen sehen in einigen Tagen einen kräftigen Sturm voraus, bei dem wir auf jeden Fall in einem sicheren Hafen übernachten wollen.

Jetzt steht der Wind noch günstig. Die irische See wird jetzt etwas unruhiger, da wir mehr in der offenen See unterwegs sind. Aber es gibt keine besonders hohen Wellen.

Immernoch haben wir trockenes Wetter. Die Kälte ist weniger bissig als auf der Ostseite.

Auf der irischen Seite kommt der Wind fast von hinten. Für eine Passatsegelstellung ist die Welle dann doch im Verhältnis zum Wind etwas zu hoch. Wir halsen uns mit Rückenwind an der Küste entlang.

Bangor war die Empfehlung von John. Das erspart uns die längere Zufahrt nach Belfast.

Ein Riesenrad gehört scheinbar in jeden englischen oder nordirischen Hafen.

In Bangor ist man auf Durchreisende eingestellt. Der Hafen ist 24 Stunden am Tag besetzt. Auch am frühsten morgen können wir noch tanken. Auf Plakaten wird selbst ein 24 Stunden Motorservice angeboten. Das nenne ich kundenorientiert.

Wir finden noch einen kleinen Supermarkt, der erst um 22:00 Uhr schließt. In einem Schnellimbiss lassen wir uns zu viel schlechtes Essen andrehen. Die Hälfte davon wandert am nächsten morgen in den Müll.

Die Mägen etwas zu prall gefüllt, planen wir die nächsten Tage. Morgen, am Dienstag soll das Wetter und der Wind noch gut sein. Eigentlich wollen wir nur bis zur Isle of man fahren und von dort am Folgetag in Richtung Liverpool weiter segeln. Leider ist für den Folgetag eine Flaute angesagt.

Wir möchten nicht am Mittwoch vor dem angekündigten Sturm auf offener See stehen bleiben und entscheiden uns, die Tour bis Liverpool an einem Stück abzusegeln. Das sind ca. 120 Seemeilen, in 2 Tagen locker zu schaffen.

Jetzt noch etwas schlafen – und dann in Liverpool ist dann eine längere Pause in Aussicht.

12. – 13.6.: von Bangor nach Liverpool

Vor der Abreise füllen wir noch unseren Dieselbestand auf. Wir haben jetzt 120 Seemeilen vor uns. In 2 Tagen sollte das locker zu schaffen sein.

Im Salon wird wieder die Ruhezone eingerichtet. Die Route ist grob abgesteckt und wir laufen kurz nach Hochwasser am Morgen aus.

Wir können die Isle of man bereits sehen, als das Wasser wieder quirlig wird. Bald 2 Stunden laufen wir unter Motor im Whirlpool gegen die Strömung. Immer wieder reißt die Strömung das Schiff aus dem Kurs. Die Selbststeuerungsanlage kommt mit dieser Dynamik nicht klar und wir müssen per Hand steuern.

Es quirlt so schön – beschäftigt uns aber mehr als uns lieb ist.

Lange sehen wir den Fuß der schottischen Halbinsel The Rhins.
Nach 2 Stunden ist der Spuk vorbei und wir setzen unseren Kurs in Richtung Liverpool fort.

Für die Nacht verkleinern wir beide Segelflächen, damit wir bei zunehmendem Wind nicht in Stress geraten.

Komplett dunkel wird es um diese Jahreszeit hier nicht.

Es bleibt eine ruhige und wunderschöne Nachtfahrt.

Es wird nicht ganz dunkel. Irgendwo am Himmel sind immer noch hellere Flecken zu erkennen. Wir sind noch weit im Norden und bald ist Mitsommernacht. Die Nächte sind jetzt kurz.
Wir lösen uns im 3 Stunden Rhytmus ab, damit wir auch den Folgetag noch fit sind.

Am morgen vergrößern wir die Segelfläche wieder und kommen richtig in Fahrt. Inzwischen haben wir in Erfahrung gebracht, dass die Schleuse des Stadthafens 2 1/4 Stunden vor und nach Hochwasser in Betrieb sein soll.

Gerne würden wir die Schleusung des morgentlichen Hochwassers erreichen. Theoretisch ist das noch möglich.

Die englische Küste ist zugebaut mit Hummerkörben, Offshore Windparks,  Gasförderanlagen und Ölplattformen. Man kann sich schon fast freuen, dass in dieser wachsenden Industrielandschaft es noch Flächen gibt, auf denen Segelschiffe fahren dürfen.

Nur wie sind diese Flächen begrenzt? Das ist im Morgengrauen nicht immer klar ersichtlich. Grenzt diese Boje einen Windpark ab? Oder sind das zwei Parks und in der Mitte dürfen wir durchfahren?

Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass man durch einen fertig gestellten Windpark durchfahren darf. Der Abstand der Rotorblätter vom Meerespiegel ist so hoch definiert, dass die Rotoren unsere Segel nicht aufschlitzen können. Nur die Durchfahrt vom im Bau befindlichen Windparks ist nicht gestattet.

Zur Sicherheit fahren wir außen drum herum.  Das kostet uns einige Zeit.

Wir fühlen uns Liverpool schon sehr nah –  aber vor der Mündung des Flusses Mersey laufen wir auf eine Windparkanlage zu. Eigentlich wollen wir uns nahe am Niedrigwasser an der Anlage vorbei schleichen – nur die gelben Markierungstonnen halten uns davon ab. Entnervt wenden wir und haben bald das Gefühl, dass der Eingang nach Liverpool durch Windräder zugestellt ist.

Wir funken die Schiffsverkehrsleitzentrale an und versuchen, uns per Funk verständlich zu machen. Hierzu müssen wir mehrfach nachfragen, da ich das Englisch, was hier scheinbar ohne Sprachmelodie runtergerattert wird, manchmal auch beim zweiten mal nicht verstanden habe.

Aber die Funkzentrale kriegt unsere Unsicherheit mit und schickt schon mal ein Lotsenboot. Wir teilen auf Nachfrage der Zentrale  mit, dass wir kein Radar aber ein AIS System haben.

Plötzlich tauchen auf dem AIS Layer Schiffe auf, die ich draußen nicht finden kann, bei der Detaildarstellung erscheint eine Schiffsbezeichnung, die auf ein Lotsenfahrzeug hindeutet. Mit grünen Schiffen wird uns so gezeigt, wo wo wir hinfahren und warten sollen, mit roten Schiffen, welche Zone wir jetzt meiden sollen. Es kommen nämlich gerade – weil wohl Hochwasser ist – eine Reihe von großen Pötten aus Liverpool den Mersey River herraus gefahren. Gerne warten wir darauf, dass diese vorbeiziehen, um dann das Fahrwasser zu kreuzen.

Ich erinnere mich an die scheinbare Verfolgungsfahrt eines Lotsenbootes auf der Nordsee. Die wollten uns nur damals den gewünschten Weg aus der Wartezone der Lotsen und Schlepper zeigen! Die sind gar nicht gefahren, sondern haben uns mit ihren AIS Display Manipulationen den richtigen Weg zeigen wollen.

Nachdem wir das Fahrwasser gekreuzt haben, nehmen wir Kontakt mit dem kommunalen Hafen auf. Uns bleiben ca. 2 Stunden, die letzte Schleusung dieses Hochwassers zu erreichen.  Das müsste machbar sein, denken wir.

Das Wasser läuft inzwischen ab. Wir schaffen nur noch eine Geschwindigkeit von 2 Knoten die Stunde. Das wars dann mit dem frühen Einchecken. Wir informieren den Hafenmeister und der teilt uns mit, dass der nächste Schleusengang um 21:33 Uhr stattfindet. Der Schleusenwärter hätte den Funkkanal 37.

Im river Mersey – warten auf die Schleuse.

Also nochmal den ganzen Tag konzentriert bleiben – aber wo sollen wir denn bleiben? Wir fahren den Mersey rauf und runter. Zur Vorbereitung wollen wir schon mal den Funkkanal des Schleusenwärters einstellen – nur der Kanal 37 exisitiert bei meinen Funkeinstellungen nicht.

Warten auf dem Mersey.

Aus dem Handbuch entnehme ich eine Liste der international als CE Norm abgestimmten Funkkanäle für die maritime Schifffahrt. Der Kanal 37 ist nicht dabei. Leicht genervt rufe ich beim Hafenmeister an und teile ihm mit, dass wir keinen Kanal 37 haben. Ok, wir sollen dann um 21:30  Uhr vor der Schleuse warten, bis der Schleusenwärter grünes Licht gibt.

Ist das schon der Brexit? Unser Funkgerät nutzt internationale Funkkanäle der Nautik. Die Frequenz des Schleusenwärters ist nicht dabei.

Aber was machen wir bis dahin? Wir funken nochmal die Verkehrsleitzentrale an. 2 Seemeilen flussabwärts gibt es eine Ankermöglichkeit. Die nutzen wir dann auch, kochen uns ein wunderbares Reisgericht mit Tomaten und Thunfisch.

Um 20:15 Uhr machen wir uns auf den Weg, d.h. erst einmal müssen wir den Anker lichten. Inzwischen hat der Wind deutlich zugelegt – die ersten Vorzeichen des aufziehenden Sturmes.

Der Mersey am Tag des Sturms.

Der Anker ist zum Glück schnell eingeholt.

Inzwischen regnet es. Na gut, nach 5 Wochen ohne Regentag kann das schon mal vorkommen.

Pünktlich um 21:33 Uhr öffnet die Schleuse. 10 Minuten später sind wir in der Marina und haben unseren Platz gefunden.

In Liverpool werden wir einige Tage verbleiben.

13.6. – 19.6.: Pause in Liverpool

Wir haben im Hafen gleich für eine Woche uns eingemietet. Zeit zum Entspannen, zum Sightseeing und zu einem Abstecher nach Hamburg zu Christianes Geburtstag.

Bei Liverpool denkt man zuerst an die Beatles. Zurecht. Sie haben schließlich mehrere Generationen in ihrem Musikgeschmack geprägt und sind das Symbol des kulturellen Umbruchs in den 60ger Jahren.

In Liverpool begegnet dem Besucher ein entwickelter Beatles Tourismus: Sightseeing Touren zu den Geburtsstätten der Beatles inkl. Strawberry Fields, Besichtigung des Cavern Club, eine Ausstellung zur Beatles story, eine Beatles Magical Mysteriy Tour mit Übersetzung der Tour in Deutsch, Französich, Italienisch, Spanisch und natürlich Chinesisch.

Und die Vermarktung läuft erfolgreich und weltweit. Da hätte sich die Tourismus Organisation in Hamburg bei Ihren gescheiterten Versuchen, von dieser Welle noch etwas abzubekommen, eine Scheibe abschneiden müssen. Schließlich sind die Beatles erstmalig in Hamburg unter dem Namen „The Beatles“ aufgetreten.

Liverpool und ganz England steht zu diesem kulturellen Erbe. Schüler kommen klassenweise in Bussen, ein Liverpool Besuch scheint auf dem Lehrplan zu stehen.

Eine hervorragende Ausstellung „Double Fantasy“ im National Museum of Liverpool zum Zusammenleben von John Lennon und Yoko Ono begeistert mich. Es werden sehr private Fotos, Gegenstände, viele Geschichten in Videobeiträgen und -performances gezeigt und die historischen Figuren Yoko Ono und John Lennon werden im politischen Kontext der damaligen Zeit dargestellt. Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, für die Gleichberechtigung, für Rechte der ausgegrenzten schwarzen Bevölkerung: auf vielen sozialpolitischen Themen haben sich John Lenon und Yoko Ono positioniert. Imagine Peace. Solche Leitfiguren könnte die Gegenwart gut vertragen.

Das stürmische aber wieder trockene Wetter läd zu einer Stadterkundung ein.

Neben dem Liverpool Mueseum interssiert mich das international Slavery Museum.

Hier setzt sich ein Museum ehrlich mit der dunklen Seite des transatlantischen Sklavenhandels auseinander, der Liverpool einen großen Teil seines Reichtums zu verdanken hat. Ende des 18. Jahrhunderts galt der Sklavenmarkt in Liverpool als der größte Sklavenmarkt weltweit.

Anhand von konkreten Figuren wird die Geschichte der Skalverei erzählt. Die Ausstellung zeigt auch in Vernetzung zur schwarzen Community in Liverpool, wie noch heute Mitglieder dieser Community im Alltag um ihre Rechte kämpfen müssen.

Yellow Submarine? Diese Ferienwohnung liegt in der Marina  von Liverpool.

Kunst wirbt im Alltag für einen oft kostenlosen Museumsbesuch.

Liverpool verfügt über zahlreiche architektonisch herausragende Gebäude.

Die Liverpool Marina und das Royal Albert Dock für größere und historische Boote liegen im Stadtzentrum aber oberhalb des Wasserstandes des Mersey Rivers. Der Zugang ist nur ca. 1 Stunde um die Flut herum durch jeweils eine Schleuse möglich. Hat man diese Hürde überwunden, wird das Seglerherz durch einen innerstädtischen Hafen belohnt, von dessen Position aus Liverpool sehr gut zu erkunden ist.

Boote im Royal Albert Dock.

Eine Wasserskianlage im Herzen von Liverpool. Die Größe der Hafenbecken gibt davon Zeugnis, dass Liverpool in vergangenen Zeiten wichtiger für die englische Seefahrt war.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Liverpool 40% des Welthandels abgewickelt.Seit den 50ger Jahren des 20. Jahrhunderts nahm die Bedeutung Liverpools als Hafen- und Industriestadt kontinuierlich ab.

Bei Spaziergängen durch die Stadt wird einiges dieser Geschichte sichtbar. Imposante Gebäude zeugen vom Reichtum, der in Liverpool angehäuft wurde. Von den engen Hafenvierteln und dunklen Gassen ist kaum etwas übrig geblieben. Die Sanierung des Hafenviertels hat u.a. große Docks unter einem Einkaufsviertel begraben.

20.6. – 21.6.: von Liverpool nach Liverpool

Ausgeruht geht es um 6:45 Uhr durch die Schleuse aus dem Brunswick Dock.

Mit meiner Tochter Melea hatte ich vereinbart, dass ich in Richtung Bangor segele.  Dorthin fährt auch ein Bus, der direkt vor ihrer Haustür hält.

Dieses Bangor ist nicht der Durchgangshafen vor Belfast, sondern ein kleiner Hafen am nördlichen Eingang zur Menai Strait, eine Wasserstraße, die die Insel Anglesey vom Festland trennt.

Das ist heute meine erste Fahrt als Einhandsegler auf diesem Törn!

Es ist alles gut vorbereitet, Proviant liegt als geschmierte Brote und etwas Obst bereits im Cockpit und natürlich auch der langweilige Sprudel. So muss ich während der Fahrt möglichst selten nach unten gehen. Die Selbststeuerungsanlage, das Funkgerät, das AIS System und das Kartentablet sind angeschaltet.

Bloß der Wind ließ sich nicht konfigurieren. Der legt schon mal noch im Mersey ordentlich zu. Aber ich habe ja die Strömung auf meiner Seite.

So strömt das ablaufende Wasser  gen Meer. Allerdings kommt der Wind jetzt noch direkt von vorne.  Später sollte ich den Wind von der Seite kriegen, dann kann ich auch ohne Motor gute Fahrt machen.

Aber der Wind bläst stärker als erwartet. Wind und Strömung arbeiten gegeneinander. Die letzten Tage hat es stark geblasen und die Wellen hatten genügend Vorlauf, sich ordentlich aufzubauen. Die Bucht von Liverpool ist sehr flach, was dazu führt, dass die Wellen entsprechend steiler werden.

Die Selbststeuerungsanlage kann ich kurz nach Inbetriebnahme gleich wieder abschalten. Sie kann das Schiff nicht auf Kurs halten. Es ist Handarbeit angesagt. Dabei muss ich darauf achten, am rechten Fahrbahnrand zu bleiben, damit ich erstens außerhalb der Fahrrinne nicht auf Sand laufe und zweitens die noch auslaufenden großen Pötte mir nicht zu nahe kommen.

Die steilen Wellen laufen jetzt in kürzerer Frequenz. Dazwischen mischen sich immer häufiger große Brecher, die mir ordentlich Respekt einjagen. Das ist auf dieser Reise der höchsten Seegang, den ich bis jetzt hatte.

Irgendwann kommt von Steuerbord eine große Welle, die ins Boot platscht. Gut, man wird etwas nass, aber das Boot hat ja eine selbstlenzende Plicht, d.h. ins Cockpit eingedrungenes Wasser fließt selbständig durch zwei Rohre wieder ab.

Mir ist das aber zuviel. Erstens bin ich noch hundemüde, zweitens heute alleine unterwegs und drittens ist der Mersey heute ohne mercy, einfach gnadenlos.  Merci Mersey, ein andermal wird es schon klappen.

Der River Mersey hat heute keine Gnade für Einhandsegler.

Umkehren ist angesagt. Und das nach drei Stunden harter Schipperei. Zunächst einmal will die Fahrbahn durchquert werden. Flussaufwärts muss ich jetzt bei den grünen Tonnen am Rande fahren.

Ich bin bei Hochwasser losgefahren, habe bis zum Umkehrentschluss ungefähr drei Stunden Diesel in die Luft geblasen, brauche also zurück nochmal drei Stunden – ja was ist dann? Niedrigwasser. D.h. ich kann nicht in den Hafen. Die Schleuse öffnet erst wieder am späten Nachmittag. Ich darf mir bis dahin noch die Zeit auf dem Mersey vertreiben.

Alleine den Anker hochziehen möchte ich nicht. Zu zweit kann wenigstens einer das Boot unter Motor zum Anker bewegen, während der andere den Anker hochzieht. Die Selbststeuerungsanlage ist für diese Tätigkeiten nicht zu gebrauchen.

Bei der mir von der Erstanreise nach Liverpool bekannten Wartezone gibt es einige Mooringe, an denen ich versuchen werde, das Schiff festzumachen. Bei dieser Strömung und dem starken Wind ist das keine einfache Aufgabe.

Der Mooring- und Ankerplatz am Eingang zu Liverpool.

Ich schleiche mich an einen Mooringplatz ran, stell den Leerlauf ein und laufe nach vorne, um mit dem Bootshaken die Schwimmboje reinzuangeln, an der das Festmacherseil des Moorings befestigt ist.

Bis ich vorne bin, hat das Schiff soviel Schwung verloren, dass es bereits wieder mit der Strömung zieht.

Ich modifiziere meinen Plan und lasse diesmal beim Anschleichen an den Mooring (oder das Mooring?) den Gang eingeschaltet.  Ich komme der Handboje bereits näher und beim dritten mal klappt es endlich. Ich ziehe die Handboje an Bord, um das daran hängende Festmacherseil zu erreichen. Ich muss alle Kraft aufbringen, um die Handboje nicht zu verlieren. Soll ich dieses dünne Seil einfach zum Festmachen verwenden?  Das bringt mir erstmal Zeit, meine Strategie zu überdenken.

Eine Inspektion der Verbindung der Handboje mit dem Seil, dass die Handboje mit der Mooring verbindet, macht mir Angst. Das kann nicht mehr lange halten. Lieber werfe ich die Handboje wieder ins Wasser und suche nach einer anderen Lösung.

Dieses Mal suche ich einen anderen Mooring aus. Und tatsächlich gelingt es mir jetzt, direkt den Mooring zu ergreifen und ein Festmacherseil vom Schiff durch die dafür vorgesehene Lasche zu ziehen.

Jetzt kann ich bis zum Öffnen der Schleuse mich ein wenig erholen.

Den Hafenmeister habe ich bereits per Funk über meine Rückkehr informiert. Die Nutzung der Schleuse ist inzwischen Routine.

Um 17:30 Uhr liege ich wieder gut vertaut in der Marina von Liverpool.

22.6. – 23.6.: von Liverpool nach Conwy

Am Freitag kommt meine Tochter Melea nach Liverpool. Unser Ziel ist es jetzt, gemeinsam bis Aberystmyth zu reisen. Die erste Etappe soll uns bis Conwy führen. Ich hole Melea bei der Central Station ab.

Beim Weg dorthin entdecke ich ein trauriges Mahnmal, eine von den Deutschen im 2. Weltkrieg ausgebombte Kirche.

Die Kirche ohne Dach wurde als Mahnmal so belassen, wie sie nach dem Bombenangriff der Deutschen stehen geblieben ist.

Beim Festmachen im Hafen am Abend zuvor hat mir ein älterer Herr geholfen. Wir haben uns dann nach den Hafenformalitäten zum Plausch verabredet.

Er segelt seit Jahren zusammen mit einem noch älteren Herren, den er auf einem seiner Navigationsseminare kennen gelernt hat.

Er erklärt mir, wie wir zu welchem Zeitpunkt mehr in Landnähe nach Conwy segeln können. Damit werden wir ca. 10 Seemeilen einsparen und früher außerhalb der Fahrrinne unabhängig von den großen Pötten navigieren können.

An der roten Boje Brasil sollen wir uns portside (Backbord, links, da wo früher die Schiffe entladen wurden, rechts war das Steuer, „Steuerbord“) halten, dann einen Kurs nach Westen einschlagen, bis wir hinter uns eine Kirche zwischen 2 großen Wohngebäuden sehen. Jetzt müssten wir den Kurs so halten, dass die Kirche sich immer zwischen den beiden Gebäuden zeigt.

Eine pragmatische Anweisung, an die wir uns am nächsten Tag halten werden. Den Kurs trage ich parallel hierzu auf der Navigationssoftware ein.

Der Segler erläutert mir außerdem, dass man durch Windenergieanlagen durchaus hindurch segeln darf, sofern sie fertig gestellt sind. Diese Information war für uns sehr wichtig, da zwischen Liverpool und Conwy mehrere Windparks installiert sind.

Wir zahlen beim Hafenmeister unsere letzten Nächte und er verspricht uns, uns zu 6.00 Uhr beim Schleusenwärter anzumelden.

Abschied nehmen von Liverpool am Abend vor unserem 2. Versuch, Liverpool zu verlassen.

Leider kann ich den Schleusenwärter per Funk nicht ansprechen, da er auf Kanal 37 funkt. „For use in uk waters only“, sagt der Reeds Almanach dazu. Ok, ich hätte bei Bundesnetzagentur einen Antrag stellen können, den international nicht abgestimmten Kanal 37 nutzen zu dürfen, um meine England Tour durchzuführen. Mit der erteilten Genehmigung hätte dann ein autorisierter Fachhändler kosfenpflichtig dann den Kanal 37 auf meinem Funkgerät einrichten können. Komplizierter geht es immer.

Wir stehen am Morgen um 4:30 Uhr auf und sind pünktlich um 6:00 Uhr an der Schleuse. Die Schleuse hat eine Ampel und diese steht auf rot. Nach einer viertel Stunde des Wartensvhole ich schon mal das Nebelhorn raus und tröte laut vernehmlich in Richtung Schleusenwärterhäuschen. Da müssen die Anwohner jetzt durch.

Inzwischen hat sich ein privates Rettungsboot zu uns gesellt. Das will auch raus. Und der hat den Kanal 37, nur da nimmt niemand den Funkspruch an.

Im Laufe der Zeit sammeln sich 6 Boote, die alle raus wollen.

Wir müssen bis 8.00 Uhr Ortszeit warten, bis der Schleusenwärter endlich erscheint.

Endlich können wir in den Mersey Fluss zur Weiterfahrt nach Conwy auslaufen.

Mit 2 Stunden Verspätung laufen wir im ablaufenden Wasser raus zur Boje Brasil. Ich hoffe, dass der Wasserstand nach der Boje Brasil noch ausreichend ist. Schließlich sollten wir hier bei Hochwasser durchfahren.

Mit der Navigationshilfe der beiden Segler aus dem Hafen können wir gut Kurs halten. Eine Windparkanlage müssen wir kreuzen, aber wir müssen nicht durch ein Verkehrstrennungsgebiet, was uns die Tour erleichtert.

Wir melden uns telefonisch beim Hafenmeister in Conwy an und bekommen vorab einen Liegeplatz zugewiesen.

Gegen 19.00 Uhr erreichen wir Conwy. Wir können noch einen Spaziergang in die Altstadt machen und dort beim Italiener einkehren, der mit einem Superteam ein gutes Essen liefert.

Die Marina von Conwy.

Wir entscheiden uns, den Folgetag auch hier zu bleiben und den Ort und die Umgebung noch zu genießen.

Palmen hatte ich in Wales nicht erwartet. 

Wir wollen uns auf die Weiterreise optimal vorbereiten, aber auch einen schönen Spaziergang im angrenzenden Naturschutzgebiet Snodonia unternehmen.

Blühende Heide an den meernahen Bergen.

Für die Weiterreise gibt es zwei Optionen: um Anglesie herum segeln oder durch die Menai Straits und durch die Swellies durchfahren.

Die Fahrt außen rum dauert einen Tag länger und ist vermutlich schaukliger als die Fahrt durch den Kanal. Meine Tochter Melea mag das SChaukeln gar nicht.

Bei der Fahrt durch den Kanal gilt es allerdings die Swellies zu meistern.

Wir entscheiden uns für die Fahrt durch die Menai Straits. Zur Vorbereitung laufe ich mir das hierzu empfohlene Standardbuch „Cruising Anglessey and adjoining waters“ von Ralph Morris. Hier sind die Swellies sehr anschaulich erklärt und die Passage ist detailliert beschrieben.

Im Wesentlichen kommt es auf das richtige Timing an.

Die Swellies sind eine 2 Kilometer lange Teilstrecke der Menai Straits, an der sich die außen um Anglesey laufende Flutwelle mit der einlaufenden Flutwelle durch den kürzeren Kanal begegnet. Dann wandelt sich der Kanal in brodelndes Wasser mit starken Strömungen.

Beim richtigen Timing erwischt man das Slackwater, also das Stauwasser, was zwischen Ebbe und Flut die Strömung sozusagen zum Erliegen bringt. Zu diesem Zeitpunkt kann man also ruhig durch die Swellies fahren.

Mit diesem frisch angeeignetem Wissen bereite ich den morgigen Tag vor.

Die Wassersperre in Convy öffnet um um 5:44 Uhr, das Hochwasser in Liverpool ist um 9:14 Uhr, und 2 Stunden vorher (so sagt das schlaue Buch) ist Highwaterslack an der Menai Bridge, dem Beginn der Swellies, also um 7:14 Uhr. Der Hafenmeister bestätigt mir nochmal das Timing.

Am Abend gebe ich den Kurs (wiedrum nur bei Hochwasser fahrbar) zwischen Conwy und der Menai Bridge in das Navigationssystem ein. Dann geht es ab in die Koje.

24.6.: von Conwy nach Porth-Dinllaen

Pünktlich um 5:45 Uhr sind wir bereit, den Hafen von Convy zu verlassen. Das Hafentor hat bereits automatisch geöffnet.

Sonnenaufgang zwischen Convy und Bangor.

Wir nehmen Kurs auf die Menai Bridge und nutzen die kürzere Verbindung über den Pennmaen Swatch, eine Verbindung, die bei Hochwasser durch kleinere Schiffe befahrbar ist.

Früh am Morgen auf der Fahrt in Richtung Menai Bridge.

Für 9:11 Uhr hatte ich mir im Logbuch notiert: Hochwasser in Conwy.

Soviele Zahlen und Uhrzeiten. Wir kommen auch vor 9:11 Uhr vor der Menai Bridge an. Merkwürdig ist allerdings, dass keiner mit uns zeitgleich die Durchfahrt antreten will.

Bei der Einfahrt in die Menai strait.

Ich schaue nochmal ins Logbuch: Highwaterslack Menaibridge 7:14 Uhr! Ich habe mich an der falschen Zeit orientiert. Wir haben den optimalen Zeitpunkt der Durchfahrt durch die Swellies verpasst! Wir hätten 2 Stunden früher hier sein müssen, und das hätten wir gar nicht erreichen können, da die Strecke zwischen Convy und Menai Bridge mindestens 10 Seemeilen beträgt und unser Schiff auf Touren durchschnittlich 4-5 Seemeilen pro Stunde zurück legt.

Trotz intensiver Vorbereitung hat mir hier die Psyche einen Strich durch die Rechnerei gemacht. Ich bin schockiert. Bei den vielen Daten hat sie sich einfach das passendste Datum herausgesucht. Wird schon passen. Passt aber nicht.

Timing ist das Wichtigste bei der Passage durch die Swellies. Also brechen wir ab. Aber was tun? Außen um Anglesey herum fahren? Warten auf die Flut am Abend?

Wir entscheiden uns für das Warten, was letztendlich schneller geht, als einmal um die Insel herum zu fahren.

Bloß wo sollen wir warten? Wenn wir schon 10 Stunden warten müssen, dann bitte in einem Hafen, damit am Tag wenigstens an Land was Neues entdecken können.

Bangor bietet sich an und ist nur wenige Meilen vor der Menaibridge.

Wir laufen dort bei Flut ein und stoppen an der Hafenkaimauer. Heute ist Sonntag, und in diesem kleinen Fischereihafen ist jetzt kein Hafenmeister zu erreichen.

Ich treffe einige Hobbyisten, die an ihren Booten rumschrauben und der Dritte gibt mir den Tipp, wo wir uns mit dem Boot hinlegen können. Der Hafen fällt bei Flut trocken und jetzt liegen wir an der Seite der großen Fischereiboote. Eventuell ist hier der Untergrund nicht nur schlammig sondern auch steinig und fest, was unserem Boot nicht gut tun könnte. Wir sollen die Hafenseite wechseln und in einer Lücke 2 Bootslängen vor seinem Boot festmachen. Diese Lücke wir ansonsten benutzt, um Boote per Kran ins Wasser zu bringen und das wird heute am Sonntag nicht stattfinden.

Unser Liegeplatz in Bangor im Hafen.

Wir sind froh, als das Schiff vertaut ist und verabreden uns, uns später in der Stadt zu treffen. Ich warte noch, bis sich das Schiff einigermaßen gesetzt hat. Gelegentlich muss Tau nachgelassen werden, damit das Schiff nicht irgendwann an der Kaimauer hängt. Würde es natürlich nicht, aber die Befestigungspunkt für die Festmacherleinen würden wahrscheinlich rausreissen.

Zwischenzeitlich spreche ich mit unserem nahen Segelnachbarn, der uns den Tipp zur richtigen Position gegeben hat.

Die Swellies wären gar kein großes Problem. Er fährt da auch bei Flut durch. 4 Knoten Strömung zuzüglich 6 Knoten seines Motors, das würde da richtig duchrauschen. Mag sein, aber wir als Novizen werden mal brav auf das Slackwater warten.

Am frühen Nachmittag sitzen wir zum Essen in einer Kneipe. Ich bestelle ein Sunday Roast, Fleisch mit Soße, Gemüse, Kartoffelbrei und weiteren kohlenhydrathaltigen für mich nicht identifizierbaren Zutaten. Es läuft gerade das WM Fußballspiel England gegen Panama. England verwandelt gerade krachend einen Elfmeter. Ich wähle England zu meinem Favoriten für diese WM.

Der Sunday Roast ist ein tippisches brittisches Sonntagsessen, vergleichbar mit unserem Sonntagsbraten. Quantität und Qualität verhalten sich umgekehrt proportional. Das genaue Gegenstück zur nouvelle cuisine.

Warten auf das Wasser.

Wir unternehmen noch einen Stadtspaziergang und verabreden uns, uns später am Boot zu treffen.

Als ich am Boot ankomme, steht dieses angelehnt zur Hafenmauer im Schlamm.

Zero steckt im Schlamm. Soweit ok, aber hält das Ruderblatt?

Das Ruderblatt steckt auch im Schlamm. Hoffentlich bricht es nicht einfach ab. Ich traue mich nicht auf das Schiff. Melea kommt kurze Zeit später. Wir beschließen, noch einen ausführlichen Spaziergang zu machen, bis das Wasser zurück kommt.

Irgendwie fühlen wir uns ausgeschlossen von unserem Boot. Das Katz- und Mausspiel mit dem Wasser geht mir mitunter ziemlich auf die Nerven. Immer ist das Wasser da, wo man es gerade nicht braucht. Es kommt von vorne und verlangsamt die Fahrt. Es ist abwesend und du wartest vor einer Schleuse oder einer Hafeneinfahrt. Du steckst mit dem Boot in einer Hafeneinfahrt fest, sitzt im Schlamm und das Wasser lässt auf sich warten. Ich liebe die Ostsee. Du steigst in dein Boot ein, wenn du ausgeschlafen bist und fährst einfach los! Keinen Wecker auf 4:30 Uhr stellen, einfach irgendwann losfahren und irgendwann ankommen.

Aber hier spielt die Zeit, das Timing eine entscheidende Rolle. Der falsche Zeitpunkt, die falsche Ortsreferenz und du steckst im Schlamm.

Irgendwann kommt auch in Bangor das Wasser zurück.

Um 19.00 Uhr ist es dann soweit: Leinen los und Motor an. Endlich geht es in Richtung Menai Bridge los.

Auf dem Weg zu den Swellies.

Ich bin schon etwas aufgeregt, lese nochmal dis textliche Beschreibung der Durchfahrt und stelle beim Kartentablet die richtige Auflösung ein.

Hinter uns kommt ein weiterer Segler in Richtung Swellies. Gerne lassen wir ihn passieren und sind recht froh, dass dies unser Segelnachbar aus dem Hafen von Bangor ist. Nun kann nichts mehr schief gehen.

Menai Bridge
Die lang erwartete Menai Bridge.

Diesesmal haben wir genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. Wir passieren um 19:45 Uhr die Brücke. Die genaue Passage lässt sich auch am Navigationstablet ablesen.

In der Passage der Swellies.

Im Grunde ist die Passage zum richtigen Zeitpunkt harmlos. Links und rechts gibt es ein paar Untiefen, das zeigt schon das Navigationstablet an.

Aufzeichnungen und Handbücher zu den Swellies.

War der Aufwand für die Vorbereitung jetzt übertrieben? Die wichtigste Message für das eher harmlose Passieren der Swellies ist wohl, das Timing sollte stimmen.

Wir wollen am späten Abend noch zur Bucht von Porth-Dinllaen kommen. Die Bucht ist geschützt, man kann dort ankern und es gibt einige Mooringe. Außerdem eröffnet uns das die Option, am Folgetag  unsere Etappenziel Aberystwyth zu erreichen.

Nach den Swellies ist die Durchfahrt landschaftlich sehr reizvoll.

Am Abend kommt noch etwas Thermik auf, die wir zum Segeln nutzen.

Eine wunderschöne Abendstimmung auf der Fahrt zur Bucht Porth-Dinllaen.

Der Abend ist sommerlich. Was für ein Unterschied zu den kalten Nächten im Nordosten der Insel!

In Porth-Dinllaen finden wir zu unserem Glück kurz nach Mitternacht eine Mooring. So entfällt morgen das Lichten des Ankers.