2021 Segeln fürs Meer

Der Auslöser

Schon immer leben die Segler im Dilemma, einerseits der Natur sehr nahe zu sein – auch nahe sein zu wollen – aber auch auf kleinem Raum Lösungen zu finden, die für ein Leben an Bord funktionieren und die die Substanz des Schiffes erhalten.

Heutzutage ist hier der Chemiebaukasten nicht sehr weit weg- 2 Komponenten Kleber, ein fungizider Schutzanstrich gegen Seepocken und Algen, eine Welle, die geölt sein will, Diesel im Tank, Gas zum Kochen, Petroleum zum heizen. Die Liste der Chemiebausteine an Bord ließe sich weiter ergänzen …

Gleichzeitig fühlen sich viele Segler dem Meer verbunden. Wind, Wetter, Gezeiten mit ihren Strömungen, Wellen die bedrohlich werden können, aber auch: romantische Sonnenuntergänge, viel Platz auf dem Meer als Fluchtoption vor der Enge der Städte.

Wir Segler sehen, wie die Welt belastet wird durch den menschengemachten Temperaturanstieg.Die Wettermodelle eines sich ändernden Klimas reichen oft nicht mehr aus, uns mittelfristige Vorhersagen zu machen, wie sich das Wetter entwickelt. Wir wissen, das Plastik wirklich nicht ins Meer gehört, aber unsere Segel sind aus Dralon oder anderen Hightech Materialien, die nunmal nicht auf dem Komposthaufen entsorgt werden können.

Wie gehen wir mit diesen Widersprüchen um?

Unser Experiment „Segeln fürs Meer“ soll dazu einen Einstieg geben.

Die Ziele

Wir wollen

  • die Widersprüche benennen, denen wir ausgesetzt sind und
  • an Bord prüfen, wo wir schadhafte Stoffe und Verfahren durch umweltverträglichere Lösungen ersetzen können.
  • Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, Mitsegler und Wassersportbegeisterte für das Thema Plastik im Meer zu sensibilisieren.
  • Hierzu werden wir Wasserproben mit Manta-Trawls entnehmen, die anschließend in einem Labor auf Microplastik untersucht werden.
  • Die Messergebnisse sollen öffentlich zugänglich sein.
  • Wir wollen Plastik an Bord vermeiden, wo dies möglich ist.

20.6.2021 Von Wismar nach Kühlungsborn

Am morgen bergen wir zunächst einmal das wunderbare Banner von Deepwave.org.

Jeden Abend, so auch gestern, wenn ich schon auf Feierabendbetrieb umschalte, erwachen in Lars neue Energien und er verwandelt das Boot in ein schwimmendes Statement. Mancher kommt vorbei und spricht uns an. Die Reaktionen sind erwartungsgemäß kontrovers, aber immerhin: man kommt ins Gespräch.

Wir verlassen den Hafen von Wismar und wollen heute bis Kühlungsborn kommen.

Wo bleibt eigentlich das ganze Holz?

Am Industriehafen in Wismar werden Holzberge zur Verladung vorbereitet. Wo geht das Holz hin? Wohl an den Käufer, der am meisten zahlt, und das sind derzeit häufiger die USA und China.

Wir entfernen uns vom Grollen eines Gewitters, dass in Richtung Land Blitze aus dem Himmel sendet.

Segeln fürs Meer Wismar
Ein richtiger Schauer testet unsere Segelkleidung.

Ich liebe diese Sommerschauer, die ja bald wieder aufhören. Wir stellen fest, dass wir uns vom Gewitter entfernen und nach ca. 30 Minuten ist der Spuk vorbei und allmählich reißt der Himmel auf.

Wir haben uns vorgenommen, heute zwei Trawl Sessions zu machen. Mit der ersten fangen wir an, sobald der Tiefenmesser mehr als 10 m anzeigt.

Die erste Trawl Session funktioniert jetzt schon mit einer gewissen Routine.

Am Nachmittag frischt es etwas auf und die Bewegung von ZERO nimmt zu. Wir machen gute Fahrt, aber an einen zweiten Trawl ist heute nicht mehr zu denken. Das Schiff wackelt einfach zu viel.

Am Abend erreichen wir den Hafen von Kühlungsborn.

Abendstimmung am Hafen in Kühlungsborn

Kühlungsborn hat sich seit der Wende sehr schnell entwickelt. Es reiht sich Hotel an Hotel, eine endlose Strandpromenade verbindet die auseinander gerissenen Siedlungsteile des Ortes. Im Winter werden hier die Bürgersteige hoch geklappt.

23.6.2021 Von Burgstaken zurück nach Kiel

Manta Trawl

Am frühen Morgen steigt Kiki von Ocean Summit mit hinzu und unterstützt uns bei der Dokumentation unserer Tätigkeit.

Segeln-fürs-Meer
Tschüß Fehmarn

Die erste Probe entnehmen wir auf der Westseite Fehmarns. Hier nochmal die einzelnen Schritte der Probenentnahme:

Vorbereitung und zu Wasser lassen des Manta Trawls
Unser häufigster Begleiter in dieser Woche

Wir lassen den Trawl für 30 Minuten im Meer mitlaufen. Die Soll Geschwindigkeit beträgt 2,5 Knoten. Wenn zusätzlich noch die Richtung und Stärke der Ströhmung mit einbezogen wird, lässt sich errechnen, welches Volumen an Wasser durch das Trawl hindurch geflossen ist. Ggf. gefundene Plastikpartikel lassen sich dann auf diese Menge beziehen.

Datenerfassung zum Trawl

Wir erfassen die Zeitpunkte und die Geodaten eines Trawls zum Beginn und zum Ende elektronisch mit dem Kartentool Locus Map pro. Damit tracken wir auch unsere gefahrene Strecke. Parallel und zur Sicherheit werden die Daten manuell auf einem Formular erfasst, dass den fotografiert wird. Mit der Datenredundanz haben wir eine ausreichende Sicherheit der Daten gewährleistet.

Bergen des Manta Netzes am Ende eines Trawls
Das Netz wurde von der Holzkonstruktion des Trawls getrennt und wird mit Salzwasser gespült.

Beim Säubern des Netzes mit Salzwasser sollten alle Partikel des Trawls im Kescher des Netzes landen. Der Kescher ist am Ende des Netzes angebracht und kann vom Netz getrennt werden.

Der Kescher wurde vom Netz getrennt.

Im Kescher auf diesem Foto erkennt man deutlich, dass wir an großem organischem Material z.B. Quallen und Seegrasblätter mit eingesammelt haben. Das Grobe organische Material entfernen wir zunächst aus dem Kescher.

Der „Fang“ landet jetzt in einem Untersuchungssieb

Beim Ausladen des Fanges in ein Untersuchungssieb werden Kescher und Sieb sorgfältig mit Süßwasser gespült. Salzkristalle wären bei der späteren Untersuchung im Labor hinderlich.

Der Inhalt des Untersuchungssiebes landet jetzt in einem sauberen Marmeladenglas.

Der Inhalt wird mit Süßwasser in das Aufbewahrungsglas gespült.

Probe Nr. 6 aus der Hohwachter Bucht

Mit kritischen Augen wird das Ergebnis dieses Trawls gewürdigt. Wir hoffen, dass es sich im Labor anschließend auswerten lässt.

Um 15:44 Uhr ist diese Probenentnahme beendet. Bald danach erfahren wir über Funk Kanal 11 vom Radio Todendorf, dass das Schießen für heute beendet sei. Wir können jetzt einen kürzeren weg zur Kieler Förde wählen.

Die Schießzeiten sollten laut Vorankündigung der Monatsplanung bereits seit Beginn der Woche beendet sein. Leider werden die Wassersportler nicht gefragt, wie lange das Militär im Rahmen des Nato Manövers BaltOp (Baltic Operations) dort tätig sind.

Zwischenzeitlich hatten wir von einer weiteren Meeresschutz Organisation den Wunsch übermittelt bekommen, eine zusätzliche Probe in der Kieler Förde zu ziehen.

Dort laufen wir bei Dämmerung ein.

Einlaufen in die Kieler Förde bei Dämmerung

Der Trawl bei Schiffsverkehr in der Dämmerung wird zu einem Highlight dieser Mini Expedition, die mit dem heutigen Abend enden wird. Wir wählen für unsere Fahrt den linken äußeren Rand des Fahrwassers und beobachten auch per AIS den Schiffsverkehr.

Für die Untersuchung unseres „Fanges“ haben wir eine mobile Bordlampe installiert, die den Fang detailliert und eindrucksvoller Beleuchtung zeigt.

Im Dunkeln landen wir in einem der stadtnahen Häfen an der Kiellinie.

Diese besondere Segelreise hat alle Beteiligten berührt. Wir haben eine Woche unsere Essgewohnheiten leicht modifiziert und uns vegetarisch ernährt. Wir hatten viele interessante Diskussionen über Meeresschutz und Wassersport. Allen Beteiligten ist klar, dass wir mehr für den Schutz unserer Meere tun müssen, wenn wir den nachfolgenden Generationen keinen Scherbenhaufen Erde hinterlassen wollen.

24.6.2021 Projektende

Segeln-fürs-Meer

Am Morgen besuchen uns Silja, Max und Julius von der Organisation Ocean Summit, deren Netzwerk erst dieses Projekt möglich gemacht hat.

Wir fassen nochmal unsere Ergebnisse zusammen und diskutieren über Perspektiven eines ehrenamtlichen Engagements von Seglern für den Meeresschutz. Am Ende nehmen wir für einen geplanten Podcast noch einige Sequenzen auf.

Wir haben uns mit Dr. Rüdiger Stöhr zur Übergabe der Proben verabredet. Er leitet das Labor von One World One Ocean und wir sind sehr dankbar, dass unsere Proben auf Mikroplastik untersucht werden sollen.

Das ist also das vorläufige Ergebnis unserer Manta Trawl Aktivitäten! Wir sind sehr gespannt darauf, ob unsere Proben auswertbar sind und freuen uns schon jetzt auf das Ergebnis der Analysen.