26.5.: von Bridlington nach Hartlepool

Wir haben wieder eine lange Strecke von fast 60 Seemeilen vor uns. Um 4:15 heißt es: Leinen los. Irgendwie kriegen wir das hin, um 3:00 Uhr wach zu werden. Wir haben uns am Steg am Abend zuvor wieder zufällig mit Wayne über den Abreisezeitpunkt abgestimmt. Dieses Mal tauschen wir Telefonnummern aus. Wayne will Richtung Blyth fahren, wo er wohnt. Sein Segelboot haben wir noch nicht gesehen. Wenn wir in Blyth sind, sollen wir ihn anrufen. Seine Schwester würde gerne für uns kochen.

Das Frühstück besteht aus einer Scheibe trockenen Knäckebrots. Als wir loskommen, ist Wayne bereits unterwegs.

Vielleicht sollte ich beruflich „Fastensegeln“ anbieten, das wäre bestimmt der Renner. Gesegelt wird nur auf der Nordsee oder dem Atlantik.  Zum Wellcome Paket gehören unauffällige kompostierbare Tüten für Notfälle. Spätestens ab dem 2. Tag sind alle mit dem Knäckebrot einverstanden.

Als wir den Hafen verlassen, wird schnell klar, dass es mal wieder ohne Motor gar nicht geht. Schon wieder bläst uns der Wind aus Norden um die Ohren. Auf dem AIS System sehen wir ein Schiff, das einige Meilen vor uns auf der gleichen Strecke fährt. Das muss Wayne sein, und er scheint ein ordentlich ausgestattetes Schiff zu haben, mit AIS und für uns nicht einholbar.

Nach dem Kap von Flamborough wird die Nordsee offener und die Wellen entfalten ihre volle Kraft. Die Scheibe Knäckebrot bleibt wo sie ist. Zero kämpft tapfer mit den Wellen. Für die Höhe kommen sie ganz schön hochfrequent.

Allmählich flauen die Wellen ab. Wir zeigen diesesmal Scarborough die kalte Schulter. Zu oft wurden wir hier abgelehnt.

Scarborough aus der Ferne gesehen.

Unterwegs begegnet uns in gleicher Fahrtrichtung ein Segelboot. Ein bärtiger Mann steht am Steuer. Alle Segel sind gesetzt obwohl der Wind von vorne kommt und alle Fender hängen draußen.

Das muss ein Einhandsegler sein, dem es zu aufwendig ist, die Segel ständig an die Fahrbedingungen anzupassen. Die Fender werden sowieso im nächsten Hafen wieder gebraucht.

Lange fahren wir mit diesem Segler im Pulk. Ist es ein Einhandsegler?

Während wir stumpf unter Motor fahren, kreuzt der Segler fleissig mal hinter uns, mal überholt er uns. Ok, wir probieren es auch mal mit dem Segel setzen.

Heute darf es unterwegs auch schon mal ein Apfel sein.

Stundenlang fahren wir halbwegs im Pulk, bis der Segler eine andere Richtung einschlägt und bald am Horizont verschwunden ist.

Am Abend kommen wir im Hafen von Hartlepool an. Inzwischen haben wir gelernt, uns per Funk bei einer Schleuse oder einer Marina anzumelden. Das funktioniert auch diesmal, nur dass uns die Marina mitteilt, dass sie uns erst um 0:30 Uhr schleusen kann. Die Zufahrt zur Marina ist außerhalb des Industriehafens und die hat jetzt mal wieder kein Wasser.

So ein Ärger. Nächstes Mal schaue ich mir die Hafeninformationen im Reeds noch genauer an. Es bleibt uns  nichts anderes übrig, als provisorisch an einem Fischtrawler fest zu machen und zu warten. Wir nutzen die Zeit zum kochen. Ein Gläschen Wein darfs trotz nächtlichem Umzug in die Marina sein.

Inzwischen haben sich hier mehrere Boote versammelt, die jetzt nicht in die Marina können. Ein weiteres kommt hinzu. Es wird von einem Rettungsboot der Coast Guard eskortiert bzw. geschleppt.

Das Boot entpuppt sich als der Segler, der uns stundenlang begleitet hat. Und der vermutete Einhandsegler vom Typ bärtiger Aussteiger entpuppt sich als Wayne! Die ganze Zeit über sind wir im Pulk gefahren, ohne ihn zu erkennen. Sein 80 jähriger Freund ist auch mit dabei, nur saß der oft im Inneren des Schiffes. Wir hatten Wayne einfach nicht mehr auf dem Schirm, als das von seinem Schiff vermutete AIS Signal aus unserer Reichweite verschwand.

Beide sind auffallend blass. Was war passiert und wieso wird er von Seenotrettern eskortiert?

Wayne’s Schiff hatte einen elektrischen Brand im Motorraum. Ein Kabel hatte keine feste Verbindung, war heiß geworden und hatte gebrannt. Alles war voll schwarzer Rauch, als Wayne die Motorklappe öffnete, so berichtet er. Ein Ausschalten der Elektrik beendet den Schwelbrand, aber mit diesem Motor ist das Schiff nicht mehr manövrierfähig. Ein Ersatzaußenborder verhinderte, dass das Schiff auf Grund gespült wurde.

Wayne stand sichtlich unter Schock. Wir bieten unsere Hilfe an, laden sie zu uns aufs Schiff ein, aber sie wollen dort bleiben und am nächsten Tag die Reparatur organisieren.

Noch in der Nacht fahren wir weiter zur Marina von Hartlepool, gehen dort durch die Schleuse und legen um 1:20 Uhr schließlich an dem uns angewiesenen Platz an. Wayne hat sein Schiff am nächsten morgen mit Hilfe eines Schiffselektrikers wieder flott gekriegt.

Eine Lichtkanone (mir fällt kein besseres Wort hierzu ein) weist den Booten den Weg zur Hafeneinfahrt der Marina und ersetzt in der Nacht einen Leuchtturm. Je nach Einfahrtswinkel werden 3 Farben gezeigt, rot, weiß und grün.
Beim Schleusen auf der Reise. Die hydraulischen Schleusen lassen das Wasser direkt durch das teilweise öffnen der Tore in die Schleuse ein. Schäumt mitunter wie eine Waschanlage.
Die Marina von Hartlepool.
Neben Superyachten liegen auch schwimmende Wracks in der Marina
Wie kommt der röhrende Hirsch in das Hafengelände von Hartlepool? Wer die Antwort findet, bitte einen Kommentar hinterlassen.

4 Antworten auf „26.5.: von Bridlington nach Hartlepool“

  1. Ich weiß ja nicht vielleicht würde ich doch eher Vollpension und Strand buchen als Fastensegeln. Wie gut, dass du deinen Humor bei den Strapazen nicht auf der stecke hast liegen lassen

  2. _Fastensegeln_
    Wenn dann bitte „klassisch“ mit „nur Brühe und Saft“.
    Google hat übrigens „0“ Ergebnisse -> echte Marktlücke?

    Ihr schreibt nix mehr über die Kälte- und Bekleidungssituation…
    Alles OK?
    …sonst vielleicht wirklich ab in die wellenfreie Tyne. Newcastle lohnt sich auf jeden Fall – da gibt’s auch ‚gut „Essen & Trinken“‚ (und dann die Nacht im Hafen… und dann vielleicht Langschläfer-Frühstück 😉
    Grüße an das Bootcamp
    Reinhold

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