Schottland Rundreise: Fakten, Zahlen, Einschätzungen und Nachwort

Segeln um Schottland
Tracking Daten der Schottland Rundreise

Das Bild zeigt die Route unserer Schottland Rundreise 2022.

Insgesamt habe ich mit wechselnden Mitseglern 2142 Seemeilen zurück gelegt. Das sind 3.967 km. Der Motor lief 262 Stunden. Das klingt viel, bei der ersten England Rundreise waren es allerdings 470 Stunden. Damals war die Rückreise sehr viel windärmer.

Wir haben 177 l Diesel verbraucht. Füllstand des Tanks zu Beginn und zum Ende lässt sich nicht exakt vergleichen. Nach diesen Zahlen hat der gute 15 PS Motor 0,7 l pro Stunde verbraucht. Wenn man den Verbrauch in üblichen PKW Bezügen auf 100 km vergleicht, wären das 4,7 l pro 100 km. Das ist ein guter Wert, immerhin wird hier mehr oder weniger ein Hausstand transportiert. Die Liegeplätze für die 8,60 lange ZERO schlugen im Schnitt mit ca. 25 € pro Nacht (personenunabhängig) zu Buche.

So gerechnet war das ja ein preisgünstiger Urlaub. Ich vergesse mal die Winterliegeplatzgebühr mit Transport, Krangebühr und ins Wasser bringen und herausholen von ca. 2.500 .- €. Die Sommerliegeplatzgebühr an einem festen Hafen konnte ich mir ersparen. Für Reparaturaufwände und Material wie Farben etc. benötige ich jährlich immer nochmal 1.000 – 1.500 €. Meine Arbeitszeit am Boot rechne ich mal besser nicht aus.

Wer also viel und lange segelt, für den ist ein eigenes Schiff eine Überlegung wert. Wer im Berufsleben steht und begrenzte Zeit zur Verfügung hat, für den ist das Chartern eines Bootes für den Jahresurlaub wahrscheinlich günstiger.

Das Wetter auf der Route war häufiger stürmisch, als ich das erwartet hätte. Die historischen Wetterdaten der wahrscheinlichen Windrichtung zu den kritischen Nordseequerungen sind ja nur statistische Daten und haben in unserem Fall in Windrichtung und Stärke nicht zugetroffen.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die verwendeten Wettermodelle noch nicht an den sich vollziehenden Klimawandel angepasst sind. Gerade bei den langen Schlägen über das Meer war dies nicht unproblematisch. Auf der Hinreise wurden wir von Ausläufern eines Sturmes vor Norwegen mehr oder weniger überrascht. In der Vorhersage waren Windstärken über 5 Beaufort nur weiter nördlich angekündigt.

Die Hinreise war der anstrengendste Teil der Reise. Mit den recht hohen Wellen von bis zu 5 m hatte ich nicht gerechnet. Die Langstreckenerfahrung bei starkem Wind mit der ZERO war für mich neu. Ich möchte sie nicht missen, bin mir aber nicht sicher, ob ich in meinem Alter diese Erfahrung noch einmal machen muss.

Das Segeln im Nordatlantik bei Sonne in Nord Schottland war seglerisch der für mich der schönste Teil der Reise. Ich liebe lange, ruhige Wellen, auf denen das Schiff in Ruhe hoch getragen wird und sachte die Wellenberge runter rutscht.

Die Rückreise war ebenfalls teilweise sehr windig und wellig. Bei einer erneuten Tourenplanung einer Rückreise würde ich prüfen, ob der Kurs gen Osten nicht etwas weiter gen Süden verschoben werden könnte. Wir haben jetzt noch das Ende der relativ flachen Doggerbank erwischt und hatten dort reichlich mit hohen Wellen zu tun gehabt. Weiter südlich beginnen aber bald die Sonderwirtschaftszonen mit etlichen Industrieanlagen, die man dann bei der Planung berücksichtigen müsste. Ggf. müsste man ein großes Verkehrstrennungsgebiet durch fahren, um davon südlich oberhalb der friesischen Inseln gen Osten zu segeln.

Insgesamt hat die Planung gut funktioniert. Die Grundregel auf einen Segeltag jeweils einen Hafentag anzusetzen, war angemessen. Ich bin nie hinter den Terminen hergehastet. Die Hafentage sind prima für einen Ausgleich zu den harten Touren und natürlich auch gut geeignet, Land und Leute kennen zu lernen.

Es war ein guter Schuss Abenteuer in diesem Urlaub dabei. Das stärkt den Respekt vor der Natur. Ob das zukünftige Generationen noch in dieser Art werden erleben können, ist fragwürdig. Gerade werden die Sonderwirtschaftszonen, Verkehrswege und Rest an Naturschutzflächen neu festgelegt. Mit den notwendigen zusätzlichen Offshore Windanlagen und weiteren Industriefeldern wird es wohl schwieriger, einen geeigneten Weg zum englischen Festland für ein Segelschiff zu finden. In England darf man immerhin durch fertig gestellte Windparks segeln, im deutschen Seegebiet ist das leider nicht zulässig. Das finde ich sehr schade und fachlich verstehe ich diese unterschiedlichen Regelungen nicht.

Ich bin sehr froh, dass ich diese Reise mit 67 Jahren noch machen konnte und ich danke meiner Frau Christiane, die lieber vom Land aufs Wasser guckt und nicht segelt, dass Sie meine längere Abwesenheit von zuhause mit getragen hat, auch wenn sie darüber nicht glücklich war.

19.7.2022 – 24.7.2022 Rückreise nonstop von Dunbar nach Cuxhaven

Nach dem gelungenen Boarding von Lars lichten wir den Anker und machen uns sofort auf den Weg. Zunächst laufen wir unter Motor. Während der Fahrt bauen wir das Dingi zurück und verstauen es in der Backskiste.

Mit der Dämmerung kommt Wind auf und wir setzen die Segel. Gegen 4:30 Uhr sind wir auf der Höhe von Eyemouth. Hier hätte die Rückreise bereits gestern abend beginnen sollen.

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Ein schöner Segeltag beginnt.

Wir genießen den Sonnenaufgang und freuen uns über den gelungenen Einstieg in die Rückreise. Jetzt zählt die Regel: wer zuerst schlafen kann, legt sich zur Ruhe. Später geht es eher darum, wer noch einigermaßen fit ist, kontrolliert die Segeleinstellungen.

Der senkrecht montierte Außentisch verhindert das Rausrollen bei Seegang.

Wir wechseln in etwa im 2 Stunden Rhytmus. Im Salon haben wir wieder den rausfallsicheren Liegeplatz aufgebaut, damit man sich auch bei heftiger Schräglage noch irgendwie entspannen kann.

Diese Wettervorhersage aus dem Portal windy.com stand uns bei der Planung der Rückreise zur Verfügung.

Der 19.7. ist ein ganz passabler Segeltag. Im Laufe der Nacht dreht der Wind allmählich von Süd auf Nord. Ein Tiefdruckgebiet zieht von Westen auf die Nordsee. Der sich entwickelnde Nordwind wird uns gen Süden bringen.

Auf der Vorhersage zeichnet sich bereits ab, dass es weiter östlich ganz schön windig werden wird.

Am Vormittag des 20.7. setzen wir die Schmetterlingssegelstellung, sichern das Großsegel gegen ungeplantes Halsen und steifen die Genua mit einer Stange aus. Der Spaß währt nur kurz, da der Wind für diese Formation zu stark wird.

Lars beim Rückbau unserer Schmetterlingskonstruktion.

Im weiteren Verlauf des Tages müssen wir mehrfach die Segelfläche reduzieren. Am Abend legt der Wind nochmal auf 6 -7 Beaufort zu, in Böen 8. Zuvor hatten wir sinnvollerweise das 2. Reff ins Großsegel eingezogen. Jetzt verkleinern wir mehrfach hintereinander die Rollreff Genua. Zum Schluss bleibt für die Nacht ein handtuchgroßer Ausschnitt des Vorsegels stehen.

Die minimale Segelfläche reicht bei der Windstärke aus, uns mit 6-7 Knoten voran zu bringen. Gelegentlich überrollen seitliche Wellen das Schiff. Dann tropft es innen schon mal durch die Entlüftungsklappen. Die Feuchtigkeit im Schiff dehnt die Hölzer. Wie auf der Hinfahrt, fängt das Schiff an zu quietschen und zu knarren.

Die Wellen kommen von der Seite.

Der Starkwind bleibt uns auch am Donnerstag, den 21.7. bis zum Nachmittag erhalten. Dann nimmt der Wind langsam ab.

Es ist ein unangenemer Segeltag. Nach 2 Stunden Rückzug zur Linderung der Erschöpfung sieht der Alltag in etwa so aus: zunächst quält man sich zur Toilette, immer eine Hand an irgendeinem Griff. Das Schiff hat Schäglage und jede Welle, insbesondere jede seitliche Welle erzeugt zusätzliche Bewegungen und damit notwendige Festhaltemaßnahmen, damit man nicht durchs Schiff fliegt. Auf der Toilette gelingt es mir mitunter, nach Benutzung mich mit Kopf, Ellenbogen und Beinen irgendwo fest zu drücken, um noch eine Hand z.b. fürs Spülen frei zu bekommen.

Das Anziehen der Segelmontour in diesem bewegten Schiff ist nicht weniger anstrengend. Ein Arm wird regelmäßig zum Festhalten benötigt. Jetzt mit dem freien Arm irgendwie in die Regenjacke rein rutschen, diese dann auf die andere Seite bringen, jetzt mit dem fertig angezogenen Arm die Körperposition am Griff sichern, den nun frei gewordenen 2. Arm in eine Position bringen, in der er in den Arm der Regenjacke reinrutschen kann.

Das anziehen der Schwimmweste gestaltet sich etwas leichter, da die Öffnungen für die Arme größer sind. Und schon ist man fertig – fertig angezogen und fertig von den akrobatischen Übungen, die man vollbringen musste.

Insgesamt ist es unten ein gefährlicher Aufenthaltsort. An diesem Tag fliegen Lars und ich beide einmal quer durchs Schiff, da wir uns jeweils nicht mit wenigstens 1 Hand gesichert hatten. Zum Glück ist uns nichts passiert.

Dieser Segeltag ist für weitere Überraschungen gut. Kaum habe ich den Aufstieg ins Cockpit geschafft und noch bevor ich mich am Sicherungsgurt angeseilt habe, grüßt Neptun mich mit einer frechen seitlichen Welle, die mir über Kopf und Jacke rauscht. Ich fühle mich wie ein begossener Pudel und fange zugleich zu Lachen an, da die Situation so komisch ist. Nur schade um die zuvor trockene jetzt triefende Jacke.

Der Wind und die Wellen sind zwar heftig, aber wir kommen gut voran. Noch nördlich des großen Verkehrstrennungsgebietes vor den friesischen Inseln ändern wir unseren Kurs in Richtung Osten.

Im Laufe des Freitags, dem 22.7. taucht ein neues Problem auf. Das Haupttablet, welches uns als elktronische Karte dient mit Anzeige der großen Schiffe über das AIS System, lässt sich nicht mehr laden. Die Funktionen sind noch vorhanden, aber die Restkapazität der Batterie von jetzt noch 49% wird bei Normalgebrauch nicht bis zum Ende der Reise ausreichend sein. Wir reduziefen die Helligkeit und nutzen das tablet ab sofort nur in kritischen Situationen.

Jetzt navigieren wir auf der papierhaften Karte. Lars trägt gewissenhaft regelmäßig unsere Position mit Bleistift auf der Karte ein.

Nun verstehe ich, dass der Gesetzgeber papierhafte Karten vorgeschrieben hat. Ich hatte ja das Risiko eines Ausfalls der elektronischen Karte in Betracht gezogen und deshalb 2 autonome tablets mit 2 unterschiedlichen Kartensystemen mitgenommen. Das beide tablets ausfallen könnten, hielt ich für unwahscheinlich.

Die papierhafte Navigation ist allerdings träger. Man kann den Kurs ja nicht permanent eintragen und so passiert es während meiner Schicht, das wir ins Verkehrstrennungsgebiet gelangen – und zwar auf die falsche Spur. Wir sind jetzt Geisterfahrer – checken unsere Position nochmal mit dem ladegehemmten tablet und weichen dann 90° von unsere Kurs in Richtung Westen ab, um möglichst schnell aus der falschen Spur heraus zu kommen. Zum Glück war hier gerade nicht viel Verkehr.

Am Ende des Verkehrstrennungsgebietes weist uns eine Tonne, die wir auch auf der Karte identifiziert haben, den Weg zur Elbe. Gleichzeitig beunruhigt mich eine Armada von Monsterschiffen, die noch vor der Elbe unter Anker liegen. Liegen die hier, weil kürzlich die Hafenarbeiter gestreikt haben und es ggf. zu wenig Ladekapazität gibt? Oder warten die auf die Flutwelle, mit der sie nach Hamburg wollen?

Bald sehen wir die Insel Helgoland und haben dann auch Netzempfang. Den verwenden wir für die Nutzung eines Online Seekartenprogramm, sodass wir jetzt wieder ein elektronisches Modell unserer Route haben.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Im Meer von weiss flakkernden Lichtern, grünen und roten wegweisenden Bojen, heller Beleuchtung von Fischereibooten, grünen und roten Positionslampen von Schiffen fällt es schwer, das alles richtig zu interpretieren. Wir müssen zu zweit an Deck bleiben, um die Wirklichkeit gemeinsam zu deuten.

Zu Beginn hilft dabei auch die Online Seekarte auf dem Mobiltelefon. Nur irgendwann meldet die Anwendung, dass die Nutzungszeit für die Karte nunmehr abgelaufen sei.

Jetzt müssen wir uns auf unsere Sichtweise des nächtlichen Verkehrs verlassen. Das Fahrwasser ist etwas übersichtlicher geworden, aber die Armada der Handelsschiffe reitet auf der Flutwelle in Richtung Hamburg. Permanent überholen uns diese Monster. Ein entgegen kommendes Schiff scheint uns nicht zu sehen, sodass Lars per Funk den Kapitän auf uns aufmerksam macht.

Langsam dämmert es, was die Deutung des Geschehens vereinfacht.

Wir freuen uns über die gesunde Ankunft in Cuxhafen.

Am Samstag, den 23.7. um 6:40 Uhr legen wir in der Marina von Cuxhaven an. Wir sind sehr froh, jetzt angekommen zu sein. Wir räumen das Schiff noch auf und bauen die rausfallsichere Koje zurück.

Dann fallen wir erschöpft in unsere Betten.

18.7.2022 von Eyemouth nach Dunbar

Diese Reise um Schottland hat eine längere Planung benötigt. Das Boot und die Segelnden müssen sich bei wechselnden Mitseglern geplant an bestimmten Orten treffen. Das Segelboot sollte an diesen Orten zu fest gelegten Zeiten ankommen. Das ist nicht immer einfach, da das Wetter numal nicht planbar ist.

Für die Anreisenden war es dieses Jahr desto schwieriger, je mehr unterschiedliche Verkehrsmittel sie benutzt haben. Mal wurde ein Verkehrsmittel bestreikt, dann war bei Flügen nicht ausreichend Abfertigungspersonal verfügbar, sodass sich Flüge stärker verspäteten. Der Anschluss mit Bahn oder Bus funktionierte dann teilweise nicht mehr.

Ähnliches zeichnete sich bei der Anreise von Lars ab. Einige Verkehrsmittel in Großbritanien stellten ihren Betrieb aufgrund der Hitzewelle ein. Das betraf zwar mehr den Süden von England, die durch die Hitzewelle ausgelöste zentrale Katastrophenwarnung lag aber in der Luft.

Natürlich hatte bereits der Flieger beim Abflug Verspätung. Der Bus vom Flughafen Edinburgh in die Innenstadt funktionierte. Lars erreicht auch noch in letzter Minute den Zug nach Berwick-upon-tweed. Über die Verkehrssituation stimmen Lars und ich uns permanent per Telegon ab. Dann kommt von Lars die Nachricht, dass die Zugverbindung aufgrund eines Brückenproblems gecancelt wurde.

Was tun? Inzwischen sucht die Freundin von Lars im „Backoffice“ und ich in der Zero nach Verkehrsalternativen. Bis Eyemouth gibt es keine Verbindung mehr, aber bis Dunbar fährt noch eine Buslinie. Dunbar liegt ca. 20 Seemeilen nördlich von Eyemouth. Lars und ich beschließen, dass er den Bus bis Dunbar nimmt und ich dorthin zurück segele und ihn dort abhole.

Eyemouth wird mir in Erinnerung bleiben

In ca. 4 Stunden, also gegen Mitternacht, kann ich dort ankommen. Lars erreicht den Bus, ich mache das Schiff klar und wir reisen aus unterschiedlichen Richtungen zum vereinbarten Treffpunkt.

Es ist ein wunderschöner Segelabend mit zunächst ausreichendem Wind. Später muss der Motor unterstützen. Lars ist Stunden vor mir in Dunbar. Er klärt mit dem Hafenmeister und informiert mich dann, dass ich wohl zum Niedrigwasser ankommen werde, bei dem ein Einlaufen in den Hafen nicht möglich sei. Ggf. müsse ich vor dem Hafen ankern und ihn mit dem Dingi einsammeln.

Ok, das ist etwas aufwendiger aber machbar.

Zum Glück unterstützt mich die Selbststeuerungsanlage. Da kann ich das Dingi schon mal während der Fahrt aus der Backskiste herausholen, auspacken und aufblasen. Anschließend hole ich den Anker mit Ankerkette aus der Ankerkiste und lege beides bereit für einen schnellen Einsatz. Derweil ist es dunkel geworden. Das macht die Zufahrt in einen unbekannten Hafen nicht einfacher.

Das letzte Tageslicht zieht sich zurück

Lars hat inzwischen vor Ort hilfsbereite Schotten getroffen, die uns unterstützen. Ich wundere mich derweil über Lichter, die in meine Richtung strahlen. Mit dabei bei diesen Lichtern ist ein Scheinwerfer, den einer der Helfer aus seinem Pkw geholt hat, wie mir Lars später berichtet.

Ich konzentriere mich für die Anfahrt auf meine elektronische Karte. Es sind links und rechts der Hafenzufahrt einige Steininseln zu berücksichtigen. Ich fahre genau auf die Scheinwerfer zu, von denen ich inzwischen annehme, dass Lars sie organisiert hat.

Ein Effekt der Scheinwerfer, die in Richtung Schiff leuchten ist es, dass ich geblendet werde und die Umgebung nicht sehen kann. Ich muss noch rausfinden, wann der richtige Zeitpunkt ist, den Anker zu werfen.

Sobald wir in Rufweite sind, höre ich Lars rufen „Jetzt ankern!“. Ich eile nach vorne und lasse die Ankerkette durch meine Hände gleiten. Ich fixiere die Seilverlängerung der Ankerkette am Schiff und eile nach hinten, um rückwärts zu fahren, damit sich der Anker im Grund setzen kann.

Jetzt wird auch die Umgebung beleuchtet und ich nehme die hohen Steinfelsen war, vor denen die Zero jetzt am Anker liegt. Irgendwo zwischen den Steinfelsen muss dann wohl die Hafeneinfahrt sein.

Das Dingi ist schnell ins Wasser gelassen und über die Bordleiter komme ich nach dem häufigen Dingigebrauch in den letzten Wochen sicher ins Schlauchoot.

Jetzt sind die Scheinwerfer richtig hilfreich und weisen mir den Weg zu einer glitschigen Steintreppe, über die sich Lars vorsichtig Stufe um Stufe nach unten bewegt. Als erstes übernehme ich die beiden Rucksäcke, die Lars mitgeschleppt hat. Vorsichtig steigt Lars dann zu.

Das rudern bis zur Zero ist schnell geschafft und nach wenigen Minuten sind wir beide an Bord.

Boarding is complete.

30.5.2022: von Jegindo nach Thyboron

Bis nach Thyboron sind es nur noch ca. 20 Seemeilen. Das gibt uns die Chance, in Thyboron bei einer frühen Ankunft noch Einkäufe für unseren Reisebedarf zu machen.

Vor der Abreise müssen wir beim Hafenmeister unsere Übernachtungsgebühr bezahlen. Der Hafenmeister kommt aber erst gegen 10.00 Uhr. Außerdem gibt es keinen Hinweis darauf, dass er Kartenzahlung akzeptiert.

Zur Vorbereitung kratzen wir erst einmal unser dänisches Bargeld zusammen. Das reicht aber nicht. Aber mit einer Mischung aus dänischem Geld und Euros bekommen wir den Betrag zusammen.

Beim Büro des Hafenmeisters ist noch niemand. Die angegebene Telefonnummer fürt zu einem Anrufbeantworter. Der hilft uns auch nicht weiter.

Im Haus gegenüber residiert ein ökologischer Muschelgroßhandel. Die Region Limfjord hat große Anbaugebiete von Miesmuscheln. Die werden wir später auch vom Boot aus sehen. Dort klopfe ich jetzt an und ein freundlicher Herr bittet mich herein. Ich schildere ihm unser Problem und frage, was wir hier tun können. Ganz pragmatisch schlägt er vor, er könne das Geld ja dem Hafenmeister übergeben. Ich liebe pragmatische Lösungen.

So können wir frühzeitig unseren Weg nach Thyboron fortsetzen.

Schwarz-weiß Bild mit Restfarben

Die Weiterfahrt verläuft problemlos. Wir sehen die großen Muschelbänke abseits unserer Fahrstrecke. Wir bemerken jetzt, dass die sogar auf der Seekarte eingezeichnet sind. Da findet ein Großhandel für Muscheln schon seinen Platz.

In Thyboron treffen wir die letzten Vorbereitungen für Überfahrt in Richtung Schottland. Für füllen Frischwasser, den Tank und die Reservekanister. Im nächsten Supermarkt am Stadtrand ergänzen wir unsere Nahrungsvorräte. Wir ersetzen unser Schweinswal Schmucksegel durch die Arbeitsgenua. Leider gelingt es uns nicht, Ersatz für eine leere Gasflasche zu finden.

Am nöchsten morgen überprüfen wir die Wetterdaten aus unterschiedlichen Quellen und machen Screenshots von den Prognosen für die nächsten 3 Tage. Im Norden unserer geplanten Route soll es etwas windiger werden, ca. 4-5 Beaufort sind dort angesagt. Das ist machbar und wird uns gut voran bringen. Wir entscheiden, noch am Mittag zu starten.

In 3 Tagen wollen wir in Peterhead ankommen. Das sind ca. 300 Seemeilen.

Wir bauen das Schiff noch um für eine Langfahrt. Der Außentisch wird im Salon zwischen Matrazze und Innentisch senkrecht mit Gummibändern fixiert. Jetzt kann man in der Erholungsphase auch bei unruhiger See nicht so leicht aus dem Bett fallen.

Um 13:10 heißt es: Leinen los!

Leinen los in Thyboron
Leinen los und Fender verstauen

Die Vorbereitung für die Aktion „Segeln fürs Meer“

15.06.2021

Gastbeitrag von Lars

Gesegnet von einer Schwalbe (ist es eine Schwalbe?) sind Rolf und ich heute von Eckernförde nach Kiel gestartet.

Wir hatten ein schönes Wetter, jedoch kaum Wind. Wir mussten ein Stück unter Motor laufen, was zur einer interessanten Diskussion geführt hatte, die die Industrialisierung als den Auslöser für „Aufs Uhr gucken“ und „unter Zeitdruck arbeiten“ verantwortlich machte.

Wie Rolf es schon vorher meinte: „Wie wollen bei unserer kleinen Expedition die Widersprüche benennen, denen wir ausgesetzt sind“.

Der Wiederspruch Nummer 1:

Wie kommt man/frau rechtzeitig zu einem Termin, der dem Meeresschutz dient, mit einem Segelboot ohne Wind rechtzeitig hin? Unter Motor haben wir etwa 6 Stunden heute gebraucht – die Verabredung mit Rüdiger von One Earth One Ocean war um 18:30. Wären wir heute nur unter Segel gefahren (durchschnittlich wären es wahrscheinlich 2 Knoten), wären wir erst gegen 22 Uhr in Kiel. Dann hätte dieses schönes Treffen wahrscheinlich nicht stattfinden können:

Rolf und Rüdiger und das Manta-Trawl von https://www.weniger-ist-meer.com/

Ach ja, haben wir es schon erzählt? Um das Manta-Trawl auszuleihen, haben wir uns – Rolf, ich , Caro und Lauren – ein Paar Tage davor in Flensburg getroffen:

Das Manta-Trawl ähnelt dem Manta-Rochen beim Planktonaufnehmen, nur das Manta-Trawl nimmt das Mikroplastikplankton auf.

Das Meereswasser hat immer noch diese schöne Türkis-Farbe als ob es keine Umweltkatastrophe gäbe:

In Kiel – Seehafen Seeburg – angekommen, stich die enttäuschende Realität wieder ins Auge:

Keine 30 Meter vom Wasser entfernt. Zeit, die erste Müllsammelaktion zu starten!
Vorher – Nachher

Wir sind weiterhin optimistisch und freuen uns, auf neue Begegnungen mit Gleichgesinnten! Morgen früh hat uns Rüdiger ins Labor zur Besichtigung eingeladen, wo später unsere Mikroplastikproben ausgewertet werden. Und übermorgen begleiten wir Arved Fuchs und seine Expedition ins freie Meer hinaus!

Segeln fürs Meer 2021 – Moin, ich bin Lars

Vielen Dank, Rolf, dass du mich zu deiner Webseite eingeladen hast! Wie abgesprochen, stelle ich mich hier kurz vor.

Moin, ich bin Lars.

Eigentlich bin ich gebürtiger Russe – das habt ihr an meiner nicht-muttersprachlichen Ausdrucksweise bestimmt schon gemerkt 🙂 Daher – Verzeihung im Voraus für die sprachlichen Fehler! Fürs Korrekturlesen gibt’s momentan keine Zeit.

Ich lernte Rolf kennen, nachdem ich im April 2021 auf „Handgegenkoje“ eine Anzeige aufgegeben habe, die zum Zweck hat(te), einen Segeltörn zum Meeresschutz zu organisieren. Rolf hat sich sofort bei mir gemeldet, und seitdem arbeiten wir zusammen an dem Konzept des Törns.

Rolf und ich sind, so wie viele von euch, Gleichgesinnte. Wir wollen unsere Meere retten. Auch wenn jede:r auf ihrer:seiner Art. Hier sind meine Gedanken, die mir bei der Entstehung dieser Idee als Ansporn dien(t)en:

Unsere Meere und Ozeane werden seit Jahrhunderten von Menschen genutzt, benutzt und leider oft ausgenutzt.

Menschen bedienen sich am Meer; es wird genommen und oft nichts zurückgegeben. Wie oft sagen wir Danke? 

Danke, dass wir auf dir fahren und segeln dürfen. 

Danke, dass wir in dir schwimmen, von dir uns ernähren, an dir unseren Urlaub machen dürfen.

Die meisten Segelboote haben seit mehreren Jahrzehnten nur noch eine Funktion: Spaß und Vergnügen. Nicht umsonst heißen sie auf Englisch “pleasure craft”.

Millionen von Segelbooten segeln auf dem Meer nur aus Vergnügen. Ohne ein konkretes Ziel, das zur Rettung unserer Meere beitragen könnte, außer vielleicht einen nachhaltigen Urlaub zu machen.

Ist es überhaupt noch gerechtfertigt in unserer Zeit einer globalen ökologischen Katastrophe? 

Ist ein nachhaltiger Segelurlaub alles, was wir unserem Meer zurückgeben können? 

Wie wäre es damit, wenn wir das Konzept des Segelns neu aufstellen würden?

Nicht mehr MEERE FÜRS SEGELN, sondern 

SEGELN FÜRS MEER

Wir fangen klein an: mit einem 7-tägigen Segeltörn auf der Ostsee, der jeden Moment zum Zweck haben wird, unserem Meer zu dienen, und werden euch darüber täglich berichten.

Ahoi und liebe Grüße,

Lars

16.6.2021: Laboreinführung, Geburtstagsfrühstück und Vorratsbeschaffung

Am Morgen sind wir mit Rüdiger, dem Laborleiter von One Earth One Ocean verabredet. Glücklicherweise hat OEOO sich bereit erklärt, die Meeresproben, die wir auf unserer einwöchigen Segelreise ziehen wollen, auf Mikroplastik zu untersuchen. Wir freuen uns sehr, dass uns Rüdiger heute morgen das Labor zeigen will und den Untersuchungsprozess erklären möchte.

Rüdiger holt uns am Morgen zum verabredeten Zeitpunkt ab und gibt uns auf dem Weg zum Labor noch interessante städtebauliche Informationen zur Geschichte von Kiel. Das alleine ist schon spannend, im Labor wird es dann richtig interessant.

Der Laborleiter Dr. Rüdiger Stöhr erklärt uns den Analyse Prozess für Mikroplastik

Die Meeresschutz Organisation One Earth One Ocean bekommt derzeit viele Proben aus der Handelsschifffahrt. Die gezogenen Wasserproben werden zunächst gefiltert. Letztlich landen aus dem gefilterten Wasser nicht organische Bestandteile auf dem runden Filterpapier, auf dem obigen Foto erkennbar.

Unter dem Mikroskop werden die Bestandteile visuell identifiziert, deren Aussehen auf Mikroplastik hindeutet.

Unter diesem Zauberapparat wird per Infrarotspektroskopie für jede einzelne Frequenz aus dem Infrarotspektrum gemessen, wieviel Energie durch den jeweiligen Untersuchungsgegenstand hindurch gelangt.

Die ermittelten Daten werden auf einem angeschlossenem Labtop visualisiert. Anhand des Vergleichs mit einer Referenzdatenbank wird das untersuchte Material identifiziert.

Nach dieser spannenden komprimierten Einführung in den Analyseprozess werden wir zum Boot zurück gebracht. Hier sind wir mit Christiane verabredet, die heute Geburtstag hat.

Wir genießen ein ausgiebiges gemeinsames Frühstück. Christiane bevorzugt die Blickrichtung vom Land zum Schiff und wird uns die nächsten Tage nicht auf unserer Tour begleiten.

Ich verbringe mit Christiane den Abend mit Freunden in Stexwig. Morgen früh werde ich rechtzeitig wieder an Bord sein.

#Sprotte_Kiel Fahrrad ausgeliehen. und bei #unverpackt_kiell eingekauft

Lars nutzt währenddessen die Zeit, unverpackt und natürlich per Fahrrad einzukaufen.

Morgen wollen wir ablegen, um den Expeditionsstart von Arved Fuchs bis in die Kieler Bucht zu begleiten.

19.6.2021 Von Poel nach Wismar

Morgens holen wir den Anker ein und Segeln zunächst in Richtung Norden, um tiefere Gewässer zu erreichen. Es macht den Eindruck, dass bei einer Wassertiefer über 15m sich weniger organisches Material letztendlich im Kescher sammelt.

Nach dem Einsammeln der Probe bereitet Lars schon mal das Essen vor. Lars ist überall aktiv, als Steuermann, als Koch und vor allem beim Ausbringen und Bergen des Manta Trawls.

Anschließend segeln wir in Richtung Wismar, wo Anna von der Organisation Deepwave.org von Bord gehen wird.

Segeln-fürs-Meer Anna von Deepwave.org
Anna von Deepwave.org hat uns einige Tage begleitet

Anna hat uns einen Kurzlehrgang zu social media gegeben und mit uns lange und ausgiebige Diskussionen auch zum Meeresschutz geführt. Sie hat unsere Aktion mit zahlreichen Fotos dokumentiert. Vielen Dank für die viele Anregungen, die du uns gegeben hast!

Abendstimmung im Hafen von Wismar

Wir landen in einem Gästehafen von Wismar, zentral gelegen mit morbider Industrieromantik. Die Hafenanlage ist etwas runter gekommen, aber die Sanitäranlagen sind komplett erneuert. Zur schönen Altstadt von Wismar sind es nur wenige Minuten.

21.6.2021 Von Kühlungsborn nach Großenbrode

Segelgenuss pur.

Die Wettervorhersage kündigt kräftigen Wind für den heutigen Tag an. Wir entschließen uns, noch im Hafen ein Reff zu setzen und noch im Hafen ziehen wir das gereffte Großsegel während des Auslaufens hoch.

Es bleibt den ganzen Tag recht windig, sodass wir den Manta Trawl nicht rausbringen. Die Gefahr für das Schiff und den Trawl ist zu groß.

Dafür genießen wir an diesem Tag die reine Segelfreude. ZERO taucht weich in die Wellen ein, Wind und Wetter sind ideal zum Segeln.

Auf dem Weg in Richtung Fehmarn entschließen wir uns, Großenbrode auf dem Festland anzulaufen. Hoffentlich schaffen wir es morgen, 2 Wasserproben zu entnehmen.

Segeln bei idealen Wetterbedingungen

Großenbrode besteht eigentlich aus einer Bucht mit zahlreichen Sportboothäfen. Eine Geschichte kann man diesem Ort nicht ablesen. Sicherlich ist er verkehrstechnisch gut zu erreichen.