Segelsommer 2018: Segeln rund um England: Zahlen und Fakten

2462 Seemeilen haben wir auf dieser Tour von Stexwig in der Schlei, einmal rund um England und zurück bis Amsterdam zurück gelegt. Nicht eingerechnet die Rückreise ab Amsterdam, die ich selbst aus familiären Gründen nicht mehr durchführen konnte. Vielen Dank an Ralf und Nicola, dass ihr das Boot sicher von Amsterdam nach Stexwig zurück gebracht habt!

Die Route auf der Karte wurde vom Kartentool Locus Map mitgetrackt. Die mitten in der Nordsee endende Strecke konnte unsere erste Unterbrechung des Direktweges nach England auf der holländischen Insel Terschelling nicht nachverfolgen, da das tablet zeitweise seine Funktion eingestellt hat.

Jedem Segler wurde es in der ersten Tage seiner Reise irgenwann mal schlecht. Jeder 2. Segler hat dabei „die Fische gefüttert“. Ich selbst hatte das nicht von mir erwartet. Ich dachte, ich sei dagegen abgehärtet. Von wegen. Wenn das Schiff vor dem Wind fährt und Wellen von achtern das Schiff unterlaufen, wird es einfach wacklig. Die beste Medizin dagegen: nichts oder nur sehr wenig essen, dann kommt auch weniger wieder raus.

Segeln um England ist ja auch ein bischen geprahlt. Waren wir ein Segelschiff mit Motor oder ein motorisiertes Schiff mit Segel? Jedenfalls hat die Maschine ganz schön oft geknattert, entweder weil der Wind von vorne kam und kreuzen allein uns nicht ausreichend schnell voran gebracht hat. Oder der Wind war eingeschlafen oder gar nicht erst aufgewacht. Der Motorstundenzähler war jedenfalls fleißig und hat auf der Gesamtstrecke bis Stexwig zurück 470,5 Stunden gezählt!

Das Wetter war uns in diesem Jahrhundertsommer gnädig. Auf dieser Reise hatten wir innerhalb von 3 Monaten nur 2-3 Stunden Regen – der Klimawandel lässt grüßen.

Dem Leser wünsche ich viel Spaß und Anregung beim Stöbern durch diesen Blog.

Wer die Welt lieber in mag-ich und mag-ich-nicht einteilt, findet visuelle Anregungen bei meinem Instagram Acount: https://www.instagram.com/RolfMenzinger/

Hier gibt es auch Bilder zur Atlantik Querung, zu Arbeiten am Schiff und zu einer Reise nach Kopenhagen und Schweden.

3. Tag: vom Flemhuder See zur Gieselau Schleuse

Der Flemhuder See öffnet sich vom Nord-Ostsee Kanal. Mit 2 weiteren Seglerbooten fanden wir einen netten Ankerplatz.

Am nächsten Morgen gehts dann weiter auf dem NOK oder international: auf dem Kiel-Canal. Jede Menge große Pötte begleiten uns oder kommen uns entgegen. Schließlich ist der Kiel-Canal die meist befahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Hier verkehren mehr Schiffe als auf dem Panama Kanal.

Reisen auf dem Wasser in 2 unterschiedlichen Formen.

Neben einer gewissen Industrieromantik hat das für mich den Vorteil, dass ich endlich das von mir installierte AIS System (automatisches Identifikationssystem von Schiffen) testen kann. Schließlich wollen wir auch nachts oder bei schlechter Sicht wissen, welche Ungeheuer da auf uns zukommen.

Nach einiger Konfigurationstesterei bekomme ich endlich eine Benachrichtigung vom Plotter, einem Ausgabegerät von Schiffspositionen auf Seekarten! Und siehe da, die Monster werden auch auf der Karte angezeigt!

Der Beweis: Die Schiffs-ID, der Name, die Position, die Geschwindigkeit und die Bewegungsrichtung werden angezeigt.

Die Fahrt durch den Kiel-Canal ist auch industriehistorisch interssant. Immerhin gibt es den Kanal seit über 100 Jahren. Viele Brücken für Bahn und PKW überspannen den Kanal. Teilweise sehen sie aus, wie umgelegte Eiffeltürme.

Die Eisenbahnbrücke bei Rendsburg (auch von Büdelsdorf aus zu sehen; vielen Dank für die Korrektur, Frank)

Natürlich gibt es auch neuere Brücken z.b. aus Stahlbeton. Die halten aber nicht länger als die guten alten heavy metal Brücken.

Wir finden in der Gieselau Schleuse, die den Kiel-Canal mit der Eider verbindet, einen zunächst ruhigen romantischen Übernachtunsplatz direkt vor der Schleuse. Die Schleusenanlage ist ein öffentliches Museum für Amtsschimmel. Selten habe ich so viele Verbots- und Gebotsschilder in Amtssprache gesehen wie an dieser Stelle (Das Betreten der Schleuse ist bla bla bla, Abfall nur während der Öffnungszeiten der Schleuse zu entsorgen …).

Die Klappbrücke vor der Gieselau Schleuse.

Der Spaziergang an der Eider ist traumhaft, naja, das Wetter ist immer noch grandios, seit 3 Tagen hat sich am azurblauen Himmel keine Wolke gezeigt.

Abendstimmung an der Eider.

10. Tag: Wunden lecken, Körper restaurieren und Reparaturarbeiten

Nach den Strapazen der letzten drei Tage benötigen wir dringend Zeit, unsere Körper und unseren Geist  zu restaurieren. Lange Schlafen, Duschen, Rasieren, etwas Faulenzen, hierfür ist Terschelling ein geeigneter Ort.

Der Hafen ist klasse. Ein Preis für alles. 20 Euro für das Schiff. Strom und Duschen selbstverständlich inklusive. „Was kostet die Waschmaschine?“ „Wieso, Sie haben doch schon bezahlt. Ist inklusive.“

2 Waschmaschinen arbeiten für uns. Selbstverständlich ist auch das anti-allergische sensitive Waschmittel inklusive, das automatisch in die Industriemaschinen eingespeist wird.

Natürlich ist auch der Trockner inklusive. Eine sehr nette Hafenmeisterin weist uns in die Hafen Gewohnheiten ein.

Hinter dem Ganzen muss ein Konzept stehen. In den Duschen sind die stillgelegten Einwurfschlitze für die Duschmarken noch sichtbar. Ein sehr angenehmer Kontrast zu den Automatenhafenmeistern in Dänemark, wo jede Kilowattstunde verbrauchter Strom und jede Duschnutzung von einer zuvor aufgeladenen Chipkarte abgebucht werden.

Hier bekommt die Hafenanlage etwas soziales. Sie wird zum Gemeinwesen, das sich alle irgendwie teilen. Vielleicht  wurden die Kosten für die zuvor benutzten Systeme wie Kartenleser, Energieverbrauchsleser, Kassensysteme, Softwaresysteme zur Abrechnung, zur Zahlung per Kreditkarte sowie die Kosten für die Zerstörung oder ggf. unverantwortete Beschädigung fremd gewordener Gegenstände zu hoch. Einfach geht doch auch und erhöht die soziale Bindung untereinander.

Das ausgiebige Duschen genießen wir nach den anstrengenden Tagen.

Nach Rasur und Dusche komme ich mir wieder bekannt vor.
Was fehlt auf diesem Bild? Ja genau, die Gardinen. Diese waschen wir gleich mit.

Nutzen wir diese Infrastruktur aus, wenn wir gleich die Gardinen des Schiffes mitwaschen? Jedenfalls sind wir begeistert von diesem Hafen.

Nach drei Nächten ist so einiges feucht geworden, was jetzt in der Sonne gut trocknen kann.

Nach einer Woche Schiffsreise ist eine Grundreinigung des Schiffes erforderlich.

Ralf reinigt den Teppich aus dem Salon.

Wie haben heute noch einen traurigen Termin vor uns: eine Beerdigung. Unser willkommener Fahrgast, der verzupfte Vogel hat leider die Fahrt mit uns Riesen nicht überstanden. Der Vogel hatte sich unter der Fußmatte am Niedergang versteckt. Wir haben ihn beim nächtlichen Runterlaufen während der komplizierten Einfahrt dort nicht wahrgenommen. Es ist sehr traurig, ich weiß aber auch nicht, wie wir diesen Vorfall hätten vermeiden können.

Die letzte Ruhestätte für unseren mitgereisten Vogel.

Folgende Dinge am Schiff wurden in Mitleidenschaft gezogen, sind ausgefallen und müssen ggf. ersetzt werden:

– der alte Plotter als Parallelbetrieb zum modernen tablet hat seinen Betrieb eingestellt

– das ältere tablet arbeit nicht mehr zuverlässig. Zeitweise lässt es sich nicht mehr laden. Das tablet war auch als Fallback für elektronische Seekartennavigation vorgesehem

– eine Klampe für das Fixieren der eingerollten Rollfock hat uns in einer kritischen Situation im Stich gelassen. Die mühsam eingerollte Rollfock rollte sich wieder aus, da die Schot durch die Klampe durchgerutscht ist.

Die zwei Flügel dieser Klampe drücken mit Federdruck gegen das durchgeführte Seil der Rollfock. Der Zug des Seils zieht die Flügel enger an, sodass das Seil nicht weiter rutschen kann. Wenn es denn funktioniert.

– die Positionsleuchte vorne funktioniert nicht mehr. Später stellt sich raus, das das Kabel irgendwo unterbrochen sein muss. Das muss dringend wenigstens provisorisch repariert werden, um nachts von anderen Schiffen besser gesehen werden zu können (sie Positionslampe vorne ist zweifarbig, rot und grün, sodass andere Schiffe daran erkennen können, in welche Richtung das Schiff fährt.)

Für die kaputte Klampe beschaffen wir Ersatz. Der Modeladen um die Ecke hat einige Schiffsartikel, so auch Elektrokabel. Zeitnah wollen wir eine provisorische Lösung für die nicht leuchtende Lampe erstellen. Als Backup für elektronische Systeme werden wir zukünftig wieder papierhafte Karten einsetzen. Die ersten bekommen wir auch im Mode/Segelladen um die Ecke.

Aber wann geht es weiter in Richtung England? Und welche Strecke werden wir nehmen? Das soll spätestens morgen beim Frühstück geklärt werden.

7.6.: von Fort Augustus nach Gairlochy

Wir haben die zeitweise schaukelige Nacht gut überstanden. Unser Liegeplatz lag zu nah am offenen Loch Ness, über dass  ein kräftiger Wind doch eine unruhige, kabbelige Welle aufgebaut hat.

Am Morgen läuft der Schleusenwärter über die Pontons und teilt den einzelnen Schiffsführern mit, wann sie dran kommen. Es handelt sich hier nicht um eine Einzelschleuse sondern um eine Treppenschleuse, in der mehrere Schleusen hintereinander gesetzt sind und die Schiffe bei der Ausfahrt aus einer Schleuse bereits in der nächsten Schleusenkammer landen.

Wir wollen es heute bis zum Ende des Caledonian Canal schaffen.

Um 12:00 Uhr sollen wir an der Reihe sein.

Wir entwickeln Routine beim Schleusen.

Am Ende der Schleuse ergibt sich eine ähnliches Bild wie am Vortag. Es geht erstmal los mit einer wunderschönen Kanal- und Flusslandschaft. Es wirkt etwas wärmer und dichter als am Vortag.

Parallel zum Kanal verläuft der River Oich. Mitunter gibt es einen Austausch des Wassers zwischen  beiden Systemen.

Immer wieder öffnen sich verschiedene Verbindungen zwischen Fluss und Kanal.

Die heutige Strecke ist heimeliger und verwunschener als die gestrige. Der Wald wächst oft bis zum Rand des Kanals. Manchmal kann man den River Oich durch den Waldrand durchschimmern sehen.

Die Organisation der schottischen Kanäle vor Ort ist großartig. Man kommuniziert per Funk – in beide Richtungen.

Ein Brückenwärter hat uns angefunkt, wir würden abseits der Strecke fahren und müssten weiter links zur Boje. Ich bedanke mich für seinen Hinweis und er erklärt, es sei auch seine Aufgabe, diesen Streckenabschnitt zu überwachen.

Kurze Zeit später wissen wir diesen Hinweis nochmal besonders zu würdigen.

Da hat jemand den falschen Weg gewählt und kam nicht mehr zurück.

Für den Schleusenbetrieb ist jede Menge Personal im Einsatz. Das Kontrastprogramm zu den dänischen Hafenmeistern, die meist nur aus einem Automaten bestehen.

Diese Schleusenwärterin hat jedem Gast ein aufklebbares Sternchen geschenkt.

Am Nachmittag öffnet sich der Kanal wieder zu einem See, dem Loch Lochy. Im Gegensatz zum Loch Ness fallen die näheren Berge flacher ab und es wird Landwirtschaft betrieben. Ein idyllisches Plätzchen für Schafe.

Im Hintergrund zeigt sich Schottlands höchster Berg, ca. 1300 m. Ein Segler, den wir beim Schleusen trafen, bemerkte, dass er dort als Kind bei schottischen horizontalem Regen Ski fahren gelernt hat. Bis in den August hinein lassen sich am Berg noch Schneeflächen identifizieren.

Bis zum Abend schaffen wir es bis zur Treppenschleuse. Durch diese werden wir morgen den Caledonian Canal verlassen.

10.6.: von Orban zur Insel Gigha

Bei der Planung eines sinnvollen Abreisetermins nehme ich den Reeds Almanach zur Hilfe. Ohne dieses knapp 1000 seitige jährlich neu aufgelegte Werk kann ich mir solch eine Reise gar nicht mehr vorstellen. Die wichtigsten Informationen, die wir benötigen sind

  • Kommunikationsinfos zu Häfen, Schleusen und Portcontrol Organisationen, z.b. auf welchen Funkkanälen jeweils gesendet wird
  • Daten zu Hochwasser und Niedrigwasser für jeden Ort
  • Strömungskarten für jede Region

Für die Abfahrt ist es wichtig zu wissen, wann Hochwasser ist und welche Strömungen wann und wie laufen.

Es sieht aus, als können wir ausschlafen, weil den besten Strömungseffekt für die Reise haben wir 5 Stunden nach Hochwasser. Für Oban gibt es eine eigene Hochwassertabelle, die ich als Referenz benutze. Später wird sich rausstellen, dass das mal wieder ein Fehler war, da die Strömungstabellen sich auf die Hochwasserstände von Dower beziehen (natürlich nochmal die Stunde für die Sommerzeit hinzurechnen).

Jedenfalls fahren wir ausgeschlafen los und müssen heute ca. 50 Seemeilen zurücklegen, um bis Gigha zu kommen.

Auf dem Weg nach Gigha.

Es ist herrliches Segelwetter und wir rauschen zunächst mit 6-7 Knoten durch das Meer.

Doch dann kippt die Strömung. Mein Rechenfehler kommt zur Wirkung. Die Fahrt wird zwischen den Inseln Luing und Luna immer langsamer. Das Meer hingegen zeigt eine geriffelte Oberfläche, da es jetzt von mehreren Seiten strömt.

Kurz nach dem Kippen des Stroms bekommt das Meer eine schuppenähnliche Oberfläche.

Wir müssen jetzt den Motor dazuschalten, um unser Tagesziel erreichen zu können. Wir laufen jetzt bei günstigen Winden zwischen 4 und 5 Knoten unter vollem Segel und unter Motor mit allem, was uns an Kraft zur Verfügung steht.

Das Navigationsdisplay scheint verrückt zu spielen. Mal zeigt es eine Geschwindigkeit von 0 über Grund (gemessen über Satelit) an, mal fährt unser Boot zur Seite oder das Bootssymbol auf dem Display dreht sich.

Wer hat den Whirlpool Quirl angeschaltet?

Wir müssen den Motor auf höherer Drehzahl laufen lassen, um unsere Richtung halten zu können.

Es dauert fast eine Stunde, bevor wir aus dieser Mehrenge zwischen den beiden Inseln raus sind.

Auf der Karte befinden sich Hinweise auf starke Strömungen.

Irgendwann kommt der Quirl zum Erliegen und wir können wieder Fahrt aufnehmen. Es geht flott voran und wir erreichen unser geplantes Tagesziel, die Insel Gigha.

Wir finden die in den Karten beschriebene Bucht und müssen uns nur noch eine freie Mooringboje befestigen.

Sehr praktisch und erspart die gesamte Hafenprozedur.

Morgen geht es dann weiter in Richtung Nord Irland.

12. – 13.6.: von Bangor nach Liverpool

Vor der Abreise füllen wir noch unseren Dieselbestand auf. Wir haben jetzt 120 Seemeilen vor uns. In 2 Tagen sollte das locker zu schaffen sein.

Im Salon wird wieder die Ruhezone eingerichtet. Die Route ist grob abgesteckt und wir laufen kurz nach Hochwasser am Morgen aus.

Wir können die Isle of man bereits sehen, als das Wasser wieder quirlig wird. Bald 2 Stunden laufen wir unter Motor im Whirlpool gegen die Strömung. Immer wieder reißt die Strömung das Schiff aus dem Kurs. Die Selbststeuerungsanlage kommt mit dieser Dynamik nicht klar und wir müssen per Hand steuern.

Es quirlt so schön – beschäftigt uns aber mehr als uns lieb ist.

Lange sehen wir den Fuß der schottischen Halbinsel The Rhins.
Nach 2 Stunden ist der Spuk vorbei und wir setzen unseren Kurs in Richtung Liverpool fort.

Für die Nacht verkleinern wir beide Segelflächen, damit wir bei zunehmendem Wind nicht in Stress geraten.

Komplett dunkel wird es um diese Jahreszeit hier nicht.

Es bleibt eine ruhige und wunderschöne Nachtfahrt.

Es wird nicht ganz dunkel. Irgendwo am Himmel sind immer noch hellere Flecken zu erkennen. Wir sind noch weit im Norden und bald ist Mitsommernacht. Die Nächte sind jetzt kurz.
Wir lösen uns im 3 Stunden Rhytmus ab, damit wir auch den Folgetag noch fit sind.

Am morgen vergrößern wir die Segelfläche wieder und kommen richtig in Fahrt. Inzwischen haben wir in Erfahrung gebracht, dass die Schleuse des Stadthafens 2 1/4 Stunden vor und nach Hochwasser in Betrieb sein soll.

Gerne würden wir die Schleusung des morgentlichen Hochwassers erreichen. Theoretisch ist das noch möglich.

Die englische Küste ist zugebaut mit Hummerkörben, Offshore Windparks,  Gasförderanlagen und Ölplattformen. Man kann sich schon fast freuen, dass in dieser wachsenden Industrielandschaft es noch Flächen gibt, auf denen Segelschiffe fahren dürfen.

Nur wie sind diese Flächen begrenzt? Das ist im Morgengrauen nicht immer klar ersichtlich. Grenzt diese Boje einen Windpark ab? Oder sind das zwei Parks und in der Mitte dürfen wir durchfahren?

Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass man durch einen fertig gestellten Windpark durchfahren darf. Der Abstand der Rotorblätter vom Meerespiegel ist so hoch definiert, dass die Rotoren unsere Segel nicht aufschlitzen können. Nur die Durchfahrt vom im Bau befindlichen Windparks ist nicht gestattet.

Zur Sicherheit fahren wir außen drum herum.  Das kostet uns einige Zeit.

Wir fühlen uns Liverpool schon sehr nah –  aber vor der Mündung des Flusses Mersey laufen wir auf eine Windparkanlage zu. Eigentlich wollen wir uns nahe am Niedrigwasser an der Anlage vorbei schleichen – nur die gelben Markierungstonnen halten uns davon ab. Entnervt wenden wir und haben bald das Gefühl, dass der Eingang nach Liverpool durch Windräder zugestellt ist.

Wir funken die Schiffsverkehrsleitzentrale an und versuchen, uns per Funk verständlich zu machen. Hierzu müssen wir mehrfach nachfragen, da ich das Englisch, was hier scheinbar ohne Sprachmelodie runtergerattert wird, manchmal auch beim zweiten mal nicht verstanden habe.

Aber die Funkzentrale kriegt unsere Unsicherheit mit und schickt schon mal ein Lotsenboot. Wir teilen auf Nachfrage der Zentrale  mit, dass wir kein Radar aber ein AIS System haben.

Plötzlich tauchen auf dem AIS Layer Schiffe auf, die ich draußen nicht finden kann, bei der Detaildarstellung erscheint eine Schiffsbezeichnung, die auf ein Lotsenfahrzeug hindeutet. Mit grünen Schiffen wird uns so gezeigt, wo wo wir hinfahren und warten sollen, mit roten Schiffen, welche Zone wir jetzt meiden sollen. Es kommen nämlich gerade – weil wohl Hochwasser ist – eine Reihe von großen Pötten aus Liverpool den Mersey River herraus gefahren. Gerne warten wir darauf, dass diese vorbeiziehen, um dann das Fahrwasser zu kreuzen.

Ich erinnere mich an die scheinbare Verfolgungsfahrt eines Lotsenbootes auf der Nordsee. Die wollten uns nur damals den gewünschten Weg aus der Wartezone der Lotsen und Schlepper zeigen! Die sind gar nicht gefahren, sondern haben uns mit ihren AIS Display Manipulationen den richtigen Weg zeigen wollen.

Nachdem wir das Fahrwasser gekreuzt haben, nehmen wir Kontakt mit dem kommunalen Hafen auf. Uns bleiben ca. 2 Stunden, die letzte Schleusung dieses Hochwassers zu erreichen.  Das müsste machbar sein, denken wir.

Das Wasser läuft inzwischen ab. Wir schaffen nur noch eine Geschwindigkeit von 2 Knoten die Stunde. Das wars dann mit dem frühen Einchecken. Wir informieren den Hafenmeister und der teilt uns mit, dass der nächste Schleusengang um 21:33 Uhr stattfindet. Der Schleusenwärter hätte den Funkkanal 37.

Im river Mersey – warten auf die Schleuse.

Also nochmal den ganzen Tag konzentriert bleiben – aber wo sollen wir denn bleiben? Wir fahren den Mersey rauf und runter. Zur Vorbereitung wollen wir schon mal den Funkkanal des Schleusenwärters einstellen – nur der Kanal 37 exisitiert bei meinen Funkeinstellungen nicht.

Warten auf dem Mersey.

Aus dem Handbuch entnehme ich eine Liste der international als CE Norm abgestimmten Funkkanäle für die maritime Schifffahrt. Der Kanal 37 ist nicht dabei. Leicht genervt rufe ich beim Hafenmeister an und teile ihm mit, dass wir keinen Kanal 37 haben. Ok, wir sollen dann um 21:30  Uhr vor der Schleuse warten, bis der Schleusenwärter grünes Licht gibt.

Ist das schon der Brexit? Unser Funkgerät nutzt internationale Funkkanäle der Nautik. Die Frequenz des Schleusenwärters ist nicht dabei.

Aber was machen wir bis dahin? Wir funken nochmal die Verkehrsleitzentrale an. 2 Seemeilen flussabwärts gibt es eine Ankermöglichkeit. Die nutzen wir dann auch, kochen uns ein wunderbares Reisgericht mit Tomaten und Thunfisch.

Um 20:15 Uhr machen wir uns auf den Weg, d.h. erst einmal müssen wir den Anker lichten. Inzwischen hat der Wind deutlich zugelegt – die ersten Vorzeichen des aufziehenden Sturmes.

Der Mersey am Tag des Sturms.

Der Anker ist zum Glück schnell eingeholt.

Inzwischen regnet es. Na gut, nach 5 Wochen ohne Regentag kann das schon mal vorkommen.

Pünktlich um 21:33 Uhr öffnet die Schleuse. 10 Minuten später sind wir in der Marina und haben unseren Platz gefunden.

In Liverpool werden wir einige Tage verbleiben.

1.7.: von Aberystwyth nach Fishguard

In Aberystwyth ist jetzt Reinhold zur Segelreise hinzugestoßen. Reinhold hatte meine Anzeige im Seglerportal https://www.handgegenkoje.de gefunden, in dem ich einen Mitseglerplatz angeboten hatte.

Unsere erste Strecke führt uns von Aberystwyth nach Fishguard. Reinhold bleibt die physische Anpassung an das Geschaukle an Bord nicht erspart. Wie allen meiner Mitsegler und mir selbst ist es ihm phasenweise trotz Reisetabletten übel.

Die Fahrt nach Fishguard verläuft ruhig. In Fishguard haben wir allerdings Schwierigkeiten, einen geeigneten Liegeplatz für die Nacht zu finden. Der Hafen fällt trocken und wir entscheiden uns zunächst, im Vorhafen der Lower Town von Fishguard zu ankern.

Der Liegeplatz stellt sich allerdings als eine wacklige Angelegenheit heraus. Dieser Teil des Hafens liegt offen zum Meer und ist nicht geschützt durch die lange Kaimauer vor dem Fährhafen. Angesichts der Wetterprognose auf stärkeren Wind in der Nacht, dem wir hier ungeschützt ausgesetzt wären, entscheiden wir uns für einen Umzug in die Nähe des Fährhafens.

Hier haben bereits zwei Segler außerhalb des Fährhafens aber innerhalb des Schutzes der Kaimauer festgemacht.

Der späte Umzug wird mit einer ruhigen Nacht belohnt.

2.7.: von Fishguard nach Milford Haven

Am morgen stellen wir uns auf eine unruhige und windige Fahrt ein. Die Wetterprognose sagt uns 4 bis 5 Windstärken voraus.

Bei der Hafenausfahrt setzen wir gleich ein Reff in das Großsegel, was bei meinem Schiff zum Glück vom Cockpit aus zu erledigen ist.

Das Meer ist vom kräftigen teils stürmigen Wind in der Nacht noch sehr unruhig. Allerdings gibt es anders als vorausgesagt überhaupt keinen Wind, was die Fahrt nicht einfacher macht.

Vom gesetzten Segel hatten wir uns mehr Stabilität im Boot gewünscht. Jetzt müssen wir das mühsam hochgezogene Großsegel wieder einholen, da es ohne Wind bei dieser Schaukelei nur störend ist.

Jetzt gehts also nur mit Motorkraft die steilen und ca. 3-4 Meter hohen Wellenberge rauf und runter.

Jetzt müssen wir nach Fishguard ein Kap umqueren. Hier werden die ohnehin schon sehr hohen Wellen durch die Tidenströmung angereichert bzw. gekreuzt. Mitunter kommen die Wellen jetzt von mehreren Seiten zugleich.

Die Zero hält sich tapfer und Reinhold steuert an der Pinne mit sichtlichem Wohlgefallen. Diese aufgewühlte See scheint im besser zu bekommen als die vornächtliche Schaukelei in Fishguard Lower Town.

Ich traue mich nicht nach unten ins Schiff, um das heruntergerutschte Mobiltelefon zu holen. So gibt von dieser Szenerie leider kein Foto.

Am Nachmittag ändert sich die Situation schlagartig. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, laufen die Wellen aus, das Meer kommt zur Ruhe und zugleich beginnt es mächtig zu blasen.

Bei jetzt glatter See und kräftigem Wind kommen wir schnell voran. Im Sund zwischen einer St. David’s vorgelagerten Insel schiebt uns zusätzlich zum aufgefrischten Wind eine starke Strömung durch die enge Passage.

Der Geschwindigkeitsmesser  des Navigationstablets zeigt kurzzeitig eine Geschwindigkeit über Grund von 10 Knoten an. So schnell habe ich die Zero noch nie unterwegs gesehen.

Bereits am frühen Abend erreichen wir Milford Haven. Wir kommen nahezu zum Hochwasser an und können die Schleuse in den Hafen fast ohne Wartezeit nutzen.

Wir genießen die Ruhe im Hafen, die Duschen und ein ordentliches Essen im Hafenrestaurant.

Belgien gewinnt an diesem Abend 3:2 gegen Japan.