31.7.2022 – 2.8.2022 von Cuxhaven nach Kiel

Sehnsuchts Sonnenuntergang

Nach einer Woche Pause in Hamburg will ich jetzt zum Ausgangshafen dieser Reise, Kiel Stickenhörn zurück kehren.

Das Kartentablet habe ich in Hamburg reparieren lassen können.

Die erste Station ist Brunsbüttel, und zwar der Yachthafen, der direkt hinter der Schleuse in den „Kiel Kanal“ liegt. Die offizielle Namensumbenennung des früheren „Nord-Ostsee-Kanals“ erfreut das Kieler Stadtmarketing.

Auf der Elbe koexistieren große Handelsschiffe mit kleinen Seglern.

Die Segelreise bis Brunsbüttel verläuft die Elbe aufwärts mit der Flut stressfrei. Beim Schleusentor habe ich das Glück, dass bei meiner Ankunft sich gerade die Sportboote in der alten Schleusenkammer versammeln.

Bei meinem ersten Besuch von Brunsbüttel vor 4 Jahren hat es hier nach Schwefel gestunken. Heute rieche ich davon nichts. Vermutlich steht der Wind günstiger, die Raffinerien haben jedenfalls ihren Betrieb noch nicht eingestellt.

Hinter der Schleuse liegt die ZERO im Päckchen neben einer Sirius. Dahinter kommt ein großes Frachtschiff gerade aus der Schleusenkammer.

Am nächsten Morgen geht es unter Motor weiter in Richtung Kiel. Meine hilfreiche Karte vom Kiel Kanal erklärt mir, wie die grün-gelb-roten Signale zu interpretieren sind. An engen Passagen müssen mitunter die großen Handelsschiffe den Gegenverkehr abwarten, während die Sportbootschifffahrt weiter fahren darf.

Die Fahrt ist bei schönem Wetter zu ertragen, aber grundsätzlich relativ langweilig. Gelegentlich kann ich die Genua unterstützend zum Motor verwenden. Die Selbststeuerungsanlage hat am Morgen Startschwierigkeiten, läuft dann aber wieder.

Die Schwebefähre bei Rendsburg ist wieder in Betrieb.

Ich entscheide mich, in dieser Nacht in Rendsburg in der Marina zu übernachten.

Die Sicht vom Wasser aus auf Rendsburg eröffnet nochmal andere Sichten auf die Stadt. Ich kenne Rendsburg von der wunderschönen Nord Art Ausstellung, die mit den alten Industriehallen und der großzügigen Parklandschaft mit wechselnden Ausstellungen jedes Jahr aufs neue ein lohnendes Ausflugsziel ist.

Nicht gerade ein Standardschiff, aber man sieht am Namen, wo mit fossilen Brennstoffen noch richtig viel Geld verdient wird.

Vom Wasser aus sieht man, dass auch im wirtschaftlichen Bereich dort vieles funktionieren muss. Es gibt mehrere Werften, die noch produzieren. Sicherlich gibt es auch hier den nicht vermeidbaren Rückgang an Schiffsindustrie, aber es sieht noch lebendig aus.

Das Anlegen im Yachthafen ist mal wieder schwierig. Ich hatte mir eine Box ausgesucht, wo der Wind von vorne kommt. In die Box würde allerdings auch ein 20 m langes Schiff reinpassen. Ich muss meine schon üppig ausgestatteten Festmacher verlängern, um die Distanz zum hinteren Poller zu überbrücken, um das Schiff sicher fest zu machen. Zum Glück hilft mir jemand vom Steg, der vom Nachbarschiff meine Vorleinen entgegen nimmt, um das Schiff vorne gegen seitwärtiges abdriften zu sichern.

Der Hafen ist wunderbar, zur Altstadt und zum Bahnhof sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Die Hafenmeisterin ist fleißig, das Check-In erfolgt zügig, aber papierhaft und selbst am späten Abend sehe ich die Hafenmeisterin noch fleißig in ihrem Büro mit Listen und Zetteln hantieren.

Am nächsten Tag geht es nochmals unter Motor bis nach Kiel. Unterwegs verabrede ich mich in der Nähe der Schleuse mit Rüdiger von der Initiative OneEarthOneOcean zur Übergabe der von uns während der Fahrt genommenen Wasserproben. Die Wasserproben werden im Labor von One Earth One Ocean auf Microplastik untersucht.

Die Proben haben wir auf der Hinfahrt in industriellen Zonen der Nordsee gesammelt; die Nordsee ist schon jetzt ein großes Industriegebiet gemischt mit Verkehrsstraße und geringen Anteilen geschützten natürlichen Ressourcen. Eigentlich waren die Proben für eine andere Meeresschutzorganisation vorgesehen, die sich dafür interessierte, wieweit im Umfeld dieser Plattformen achtsam mit dem Meereswasser umgegangen wird. Leider gab es hier neben dem angekündigten Interesse keine Beschlusslage, diese Untersuchungen tatsächlich vorzunehmen.

Übergabe unserer Wasserproben an den Laborleiter von One Earth one Ocean Dr. Rüdiger Stöhr

So sind wir sehr froh, dass OEOO wenigstens unsere Wasserpröbchen auf Mikroplastik untersucht, wenngleich anhand der geringen Mengen des entnommenen Meereswassers wohl kaum mit bahnbrechenden Erkenntnissen zu rechnen ist. Insgesamt ist dieser Aspekt unserer Reise etwas zu kurz gekommen, deshalb haben wir darüber auch wenig berichtet.

Heute aber ist der Tag, an dem wir die Proben dem Laborleiter von OEOO übergeben. Ich mach das persönlich, Lars der Mitsegler über die Nordsee ist es zu verdanken, dass diese Aktion überhaupt noch zustande gekommen ist. Vielen Dank Lars!

Die Reise endet unspektakulär am Abend gegen 19.00 Uhr in Kiel Steckenhörn, der Hafen, in dem die Schottland Rundreise Mitte Mai begonnen hat.

Die ZERO im Ausgangs- und Endhafen der Schottland Rundreise in Kiel Steckenhörn.

19.7.2022 – 24.7.2022 Rückreise nonstop von Dunbar nach Cuxhaven

Nach dem gelungenen Boarding von Lars lichten wir den Anker und machen uns sofort auf den Weg. Zunächst laufen wir unter Motor. Während der Fahrt bauen wir das Dingi zurück und verstauen es in der Backskiste.

Mit der Dämmerung kommt Wind auf und wir setzen die Segel. Gegen 4:30 Uhr sind wir auf der Höhe von Eyemouth. Hier hätte die Rückreise bereits gestern abend beginnen sollen.

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Ein schöner Segeltag beginnt.

Wir genießen den Sonnenaufgang und freuen uns über den gelungenen Einstieg in die Rückreise. Jetzt zählt die Regel: wer zuerst schlafen kann, legt sich zur Ruhe. Später geht es eher darum, wer noch einigermaßen fit ist, kontrolliert die Segeleinstellungen.

Der senkrecht montierte Außentisch verhindert das Rausrollen bei Seegang.

Wir wechseln in etwa im 2 Stunden Rhytmus. Im Salon haben wir wieder den rausfallsicheren Liegeplatz aufgebaut, damit man sich auch bei heftiger Schräglage noch irgendwie entspannen kann.

Diese Wettervorhersage aus dem Portal windy.com stand uns bei der Planung der Rückreise zur Verfügung.

Der 19.7. ist ein ganz passabler Segeltag. Im Laufe der Nacht dreht der Wind allmählich von Süd auf Nord. Ein Tiefdruckgebiet zieht von Westen auf die Nordsee. Der sich entwickelnde Nordwind wird uns gen Süden bringen.

Auf der Vorhersage zeichnet sich bereits ab, dass es weiter östlich ganz schön windig werden wird.

Am Vormittag des 20.7. setzen wir die Schmetterlingssegelstellung, sichern das Großsegel gegen ungeplantes Halsen und steifen die Genua mit einer Stange aus. Der Spaß währt nur kurz, da der Wind für diese Formation zu stark wird.

Lars beim Rückbau unserer Schmetterlingskonstruktion.

Im weiteren Verlauf des Tages müssen wir mehrfach die Segelfläche reduzieren. Am Abend legt der Wind nochmal auf 6 -7 Beaufort zu, in Böen 8. Zuvor hatten wir sinnvollerweise das 2. Reff ins Großsegel eingezogen. Jetzt verkleinern wir mehrfach hintereinander die Rollreff Genua. Zum Schluss bleibt für die Nacht ein handtuchgroßer Ausschnitt des Vorsegels stehen.

Die minimale Segelfläche reicht bei der Windstärke aus, uns mit 6-7 Knoten voran zu bringen. Gelegentlich überrollen seitliche Wellen das Schiff. Dann tropft es innen schon mal durch die Entlüftungsklappen. Die Feuchtigkeit im Schiff dehnt die Hölzer. Wie auf der Hinfahrt, fängt das Schiff an zu quietschen und zu knarren.

Die Wellen kommen von der Seite.

Der Starkwind bleibt uns auch am Donnerstag, den 21.7. bis zum Nachmittag erhalten. Dann nimmt der Wind langsam ab.

Es ist ein unangenemer Segeltag. Nach 2 Stunden Rückzug zur Linderung der Erschöpfung sieht der Alltag in etwa so aus: zunächst quält man sich zur Toilette, immer eine Hand an irgendeinem Griff. Das Schiff hat Schäglage und jede Welle, insbesondere jede seitliche Welle erzeugt zusätzliche Bewegungen und damit notwendige Festhaltemaßnahmen, damit man nicht durchs Schiff fliegt. Auf der Toilette gelingt es mir mitunter, nach Benutzung mich mit Kopf, Ellenbogen und Beinen irgendwo fest zu drücken, um noch eine Hand z.b. fürs Spülen frei zu bekommen.

Das Anziehen der Segelmontour in diesem bewegten Schiff ist nicht weniger anstrengend. Ein Arm wird regelmäßig zum Festhalten benötigt. Jetzt mit dem freien Arm irgendwie in die Regenjacke rein rutschen, diese dann auf die andere Seite bringen, jetzt mit dem fertig angezogenen Arm die Körperposition am Griff sichern, den nun frei gewordenen 2. Arm in eine Position bringen, in der er in den Arm der Regenjacke reinrutschen kann.

Das anziehen der Schwimmweste gestaltet sich etwas leichter, da die Öffnungen für die Arme größer sind. Und schon ist man fertig – fertig angezogen und fertig von den akrobatischen Übungen, die man vollbringen musste.

Insgesamt ist es unten ein gefährlicher Aufenthaltsort. An diesem Tag fliegen Lars und ich beide einmal quer durchs Schiff, da wir uns jeweils nicht mit wenigstens 1 Hand gesichert hatten. Zum Glück ist uns nichts passiert.

Dieser Segeltag ist für weitere Überraschungen gut. Kaum habe ich den Aufstieg ins Cockpit geschafft und noch bevor ich mich am Sicherungsgurt angeseilt habe, grüßt Neptun mich mit einer frechen seitlichen Welle, die mir über Kopf und Jacke rauscht. Ich fühle mich wie ein begossener Pudel und fange zugleich zu Lachen an, da die Situation so komisch ist. Nur schade um die zuvor trockene jetzt triefende Jacke.

Der Wind und die Wellen sind zwar heftig, aber wir kommen gut voran. Noch nördlich des großen Verkehrstrennungsgebietes vor den friesischen Inseln ändern wir unseren Kurs in Richtung Osten.

Im Laufe des Freitags, dem 22.7. taucht ein neues Problem auf. Das Haupttablet, welches uns als elktronische Karte dient mit Anzeige der großen Schiffe über das AIS System, lässt sich nicht mehr laden. Die Funktionen sind noch vorhanden, aber die Restkapazität der Batterie von jetzt noch 49% wird bei Normalgebrauch nicht bis zum Ende der Reise ausreichend sein. Wir reduziefen die Helligkeit und nutzen das tablet ab sofort nur in kritischen Situationen.

Jetzt navigieren wir auf der papierhaften Karte. Lars trägt gewissenhaft regelmäßig unsere Position mit Bleistift auf der Karte ein.

Nun verstehe ich, dass der Gesetzgeber papierhafte Karten vorgeschrieben hat. Ich hatte ja das Risiko eines Ausfalls der elektronischen Karte in Betracht gezogen und deshalb 2 autonome tablets mit 2 unterschiedlichen Kartensystemen mitgenommen. Das beide tablets ausfallen könnten, hielt ich für unwahscheinlich.

Die papierhafte Navigation ist allerdings träger. Man kann den Kurs ja nicht permanent eintragen und so passiert es während meiner Schicht, das wir ins Verkehrstrennungsgebiet gelangen – und zwar auf die falsche Spur. Wir sind jetzt Geisterfahrer – checken unsere Position nochmal mit dem ladegehemmten tablet und weichen dann 90° von unsere Kurs in Richtung Westen ab, um möglichst schnell aus der falschen Spur heraus zu kommen. Zum Glück war hier gerade nicht viel Verkehr.

Am Ende des Verkehrstrennungsgebietes weist uns eine Tonne, die wir auch auf der Karte identifiziert haben, den Weg zur Elbe. Gleichzeitig beunruhigt mich eine Armada von Monsterschiffen, die noch vor der Elbe unter Anker liegen. Liegen die hier, weil kürzlich die Hafenarbeiter gestreikt haben und es ggf. zu wenig Ladekapazität gibt? Oder warten die auf die Flutwelle, mit der sie nach Hamburg wollen?

Bald sehen wir die Insel Helgoland und haben dann auch Netzempfang. Den verwenden wir für die Nutzung eines Online Seekartenprogramm, sodass wir jetzt wieder ein elektronisches Modell unserer Route haben.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Im Meer von weiss flakkernden Lichtern, grünen und roten wegweisenden Bojen, heller Beleuchtung von Fischereibooten, grünen und roten Positionslampen von Schiffen fällt es schwer, das alles richtig zu interpretieren. Wir müssen zu zweit an Deck bleiben, um die Wirklichkeit gemeinsam zu deuten.

Zu Beginn hilft dabei auch die Online Seekarte auf dem Mobiltelefon. Nur irgendwann meldet die Anwendung, dass die Nutzungszeit für die Karte nunmehr abgelaufen sei.

Jetzt müssen wir uns auf unsere Sichtweise des nächtlichen Verkehrs verlassen. Das Fahrwasser ist etwas übersichtlicher geworden, aber die Armada der Handelsschiffe reitet auf der Flutwelle in Richtung Hamburg. Permanent überholen uns diese Monster. Ein entgegen kommendes Schiff scheint uns nicht zu sehen, sodass Lars per Funk den Kapitän auf uns aufmerksam macht.

Langsam dämmert es, was die Deutung des Geschehens vereinfacht.

Wir freuen uns über die gesunde Ankunft in Cuxhafen.

Am Samstag, den 23.7. um 6:40 Uhr legen wir in der Marina von Cuxhaven an. Wir sind sehr froh, jetzt angekommen zu sein. Wir räumen das Schiff noch auf und bauen die rausfallsichere Koje zurück.

Dann fallen wir erschöpft in unsere Betten.

31.5.2022: von Thyboron nach Schottland

Kreuzfahrt nach Schottland

Nun ist es endlich so weit: wir haben abgelegt in Richtung Schottland. Seit einem halben Jahr war ich mit der Vorbereitung dieser Tour beschäftigt. Das Boot klar kriegen, sich mit dem Segelgebiet beschäftigen, die Tour planen, die Ausrüstung ergänzen, Mitsegler finden, mich mit der Familie abstimmen, all das war notwendig, diesen Augenblick des Aufbruchs zu erleben.

Die Stimmung beim Ablegen ist super. Unterwegs werden wir noch Wasserproben in den Öl- und Gasfördergebieten vornehmen – wir hoffen, dass diese Proben hilfreich für Wissenschaftler sein werden, die sich mit Meeresschutz auch in den Sonderwirtschaftszonen der Nordsee beschäftigen. Das Wasser hält sich nicht an Grenzen – wenn es dort verschutzt, ist es auch in Naturschutzzonen verschmutzt.

Lars bei Entnahme einer Wasserprobe aus der Nordsee
Entnahme einer Wasserprobe während des Segelns

Wir segeln bei 2-3 Windstärken unter Vollzeug über die Nordsee. Bisher verläuft alles nach Plan.

Zur Nacht setzen wir ein Reff in das Großsegel und verkleinern die Genua. Lieber Nachts mit weniger Tuch unterwegs sein, als bei aufbrausenden Winden im Dunkeln die Segel bändigen zu müssen.

Wir hatten Details der Route und Berücksichtigung der Winddaten überarbeitet. Der Wind kommt aus Nordwest. Später soll er etwas zu unseren Gunsten drehen. Unser erster Schlag geht leicht in südwestlicher Richtung. Die Höhe, die wir jetzt verlieren, wollen wir uns bei drehendem Wind zurück holen.

Gegen 22.00 Uhr haben wir 30 Seemeilen unserer Planstrecke zurück gelegt.

Der polare Wind aus dem Norden ist eisig. Innen sind es immerhin noch 14 Grad. Bei meiner ersten England Tour vor 3 Jahren hatte mich die Kälte geschafft – dieses mal fühle ich mich besser vorbereitet: warme Funktionsunterwäsche, Skihose und Skihandschuhe sollten doch zum Segeln im Juni ausreichend sein. Aber in meinen Gummistiefeln frieren mir die Füße ein. Die Wärmflasche an Bord wird unser beider ständiger Begleiter in den nächsten Tagen sein.

Unser Rückzugsort für Verschnaufpausen.
Rückzugsort ohne aus dem Bett zu fallen

Nachts müssen wir jetzt gelegentlich den Motor im Leerlauf mitlaufen lassen, um die Verbrauchsstrombatterie zu laden. Das Solarpanel liefert bei Teilbewölkung keinen ausreichenden Strom für Kühlschrank, Selbtsteuerungsanlage, Funk, Schiffsbeleuchtung und Kartendisplay.

Leider dreht der Wind in dieser Nacht nicht zu unseren Gunsten. Wir müssen kreuzen. Eine ungwöhnliche Kreuzfahrt auf einem 8,6 m Segelboot. Die Natur kommt uns dafür bei der Orientierung entgegen. Ab 2:30 Uhr wird es wieder heller.

1.6.2022: Tag 2 der Nordsee Querung

Ab 2:30 Uhr beginnt die Dämmerung

Am Morgen wird das Meer unruhiger. Es entsteht eine ungemütliche Kreuzsee. Da kommen Wellen aus unterschiedlichen Windrichtungen zusammen. Im Laufe des Tages nimmt der Wind auf 5-6 Beaufort zu. Wir reffen mehrfach die Genua und schließlich setzen wir ein zweites Reff im Großsegel.

Irgendwie schräg

Die Wellenhöhe nimmt bis zum Abend auf 3m zu. Es regnet. Im Logbuch werden die Einträge jetzt seltener. Der letzte Eintrag an diesem Tag lautet: „Alles ist feucht.“

2.6.2022: Tag 3 der Überfahrt

Es ist jetzt klar, dass unser Zeitplan unhaltbar ist. Von den ursprünglich 357 Seemeilen liegen um 11:00 Uhr immer noch 273 Seemeilen vor uns. Das ständige Kreuzen kostet viel Kraft und bringt nur eine kleine Verringerung der Distanz zum Ziel. Die Einträge im Logbuch werden geringer. Die Wellen erreichen Höhen von 4-5 Metern. Zum Fotografieren fehlt jetzt eine stabilere Umgebung.

Unten im Boot kann man sich kaum noch aufhalten. Jeder Toilettengang wird zur akrobatischen Höchstleistung. Mein Mitsegler Lars hat Seekrankheitssymptome. Zum Glück behält er die eingenommenen Reisetabletten bei sich.

In der Phase sehr hoher Wellen müssen wir per Hand steuern. ZERO taucht nie tief in die Wellen ein. Die Wellen werden länger und das geräuschvolle und die Statik belastende Klatschen des Schiffes auf ein kurz folgende Welle hört zum Glück auf.

3.6.2022 Tag 4 der Überfahrt

Der Wind dreht bis mittags endlich zu unseren Gunsten. Wir müssen nicht mehr kreuzen und können jetzt direkt nach Westen fahren. Der Seegang geht auf ein erträgliches Maß zurück. Es bleibt aber bei Windstärke 4-5 Beaufort.

Im Boot ist alles feucht. Beim hohen Seegang haben uns in der Nacht auch von der Seite hohe Wellen erwischt. Mindestens eine hat das Boot überspült und die Entlüftungskästen geflutet, sodass es trotz ihrer widerständigen Konstruktion aus einem Entlüftungsschacht tropfte. Andere Undichtigkeiten konnte ich noch nicht identifizieren.

Es gibt positives zu berichten. Unsere Körper haben sich jetzt endlich auf die Bewegungen des Schiffes eingestellt. Es ist uns nicht mehr schlecht. Unser Konzept, im 2 Stundenrhytmus zu wechseln, hat sich eingepegelt. Die Konstruktion des mittschiffigen gesicherten Entspannungsplatz hat sich bewährt. Beide kommen wir wechselnd zu entspannenden kurzen Schlafphasen. Wir teilen uns die hoch im Kurs stehende Wärmflasche, denn es ist immer noch bitter kalt.

Der Zustand des Chaos erzeugt Sehnsüchte nach Normalität. Wir brauchen nach 3 Tagen Wasser, Knäckebrot und Keksen mal wieder was warmes zum Essen. Das vorbereitete leckere Tabulet will keiner haben, es ist zu kalt. Trotz Schräglage gelingt es mir, ein Paprika Reisgericht hin zu zaubern, das wir gerne verspeisen und das unsere Stimmung hebt.

Kochen bei Schräglage erspart den extra Gymnastik Termin

4.6.2020 Tag 5 der Überfahrt

In der Nacht durchfahren wir ein riesiges Gas- und Ölfeld in der Nordsee. Ich hatte mich vorher erkundigt, ob das zulässig ist für Segler. Ja, aber man muss zu den einzelnen Stationen mindestens 500m Abstand halten.

Kein Problem, 500m Abstand kriegt man hin. Im Halbschlaf werde ich von einem Funkspruch geweckt. „You are not allowed to enter this way. It is an industriell zone.“ Huch, meinen die uns? Plötzlich fühle ich mich unsicher, ob meine Informationsquelle Bestand hat. Es gibt mitten in der Nacht eine Krisensitzung im Cockpit. Dabei schauen wir überblicksmäßig auf das Kartendisplay und sehen eine Ansammlung von dutzenden AIS Signalen. Damit geben größere Schiffe ihre Position, Fahrtrichtung, Namen und Geschwindigkeit bekannt, sichtbar für alle, die dieses AIS Signal empfangen können.

Neben der rechtlichen Unsicherheit stellt sich jetzt die pragmatische Frage: wie wollen wir da nachts heile durchkommen? Es fühlt sich zunächst so an wie die Frage: wie fahre ich mit einem Fahrrad im Dunkeln über Autobahnkreuze im Ruhrgebiet. Wir überlegen folgende Alternativen:

  • Ausbruch aus dem Gas- und Ölfeld nach Süden, dort großräumiges Umfahren dieses Feldes. Nachteil: wir werden mimdestens einen weiteren Tag verlieren.
  • Umfahren des Feldes im nördlichen Bereich. Nachteil: wir müssten wieder gegen den Wind segeln, d.h. kreuzen. Auch diese Lösung würde uns mindestens einen weiteren Tag kosten.
  • Wir fahren vorsichtig zwischen den Industriegiganten hindurch

Bevor wir uns entscheiden, prüfen wir nochmals dir rechtliche Lage. Das Standardwerk für Segler in England, der Reeds Almanach bestätigt meinen Informationsstand. Wir dürfen da durch, müssen aber Abstand halten und im besonderen auf die betriebsamen großen Öltanker obacht geben, die standardmäßig auch an Wochenenden und in der Nacht hier unterwegs sei können.

Wir zoomen uns in Details der Karte. Je detaillierter die Sicht, desto größer werden die Abstände der einzelnen Kartenobjekten. Da ist doch eine Menge Platz für uns! Wir entdecken auch eine Beschreibung einer gestrichelten Linie: recommended traffic lane. Jetzt sind wir ganz sicher über die Rechtmäßigkeit unseres Vorgehens. Wir werden also teilweise dem empfohlenen Verkehrsweg folgen und wenn wir unsere geplante Route erreichen, werden wir dieser Route weiter folgen.

Exkurs: Das Satellitentelefon

Bei der Vorbereitung habe ich mich entschieden, ein Satellitentelefon zu mieten oder zu kaufen. Bei der Länge der Gesamttour wäre eine Miete ähnlich teuer wie ein Kauf.

Bei den unterschiedlichen Netzen schien das Thuraya Netz relativ günstig zu sein und die Netzabdeckung soll angeblich auch die Shetland Inseln umfassen. Die Abdeckung ist begrenzt, da das Thuraya Netz nur mit einem (ggf. 2 wenn die Ausbaupläne schon umgesetzt sind) geostationären Satelliten arbeitet. Nach der Anschaffung haben wir ein Telefonat als Test durchgeführt. Vom Grundsatz her hat das geklappt, wenngleich die angerufene Station Schwierigkeiten mit der Verständlichkeit hatte.

Desweiteren habe ich die Funktionalität der von Thuraya zur Verfügung gestellten App getestet, mit der man über das Internet für den sendenden kostenfrei eine SMS an die angegebene Thuraya Nummer schicken kann. Das hat gut geklappt. Das wars dann mit meinen Tests.

Nun mussten wir unseren Terminverzug den Angehörigen melden und haben denen vom Thuraya Netz Sms Nachrichten gesendet. Das Problem war, dass diese Nachrichten nicht angekommen sind. Zu Recht hat meine Frau sich Sorgen gemacht, denn vereinbart war, dass wir einmal täglich eine Nachricht senden.

Erst als besorgte Nachfragen kamen, warum wir uns nicht melden, ahnten wir, dass da was nicht stimmt. Und richtig: in der Begleitinformation des Verkäufers gab es den Hinweis, dass die meisten Netze Thuraya SMS nicht weiter leiten. Die von Thuraya alternativ angebotene Lösung, über eine spezielle Nummer SMS Nachrichten in Emails umzuwandeln, hat bei uns in 3 von 4 Fällen nicht funktioniert. Wir sind dann auf Sprachnachrichten umgestiegen. Die Empfänger haben zwar nur wenig verstanden, aber immerhin so viel, dass es uns gut geht.

Wer also ein Satellitentelefon nutzen möchte, sollte es vor dem Einsatz gründlicher testen, als wir das gemacht haben.


Da wir schon einiges an Zeit verloren haben, entscheiden wir uns in dieser Nacht, nicht mehr bis Peterhead sondern gleich bis Inverness zu fahren. Jetzt sind wir im Langfahrt Modus und hier noch mal zurück zu schalten um anschließend von Peterhead dem Termin hinter her zu fahren, erscheint uns wenig sinnvoll. Wir packen hier lieber noch einen Tag drauf.

Jetzt haben wir wieder einen Plan, was die Stimmung deutlich entspannt. Lars ist ebenfalls wohlgemut und funkt in der Nacht einen Tanker an, dessen Kurs ihm nicht gefällt. Lars bittet das Handelsschiff um eine klekne Kurskorrektur. Der Tanker fragt unsere Position ab und verspricht anschließend, etwas zu warten, damit wir unter Segel vor ihm durchfahren können. Sehr freundlich, oder haben die sich auf der Brücke sehr darüber amüsiert, von einem kleinen Segler um Kurskorrektur gebeten zu werden?

5.6 2022: Tag 6

Allmählich lässt der Wind nach. Zwischenzeitlich ist es uns gelungen, per Satellitentelfon aktuelle Wetterdaten herunter zu laden und es wird klar, dass wir den Motor jetzt länger in Anspruch nehmen werden. Wir füllen unterwegs den Tank mit Diesel aus dem Reservekanister.

Gegen 15.00 Uhr starten wir den Motor. Es sind jetzt bis Inverness noch ca. 100 Seemeilen. Wir sind jetzt im offenen Meer und haben die Gas- u d Ölförderzone verlassen. Allmählich kehrt Entspannung ein. Die See ist zur Ruhe gekommen.

Wir lösen den Notschlafplatz auf. Die Steuerung hat der Autopilot übernommen. Wir überwachen die Fahrt jetzt von innen. Für gelegentliche Kurskorrekturen reicht es aus, die Plastikscheibe beim Niedergang etwas hoch zu schieben und den Kurs per Tastendruck auf der Kontrollstation zu verändern. Das Kartendisplay liegt nunmehr auf dem Kartentisch. Wir beobachten die Eintragungen auf der Karte, den Kurs und die Kurse der anderen Schiffe, die wir über das AIS System auf der Karte sehen.

Wir werden voraussichtlich am kommenden Nachmittag in Inverness ankommen.

6.6.2022 Tag 7: Ankunft in Inverness und Einreise ins Königreich

Die Navigation und Überwachung läuft wie am Vortag eher nebenbei. Wir müssen uns jetzt um die Einreiseformalitäten in ein nicht EU-Land kümmern.

Gestern haben wir an der Backbordseite bereits die gelbe Flagge gesetzt. Die besagt: es sind alle an Bord gesund, der Zoll kann das Schiff jederzeit betreten, wir sind abfertigungsbereit.

Als nächstes müssen wir uns bei der national yachtline telefonisch anmelden. Bereits vor Wochen habe jch ein umfangreiches Formular vorausgefüllt. Zum damaligen Zeitpunkt sollte man dieses Formular bereits bei Abreise abschicken. Nicht ganz einfach, den Zielhafen immer zu treffen, den man geplant hat, z.B. wenn sjch der Wind ändert. Jetzt reicht es aus, dieses Formular vor dem Erreichen des Zielhafens abzuschicken. Aber bitte nicht länger als 4 Stunden vor Anreise.

Im Formular muss ich angeben, ob ich für das Schiff in England Mehrwertsteuer gezahlt habe. In einem Freifeld darf ich ergänzen, dass das Boot in Deutschland gebaut wurde und dort vermutlich Mehrwertsteuer gezahlt wurde. Auf meiner Kaufrechnung ist diese nicht ausgewiesen da das Boot von einem Privatbesitzer verkauft wurde. Das könnte ausreuchen, dass die Behörde akzeptiert, dass da vom vereinigten Königreich keine Einnahme mehr zu erwarten ist. Mit die Uhrzeit mit der Ankunftszeit in Stunden, Minuten und Sekunden (!) könne ich ungefähr stehen lassen. So die Aussage der natinal yachtline.

Wir entscheiden uns, das Formular 3 Stunden vor ungefährer Ankunft abzuschicken. Nur kurze Zeit später bekommen wir eine Bestätigung der national yachtline, dass das Formular abgekommen ist. Zuständig für die Entscheidung zur Einreuse seien jetzt „the local Boarder Force authoritees“. Die würden jetzt eine Klärung zur Einreise herbei führen. Vorher dürfen wir nicht die gelbe Flagge herunternehmen und auch nicht von Bord gehen.

Angekommen in Schottland.
Das Schiff ist schon mal in Schottland. Es fehlt nur noch die Einreiseerlaubnis.

Als wir in Inverness ankommen, gibt uns der Hafenmeister eine Telefonnumer der local Border Force authoritees.

Nur drei Telefonate später gibt uns Officer Scott die Erlaubnis einzureisen. Wir dürfen die gelbe Flagge einholen und die Landtoilette benutzen.

Nach 7 Tagen wird es Zeit, dass wir endlich wieder duschen können und dürfen.

29.5.2022: von Attrup bis zur Insel Jegindö im Limfjord

Es wird heute ein richtig spannender Segeltag.

Vor dem Ablegen nehmen wir uns die Zeit, die vom italienischen Künstler Elton Kore gestaltete Genua aufzuziehen. Ein Schweinswal symbolisiert unsere Sehnsucht nach sauberen Ozeanen.

Dann müssen wir erst einmal einige Stunden unter Motor laufen, da der Wind von vorne kommt. Der ist heute bitterkalt, aber es ist trocken und gegen Kälte kann ich mich besser schützen als gegen Nässe.

Wir passieren im Laufe des Tages zwei weitere Brücken, mit denen Dänemark zusammen gehalten wird.

Beim Warten vor der Aggersund Brücke begegnen uns einige Seehunde. In sicherer Entfernung scheinen sie uns zu beobachten. Dann tauchen sie plötzlich ab, um das Geschehen von anderer Perspektive zu betrachten. In den flachen warmen Gewässern des Limfjords finden sie eine gute Nahrungsgrundlage.

Dreimaster vor der Aggersundbrücke
Vor der Aggersundbrücke kommt uns dieser Dreimaster entgegen.

Nach der etwa 3 stündigen Fahrt unter Motor bekommen wir reichlich Wind, der uns gut vorran bringt. Mehrfach reffen wir die Segel, um unsere Fahrt an Stärke und Richting des Windes anzupassen.

Am Abend haben wir über 40 Seemeilen zurück gelegt und unser Ziel erreicht, möglichst nah an Thyboron heran zu kommen. Von dort aus wollen wir übermorgen die Nordsee bis Schottland queren.

28.5.2022: von Hals bis Attrup im Limfjord

Nach 2 zusätzlichen erforderlichen Übernachtungen in Hals aufgrund eines 2. Sturms auf dieser Reise können wir heute endlich weiter im Limfjord in Richtung Osten reisen.

Es ist ein wunderschöner Tag des sportlichen Segelns. Bis Aalborg müssen wir kreuzen. Mit Motor alleine ist aufgrund der bremsenden Welle kein Fortkommen.

Die Brückenöffnung in Aarlborg schaffen wir um 15.00 Uhr
Die Straßenbrücke von Aarlborg

In Aalborg schaffen wir die 15.00 Uhr Brückenöffnung, danach soll laut Ankündigung aufgrund eines Karnevalumzuges für die nächsten 2 Stunden die Brücke nicht mehr geöffnet werden.

Auf die Öffnung der nächsten Eisenbahnbrücke müssen wir eine viertel Stunde warten, da gerade einige Züge dort verkehren.

Am morgen haben uns die zahlreichen Wendemanöver in Trab gehalten, jetzt sind es die häufig erforderlichen Änderungen des Segelsettings. Der Wind kommt gelegentlich direkt von vorne, sodass wir die Segel bergen müssen. Dann ist wieder Raum, um zumindest das Vorsegeln auszurollen. Nach so einem Trainingstag können wir uns als Team bald zu einer Regatta anmelden.

Am Abend entscheiden wir uns für einen kleinen und ruhigen Hafen in Attrup.

Im Hafen von Attrup.
Im Hafen von Attrup.

Nach diesem anstrengenden Segeltag fallen Lars und ich nach einem kurzen Abendessen erschöpft in unsere Betten.

25.5.2022: von Grenaa nach Hals im Limfjord

Nachdem ich gestern Lars als Mitsegler für die Nordseequerung vom Bahnhof abgeholt habe, sind wir zu Fuß mit Gepäck die ca. 3 km lange strecke zum Hafen gelaufen.

Lars engagiert sich für Meeresschutzthemen. Letztes Jahr haben wir auf der Ostsee zusammen eine Tour gemacht, bei der Proben der Ostsee entnommen wurden, die später im Labor von One Earth one Ocean untersucht wurden. Bei fast allen Proben wurden unterschiedliche Microplatik Partikel identifiziert. Eigentlich wollten wir diese Probeentnahme mit anschließender Laboruntersuchung mit einer geänderten Technologie fortsetzen.

Leider hat diese Technologie Mängel aufgewiesen, die vor Abreise nicht mehr zu beseitihen waren.

Nunmehr hat Lars recherchiert und festgestellt, dass es ein Interesse an Wasserproben in der Nähe von von Ölplattformen oder von Rohstofabbauzonen am Meeresgrund gibt.

Hier geht es lang.

Mal schauen, ob wir da etwas liefern können.

Unser erster gemeinsamer Seegeltag startet um 9:00 Uhr. Das Ablegen hat gut geklappt, obwohl wir vergessen hatten, die Schoot am Baum zum montieren. Kleine Pannen passieren halt.

Wir schaffen an diesem Tag ca. 42 Seemeilen von Grenaa bis Hals an der Einfahrt in den Limfjord.

Das Wetter bei dueser Fahrt ähnelt der Beschreibung des Wetters in Schottland: 4 Jahreszeiten an einem Tag. Morgens ist es so kalt, dass ich mch für Nierengurt und lange Unterhose entscheide. Als es etwas aufklart, wärmt uns die Sonne ein wenig.

Der Wind steht günstig und bringt uns zunächst mit 6 Knoten voran. Später ziehen schwarze Wolken auf, aus denen es im Hintergrund gewitterig grummelt. Der Wind schläft zunächst ein, was die Wolkenfront mit sich bringt, bleibt uns unklar.

Was bringen uns die schwarzen Wolken?
Was bringen uns die schwarzen Wolken?

Als der Wind wieder aufwacht, entschließen wir uns, das Großsegel herunter zu nehmenn und die Genua auf 1/3 der Fläche zu reduzieren. Gerade noch rechtzeitig, denn die schwarzen Wolken bringen außer Regen eine kräftige Brise mit, die uns mit nur der gerefften Genua mit 5 Knoten voran bringt.

Später dann verabschiedet sich der Wind für den heutigen Tag und wir müssen zur Weiterfahrt den Motor starten, der uns sicher durch die schmale Einfahrt in den Limfjord bringt.

22.5.2022 von Aarhus nach Ebeltoft

Sonnenuntergang im Hafen von Ebeltoft

In Aarhus machen wir am Vormittag noch einen Stadtspaziergang. Die reiche Stadt hat sich um den Hafen entwickelt. Mit Schnellfähren sind umliegende Inseln (z.B. Samsoe) und Hauptverkehrswege gut zu erreichen.

Um 14:30 heißt es dann Abschied nehmen und Leinen los. Auf der Karte habe ich auf der Strecke nach Grenaa einen kleinen Hafen in Ebeltoft entdeckt, etwa 20 Seemeilen von Aarhus entfernt.

Das Wetter ist freundlich und der halbe Wind gnädig, 3-4 Beaufort bringen mich ohne Stress zum Ziel. Allerdings gilt es, auf die Schnellfähren zu achten. Als Riesenkatamarane gebaut durchpflügen sie mit über 30 Knoten das Wasser. Da schalte ich lieber das AIS System an, dass mir die Fähren auch auf dem Kartendisplay anzeigt.

Einfahrt in den Oer Maritime Havn in Ebeltoft
Einfahrt in den Maritime Havn nahe Ebeltoft

Um in den Hafen einzufahren, geht es ersteinmal durch ein kleine Schleuse. Der kleine Hafen gehört zu einer Ferienhausanlage und wurde in den 80ger Jahren gebaut.

Mir gefällt es hier für fiesen abend. Es ist sehr ruhig und sicherlich ließ sich hier ein scjöner Spaziergang in die einladende Umgebung außerhalb des Schilgürtels machen. Heute habe ich dszu keine Energie mehr.

17.6.2021: Start der Aktionswoche Segeln fürs Meer

Nach der Parade zum Start von Arved Fuchs Ocean Change Expedition segeln wir zunächst einmal zurück nach Kiel zur Kiellinie. Unsere Begleiter von Ocean Summit bleiben in Kiel und wir freuen uns, dass Anna von der Organisation Deepwave.org uns ab Kiel die ersten Tage begleiten wird.

Lars und Anna
Der Initiator und Mitsegler Lars; Anna von der Organisation deepwave.org

Die Aktionswoche wurde von Lars ins Leben gerufen. Über eine Anzeige bei Hand gegen Koje haben wir uns kennen gelernt. Ich bin froh über den Ansatz, vielleicht einen kleinen Beitrag zum Meeresschutz leisten zu können.

Lars und ich wollen eine Woche unterwegs sein, möglichst wenig Plastik an Bord verwenden und möglichst 1-2 Proben mit dem Manta Trawl aus der Ostsee entnehmen. .

Da das Wetter ideal ist und jetzt Mitte Juni die Nächte sehr kurz sind, entschließen wir uns noch heute am späten Nachmittag in Richtung Fehmarn aufzubrechen. Dort wollen wir in der Bucht vor Orth ankern und uns etwas ausruhen. Morgen soll dann die erste Probe entnommen werden.

Die Fahrt ist zwar einigermaßen ruhig und trocken, aber unten im Schiff ist es dann doch etwas wackelig. Wir trainieren unsere Mägen und unser Gleichgewichtsorgan, mit der Bewegung des Schiffes umzugehen. Bei Sichtkontakt zum Horizont klappt dies besser als unten im Schiff.

Die Überfahrt nach Fehmarn ist grandios. Bei gutem Wind und trockenem Wetter genießen wir diese Strecke.

Leider müssen wir um das Übungsgebiet der Bundeswehr nördlich herum fahren, da im Rahmen der Nato Übung BaltOps scharf geschossen wird. Wir haben an Bord das Funkgerät eingeschaltet, um frühzeitig vom Übungsende für diesen Tag zu erfahren.

Früh morgens gegen 4:00 Uhr ist die Dämmerung schon weit fortgeschritten

Segeln nachts im Juni bei schönem Wetter ist für mich immer etwas sehr besonderes. Die frühe Dämmerung fühlt sich an, als sei die Natur mit uns gnädig.

In der Bucht vor Orth ankern wir einige Stunden und holen uns etwas von dem verlorenen Schlaf zurück.

18.6.2021 Die Tour, die Test Probenentnahme und die Schweinswale

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Tour unserer Probenentnahme während der Aktion Segelen fürs Meer

Die Tour, der erste Test und die Schweinswale

Nach Ankern in der Orther Bucht wollen wir heute unsere erste Probe mit dem Manta Trawl nehmen. Wir tracken diese Tour Locus Map pro, einem freien Navigationssystem, allerdings mit Karten ohne Tiefenangaben. Wir setzten immer einen Messpunkt, wenn das Trawl im Wasser ausgebracht wird und markieren den Ort, an dem wie das Manta Trawl wieder bergen.

Damit haben wir sowohl die Zeitpunkte als auch die Geodaten der Messungen dokumentiert.

Unser Test „Probe Null“ machen wir gleich am Ende der Orther Bucht auf einem Kurs, den wir 30 Minuten nicht ändern müssen. Die Probe erfolgt unter laufendem Motor.

Segeln fürs Meer
Das Mants Trawl zum ersten Mal im Einsatz für unsere Probe 0

Wir spülen des Manta Trawl mit Salzwasser ab, öffnen den am Ende des Trawls befindlichen Kescher und leeren den Inhalt in das dazugehörige Sieb zur optischen Voranalyse des Trawl Inhaltes.

Das erste Ergebnis ist etwas ernüchternd. Das Trawl ist vor allem voll Grünzeug („Salat“ etwas spöttisch von uns getauft). Es finden sich Grünalgen, Blasentang, abgerissene Seegrasblätter und vieles weitere an organischem Material in den Proben, so auch Marienkäfer und andere Spezies, die eigentlich an Land leben.

Das grobe organische Material entfernen wir aus dem Sieb und werfen es ins Meer.

Ergebnis der Probe Null nach Entnahme des groben organischen Materials

Der Rest enthält zwar immer noch organisches Material, jetzt wird allerdings die Sortierung mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln schwierig. Wie zuvor mit dem Laborleiter von OEOO abgestimmt, spülen wir den kompletten Inhalt in ein gesäubertes Marmeladenglas und beschriften es mit „Probe 0“.

Später erfahren wir, dass die Orther Bucht als ein weitgehend funktionierendes Ökosystem betrachtet wird. Ob hier noch Mikroplastik im Sieb enthalten ist, muss das Labor klären.

Wir entscheiden uns, als nächstes Ziel Wismar anzusteuern und werden in der Nacht vor der wunderschönen Insel Poel ankern.

Auf dem Weg dorthin begegnen wir 3 Schweinswalen.

Schweinswale auf dem Weg nach Wismar

Es war schwierig, diese scheuen Tiere vor die Kamera zu bekommen. Meistens hört man nur die Schweinswale, wenn sie kurz auftauchen und aus- und einatmen. Bevor man die Kamera ausgerichtet hat, tauchen sie schon wieder ab. Für die zusammengeschnittene Szene haben wir ca. 5 Minuten Videomaterial aufgenommen.

19.6.2021 Von Poel nach Wismar

Morgens holen wir den Anker ein und Segeln zunächst in Richtung Norden, um tiefere Gewässer zu erreichen. Es macht den Eindruck, dass bei einer Wassertiefer über 15m sich weniger organisches Material letztendlich im Kescher sammelt.

Nach dem Einsammeln der Probe bereitet Lars schon mal das Essen vor. Lars ist überall aktiv, als Steuermann, als Koch und vor allem beim Ausbringen und Bergen des Manta Trawls.

Anschließend segeln wir in Richtung Wismar, wo Anna von der Organisation Deepwave.org von Bord gehen wird.

Segeln-fürs-Meer Anna von Deepwave.org
Anna von Deepwave.org hat uns einige Tage begleitet

Anna hat uns einen Kurzlehrgang zu social media gegeben und mit uns lange und ausgiebige Diskussionen auch zum Meeresschutz geführt. Sie hat unsere Aktion mit zahlreichen Fotos dokumentiert. Vielen Dank für die viele Anregungen, die du uns gegeben hast!

Abendstimmung im Hafen von Wismar

Wir landen in einem Gästehafen von Wismar, zentral gelegen mit morbider Industrieromantik. Die Hafenanlage ist etwas runter gekommen, aber die Sanitäranlagen sind komplett erneuert. Zur schönen Altstadt von Wismar sind es nur wenige Minuten.

20.6.2021 Von Wismar nach Kühlungsborn

Am morgen bergen wir zunächst einmal das wunderbare Banner von Deepwave.org.

Jeden Abend, so auch gestern, wenn ich schon auf Feierabendbetrieb umschalte, erwachen in Lars neue Energien und er verwandelt das Boot in ein schwimmendes Statement. Mancher kommt vorbei und spricht uns an. Die Reaktionen sind erwartungsgemäß kontrovers, aber immerhin: man kommt ins Gespräch.

Wir verlassen den Hafen von Wismar und wollen heute bis Kühlungsborn kommen.

Wo bleibt eigentlich das ganze Holz?

Am Industriehafen in Wismar werden Holzberge zur Verladung vorbereitet. Wo geht das Holz hin? Wohl an den Käufer, der am meisten zahlt, und das sind derzeit häufiger die USA und China.

Wir entfernen uns vom Grollen eines Gewitters, dass in Richtung Land Blitze aus dem Himmel sendet.

Segeln fürs Meer Wismar
Ein richtiger Schauer testet unsere Segelkleidung.

Ich liebe diese Sommerschauer, die ja bald wieder aufhören. Wir stellen fest, dass wir uns vom Gewitter entfernen und nach ca. 30 Minuten ist der Spuk vorbei und allmählich reißt der Himmel auf.

Wir haben uns vorgenommen, heute zwei Trawl Sessions zu machen. Mit der ersten fangen wir an, sobald der Tiefenmesser mehr als 10 m anzeigt.

Die erste Trawl Session funktioniert jetzt schon mit einer gewissen Routine.

Am Nachmittag frischt es etwas auf und die Bewegung von ZERO nimmt zu. Wir machen gute Fahrt, aber an einen zweiten Trawl ist heute nicht mehr zu denken. Das Schiff wackelt einfach zu viel.

Am Abend erreichen wir den Hafen von Kühlungsborn.

Abendstimmung am Hafen in Kühlungsborn

Kühlungsborn hat sich seit der Wende sehr schnell entwickelt. Es reiht sich Hotel an Hotel, eine endlose Strandpromenade verbindet die auseinander gerissenen Siedlungsteile des Ortes. Im Winter werden hier die Bürgersteige hoch geklappt.

23.6.2021 Von Burgstaken zurück nach Kiel

Manta Trawl

Am frühen Morgen steigt Kiki von Ocean Summit mit hinzu und unterstützt uns bei der Dokumentation unserer Tätigkeit.

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Tschüß Fehmarn

Die erste Probe entnehmen wir auf der Westseite Fehmarns. Hier nochmal die einzelnen Schritte der Probenentnahme:

Vorbereitung und zu Wasser lassen des Manta Trawls
Unser häufigster Begleiter in dieser Woche

Wir lassen den Trawl für 30 Minuten im Meer mitlaufen. Die Soll Geschwindigkeit beträgt 2,5 Knoten. Wenn zusätzlich noch die Richtung und Stärke der Ströhmung mit einbezogen wird, lässt sich errechnen, welches Volumen an Wasser durch das Trawl hindurch geflossen ist. Ggf. gefundene Plastikpartikel lassen sich dann auf diese Menge beziehen.

Datenerfassung zum Trawl

Wir erfassen die Zeitpunkte und die Geodaten eines Trawls zum Beginn und zum Ende elektronisch mit dem Kartentool Locus Map pro. Damit tracken wir auch unsere gefahrene Strecke. Parallel und zur Sicherheit werden die Daten manuell auf einem Formular erfasst, dass den fotografiert wird. Mit der Datenredundanz haben wir eine ausreichende Sicherheit der Daten gewährleistet.

Bergen des Manta Netzes am Ende eines Trawls
Das Netz wurde von der Holzkonstruktion des Trawls getrennt und wird mit Salzwasser gespült.

Beim Säubern des Netzes mit Salzwasser sollten alle Partikel des Trawls im Kescher des Netzes landen. Der Kescher ist am Ende des Netzes angebracht und kann vom Netz getrennt werden.

Der Kescher wurde vom Netz getrennt.

Im Kescher auf diesem Foto erkennt man deutlich, dass wir an großem organischem Material z.B. Quallen und Seegrasblätter mit eingesammelt haben. Das Grobe organische Material entfernen wir zunächst aus dem Kescher.

Der „Fang“ landet jetzt in einem Untersuchungssieb

Beim Ausladen des Fanges in ein Untersuchungssieb werden Kescher und Sieb sorgfältig mit Süßwasser gespült. Salzkristalle wären bei der späteren Untersuchung im Labor hinderlich.

Der Inhalt des Untersuchungssiebes landet jetzt in einem sauberen Marmeladenglas.

Der Inhalt wird mit Süßwasser in das Aufbewahrungsglas gespült.

Probe Nr. 6 aus der Hohwachter Bucht

Mit kritischen Augen wird das Ergebnis dieses Trawls gewürdigt. Wir hoffen, dass es sich im Labor anschließend auswerten lässt.

Um 15:44 Uhr ist diese Probenentnahme beendet. Bald danach erfahren wir über Funk Kanal 11 vom Radio Todendorf, dass das Schießen für heute beendet sei. Wir können jetzt einen kürzeren weg zur Kieler Förde wählen.

Die Schießzeiten sollten laut Vorankündigung der Monatsplanung bereits seit Beginn der Woche beendet sein. Leider werden die Wassersportler nicht gefragt, wie lange das Militär im Rahmen des Nato Manövers BaltOp (Baltic Operations) dort tätig sind.

Zwischenzeitlich hatten wir von einer weiteren Meeresschutz Organisation den Wunsch übermittelt bekommen, eine zusätzliche Probe in der Kieler Förde zu ziehen.

Dort laufen wir bei Dämmerung ein.

Einlaufen in die Kieler Förde bei Dämmerung

Der Trawl bei Schiffsverkehr in der Dämmerung wird zu einem Highlight dieser Mini Expedition, die mit dem heutigen Abend enden wird. Wir wählen für unsere Fahrt den linken äußeren Rand des Fahrwassers und beobachten auch per AIS den Schiffsverkehr.

Für die Untersuchung unseres „Fanges“ haben wir eine mobile Bordlampe installiert, die den Fang detailliert und eindrucksvoller Beleuchtung zeigt.

Im Dunkeln landen wir in einem der stadtnahen Häfen an der Kiellinie.

Diese besondere Segelreise hat alle Beteiligten berührt. Wir haben eine Woche unsere Essgewohnheiten leicht modifiziert und uns vegetarisch ernährt. Wir hatten viele interessante Diskussionen über Meeresschutz und Wassersport. Allen Beteiligten ist klar, dass wir mehr für den Schutz unserer Meere tun müssen, wenn wir den nachfolgenden Generationen keinen Scherbenhaufen Erde hinterlassen wollen.